Die vorliegende Arbeit beinhaltet eine retrospektive Analyse des Verlaufs der Bekämpfung der Klassischen Schweinepest (KSP) bei Wildschweinen im Kreis Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) in der Zeit von 2002 bis 2007. Grundlage bildeten Daten aus Fragebögen, die im Rahmen der Oralen Immunisierung (O.I.) gegen die KSP zwischen 2002 und 2004 auszufüllen waren, sowie umfangreiche serologische und virologische Untersuchungs-ergebnisse erlegter Wildschweine, größtenteils aus der KSP-Datenbank (CSF-Database) entnommen. Unter Einbeziehung von bestehenden Erfahrungen zur O.I. in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern wurden in NRW die Verfahren in Anlehnung an die Bekämpfungsmaßnahmen in Rheinland-Pfalz, die vor dem Erstnachweis des Erregers in der Nordeifel bereits angewandt wurden, durchgeführt. Zusätzlich bildeten intensive jagdliche und wildhygienische Maßnahmen weitere Bestandteile des Bekämpfungsprogrammes gegen die KSP beim Schwarzwild. Die O.I. wurde unter Verwendung einer KSP-Lebendvakzine auf Basis des China-Stammes (C-Stamm) in Impfködern (RIEMSER Schweinepestoralvakzine, RIEMSER Arzneimittel AG, Greifswald – Insel Riems) ausgeführt. Die Impfstrategie beruhte auf einer dreimaligen Doppelauslage der Köder pro Jahr (außer 2003). Die Analyse der Daten aus den Fragebögen ermöglichte eine Beurteilung der Verfahrens-anwendung der O.I. und bildete in Verbindung mit den Daten aus der KSP-Datenbank die Grundlage für die Ursachenforschung des Wiederaufflammens (Re-emerging) der KSP im Jahr 2005. Die Daten aus den Fragebögen, welche von Jagdausübungsberechtigten während der vier Doppelköderauslagen in den Jahren 2002-2004 ausgefüllt wurden, konnten den neun betroffenen Hegeringen zugeordnet und nach quantitativen sowie weiteren Gesichtspunkten (z.B. Bodenbeschaffenheit, Wetterdaten) beurteilt werden. Die aus der internationalen KSP-Datenbank (CSF Database) gewonnenen Daten aller untersuchten Wildschweine wurden ebenfalls nach dem Ort des Erlegens sowie nach der Altersklasse sortiert und analysiert. Eine deskriptive Auswertung der Daten aus der CSF Database ergab einen signifikanten Unterschied der Seroprävalenzraten zwischen der Altersklasse der Frischlinge (niedrige Seroprävalenzen) und denen in den Altersklassen der Überläufer und Adulten. Ferner zeigte sich bei der Analyse der virologischen Prävalenz (Virusprävalenz) ein noch deutlicher Unterschied zwischen Frischlingen auf der einen und Überläufern und Adulten auf der anderen Seite. Diese gesicherte höhere Virusprävalenz bei Frischlingen unterstreicht einmal mehr die Bedeutung der Frischlinge für das Aufrechterhalten des Seuchengeschehens. Die statistische Analyse der Daten (Sero- und Virusprävalenz) im Hegeringvergleich erbrachte einen signifikanten Unterschied zwischen den Hegeringen des hot- spot-Gebietes (Hegeringe mit den meisten positiven Virusnachweisen) und den übrigen Hegeringen. Dieses hot-spot-Gebiet wird durch die Hegeringe Bad Münstereifel und Euskirchen gebildet. Der Einfluss der O.I. auf die Seroprävalenzrate konnte jedoch nur indirekt bewertet werden, da durch den Einsatz einer konventionellen attenuierten Lebendvakzine (RIEMSER Schweinepestoralvakzine) zur O.I. keine serologische Differenzierung zwischen den durch Vakzination und Infektion (Feldvirus) induzierten Antikörper möglich ist. Zukünftig könnte dies durch den Einsatz einer DIVA-Vakzine (diffentiation of infected from vaccinated animals) in Kombination mit einem sensitiven Diagnoseverfahren möglich werden. Ungeachtet dessen war ein positiver Einfluss der O.I. auf die Herdenimmunität der Population nachweisbar. Gleichzeitig war der negative Einfluss der nicht durchgeführten Sommerimmunisierung im Jahr 2003 auf die Seroprävalenz, respektive Herdenimmunität, ebenso deutlich festzustellen. Weiterhin ließ die Analyse der Daten aus den Fragebögen im Hegeringvergleich einen Schluss auf mögliche Ursachen der weniger erfolgreichen Impfkampagnen der Jahre 2002 bis 2004 zu. Insbesondere zeigten sich bei dem zum hot-spot-Gebiet zählenden Hegering Bad Münstereifel deutliche Mängel in der Verfahrensanwendung der Köderauslage, wobei insbesondere unzureichende Wildbeobachtung und die Wahl von Köderplatzgrößen im Vordergrund standen. Die Jagdstreckenanalyse, unterteilt nach Altersstruktur und Hegeringen macht zudem deutlich, dass während der Zeit der KSP-Bekämpfung nicht, wie erforderlich, eine signifikante Erhöhung der Jagdstrecke stattfand, der Anteil der Frischlinge lag durchschnittlich bei 54%. In der zeitlichen Darstellung des Verlaufes der Seroprävalenzwerte zeigte sich kurz nach Beginn der neuen Impfkampagne am Anfang des Jahres 2006 bei allen Altersklassen ein signifikanter Anstieg, wobei der vorher beschriebene signifikante Unterschied in den Seroprävalenzraten der Frischlinge auf der einen Seite und den älteren Altersklassen auf der anderen Seite fortbestand. Fazit: Das Re-emerging der KSP im Kreis Euskirchen gründet ursächlich auf einer multifaktoriellen Basis, zum einen auf Mängeln bei der Verfahrensanwendung der O.I. besonders im hot- spot Gebiet, einer fehlenden Sommerimmunisierung im Jahr 2003 und auf der viel zu geringen Jagdstrecke zur Reduzierung der Schwarzwild-Population. Dennoch stellt das auf drei Doppelimpfungen pro Jahr basierende O.I.–Verfahren in Verbindung mit einer intensiven Bejagung und seuchenhygienischen Maßnahmen ein geeignetes Verfahren im Rahmen der KSP-Bekämpfungsmaßnahmen bei Wildschweinen dar, wie in Deutschland gezeigt werden konnte. Es setzt eine großflächige, langfristige und individuelle Planung und Durchführung des Impfprogramms voraus, in das die Jagdausübungsberechtigten durch ständige Interaktion mit den zuständigen Behörden wirksam einbezogen werden müssen. Im Anschluss an eine erfolgte Tilgung ist es weiterführend notwendig, durch gezielte Untersuchung erlegter Wildschweine definierter Altersklassen über einen längeren Zeitraum ein Re-emerging der KSP auszuschließen bzw. frühzeitig zu erkennen. Da im Jahre 2005 diese intensive diagnostische Überwachungsphase noch Bestand hatte, war es möglich, das erneute Aufflammen der Infektion frühzeitig zu erkennen und schnell mit neuen Bekämpfungsmaßnahmen zu reagieren. Auch im Seuchengeschehen in der Nordeifel (NRW) zeigte sich einmal mehr, welche entscheidende Rolle die Frischlinge bei der Aufrechterhaltung der Seuche spielen. Daher muss diesen zukünftig bei der Bekämpfung der KSP noch größeres Augenmerk gewidmet werden.
A retrospective analysis of the course and the eradication program of Classical Swine Fever (CSF) in wild boar populations in the state of North Rhine-Westphalia, Germany, between 2002 and 2007 was carried out. Its basis were data from questionnaires, which had to be filled out during the process of oral immunisation (o.i.) and from serological and virological findings derived from an international CSF database of hunted wild boars. Learning from years of experience in the eradication of CSF using o.i. in Baden-Wurttemberg and other federal states, North Rhine-Westphalia incorporated o.i. as a further effective method into the CSF eradication program in addition to hunting and hygiene measures to combat epidemics, based on the eradication program of Rhineland Palatinate before the first CSF-virus (CSFV)-infection had been detected. Using a CSF attenuated live vaccine based on the “China- strain” (C-strain) in maize baits (RIEMSER Schweinepestoralvakzine, RIEMSER Arzneimittel AG, Greifswald, Isle of Riems), oral immunisation was performed as a continuous strategy using three double vaccination periods per year (except 2003). The questionnaire data allowed an evaluation of the eradication procedure of o.i. In combination with the data from the CSF-database it provided the basis of causal research into the re-emergence of CSF in 2005. Between 2002 and 2004, hunters had to fill out questionnaires on the distribution and placement of baits in each case. Questionnaire information was related to the nine concerned CSF-affected hunting communities and used for the assessment of other aspects such as respective soil conditions and meteorological data. Data from the CSF-database referring to serological and virological findings of all wild boars examined could also be classified according to the place where individual boars were killed or found dead and to their age. A descriptive analysis of the CSF-database serological data revealed a significant difference in the seroprevalence rates of different age groups. Piglets had low seroprevalences as opposed to sub-adults and adults. In addition, virusprevalence rates showed even greater differences between piglets and sub-adults as well as adults. The fact that virusprevalence is higher among the youngest age class underlines once again the crucial role of piglets in the perpetuation of a CSF-epidemic. Significant differences between hunting communities of the hot-spot-area (hunting communities with the highest number of positive CSF virus detection) and the other hunting communities were assessed by statistical analysis of serological and virological data. The hot- spot-area consists of the hunting communities of Bad Münstereifel and Euskirchen. The use of a conventional live vaccine did not allow distinguishing between antibodies resulting from field infection and vaccination. For that reason, the influence of o.i. could be evaluated only indirectly. In the near future, this differentiation could be brought about by the use of a DIVA-vaccine (differentiation between infected and vaccinated animals) in combination with a sensitive diagnostic technique. The influence of the herd immunity, however, could be verified. Also, the consequences of the missing summer immunisation of 2003 could clearly be ascertained. Furthermore, the analysis of the questionnaire data allowed inferences on possible causes of the less effective vaccination campaigns from 2002 until 2004. Especially in the hot-spot-area of Bad Münstereifel several shortcomings in the distribution of baits were revealed. Furtheron, insufficient observations of animals and the wrong size of the vaccination zones constituted major problems. The analysis of the hunting bag, classified for age groups and hunting communities, also shows that during the CSF eradication program, the quantity of pigs taken was not significantly increased as required; the proportion of piglets remained at an average of 54%. The documentation of the course of the seroprevalence rates showed a significant increase in all age groups at the beginning of 2006, when the new immunisation phase had started. Differences in the seroprevalence rates between the piglets and the older though were maintained. In conclusion: The re-emergence of CSF in the county of Euskirchen in 2005 was caused by multiple factors, including shortcomings in the execution of the o.i., especially in the hot-spot-area, a missing summer immunisation in 2003 and a far too small hunting bag to effectively reduce the wild boar population. However, for the control of epidemics, a o.i. strategy with three double vaccination periods per year in combination with hunting and hygiene measures is an appropriate method for CSF eradication in wild boar populations. An area extensive, long-term and individual strategy for planning and executing an immunisation program is required, into which hunters have to be involved by constant interaction with officials. After the successful eradication of CSF, a directed and long-term examination of hunted wild boars of defined age groups is essential for the prevention and early detection of CSF re-emergence. Due to directed examinations of wild boars in 2005, it was possible to detect such re- emergence and start eradication at an early stage. In the northern part of the Eifel (North Rhine-Westphalia) the crucial role of young wild boars (piglets) in the perpetuation of CSF was again underlinded. In future, all efforts to eradicate CSF will have to be focused on this age group.