In den 1840er-Jahren nehmen die Autorinnen des Vormärz zunehmend gesellschaftliche, politische und ökonomische Themen aus der von Umbrüchen geprägten Gegenwart in ihre literarischen Werke auf – allen voran das Phänomen der Massenverelendung, das das öffentliche Leben zwischen dem Schlesischen Weberaufstand (1844) und der Märzrevolution (1848) dominiert. Dabei schreiben die Autorinnen nicht nur über ein zeitgeschichtliches Thema, sondern auch gegen zugewiesene Begrenzungen und Beschränkungen an, denn sie sind einer zweifachen Marginalisierung ausgesetzt: Zum einen aufgrund ihres Geschlechts, und zum anderen aufgrund des Erzählgegenstandes. So haftet sowohl den Werken von Frauen als auch der Literatur über den Pauperismus der Verdacht der Minderwertigkeit an, und zwar aus demselben Grund: aus einer angeblich zu großen Nähe zum ,Leben‘, sei es aufgrund von traditioneller Geschlechterontologie oder aufgrund von allzu ,ungefilterter‘ Darstellung der Wirklichkeit in der Kunst. Als Antwort auf die auferlegten Begrenzungen entwickeln die drei untersuchten Autorinnen jeweils individuelle Modelle des Erzählens über das Elend. Für Louise Aston dient das Sujet des Liebesromans in Aus dem Leben einer Frau (1847) als ein ,Schafspelz‘, um brisante politische Theorien über den Pauperismus unter die Leserinnen zu bringen. Auch werden im Roman die Parallelen zwischen der Lage der Frauen und der Lage der Arbeiterschaft vorgeführt, da in der frühindustriellen Vormärz-Gesellschaft mit beiden wie mit Ware gehandelt werde. Louise Ottos Schloß und Fabrik (1846) ist ein Gesellschaftsroman, in dem sämtliche Lösungsszenarien für das Elend präsentiert, diskutiert oder in Szene gesetzt werden. Der Text ermöglicht insbesondere den Leserinnen, die zur damaligen Zeit von höherer Ausbildung und der Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen waren, „spielend [zu] lernen“, d. h. in der Sphäre der Phantasie Wissen über die Not zu sammeln, Denkweisen zu erproben oder sich in ein Leben in Armut einzufühlen. Bettina von Arnims Armenbuch (1844) bringt statistische Zahlenlisten, philosophische Denkschriften und ein Märchen in einer Gattungstriade zusammen. Von den behandelten Werken geht es in der ästhetischen Grenzüberschreitung am weitesten und ist darin auch in der gesamten Literaturproduktion der Zeit einzigartig. Besonders innovativ ist der biografisch-poetische Selbstentwurf des sozial engagierten Genies, der die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion, zwischen sozialem Engagement und politischem Handeln, zwischen Literatur und Leben durch einen kreativen Schöpfungsakt verschwinden lässt. Die Autorinnen greifen literarische Formen und Muster, die zum großen Teil mit dem Erwartungshorizont der damaligen Zeit zusammenhängen, in ihren Erzählwerken auf, unterminieren sie und gehen über sie hinaus. Häufig werden dabei überlieferte literarische Topoi – wie etwa das Bild vom bescheidenen Glück in den Hütten der Armen – als Wunschbilder entlarvt und es wird ein kritischer Blick auf die gesellschaftliche Ordnung gerichtet, die die extreme Not hervorgebracht hat. So führen das Einbringen von Wirklichkeit, bzw. ,Leben‘ in die Literatur und das Überschreiten von Begrenzungen dazu, dass die von Vormärz-Autorinnen verfassten Erzählwerke über das Elend ein innovatives Potential entfalten.
In the 1840s, women writers of the Vormärz increasingly started including social, political and economic issues of contemporary history, which was marked by upheavals, into their literary works. The most prominent among them was the mass impoverishment phenomenon, which dominated public life in the years between the Silesian weavers' uprising (Schlesischer Weberaufstand, 1844) and the March Revolution (Märzrevolution, 1848). Women writers did not only write about a topic of the times, but they were also up against considerable restrictions and limitations, because they were subjected to a double marginalization: on the basis of their gender and of the narrative subject. Literary works written by women, as well as prose on the subject of pauperism, were labelled as substandard art, and essentially for the same reason: allegedly, because they were too close to 'life', whether this was based on traditional gender ontology or an 'unfiltered' representation of reality in art. As a response to imposed limitations, the three women writers examined in the thesis developed individual models of writing about pauperism. Louise Aston used the form of the love novel in Aus dem Leben einer Frau (1847) as 'sheep's clothing' to expose female readers to controversial political theories about poverty. Furthermore, the novel showed parallels between the position of women and the position of workers in the early industrial Vormärz society, since both were treated as commodities. Louise Otto's Schloß und Fabrik (1846) is a social novel (Gesellschaftsroman) that presented, discussed or set the scene for diverse solutions of the poverty problem. The text enabled especially the female readers, who did not have access to higher education and public life, to learn through play (''spielend lernen''), i. e. to acquire knowledge, try out ways of thinking and empathize with a life in need while in the realm of imagination. Bettina von Arnim's Armenbuch (1844) brings together statistical lists of numbers, philosophical think pieces and a fairy tale in a triad of genres. Of all the analyzed literary works, it goes the furthest in crossing aesthetic limitations, and it is also unique in the literary production of the whole era. The project of the biographical and poetical Self is particularly innovative, i. e. the socially engaged genius, which in an act of creation erases the borders between fact and fiction, social engagement and political action, literature and life. Women writers of the Vormärz took up literary forms and patterns mostly connected to the level of expectations of the times, undermined them in their narrative literary works, and went beyond them. In their texts, they would often use traditional literary topoi – e.g. an image of modest happiness in the huts of the poor – only to expose them as illusions and cast a critical gaze at the social order which was the cause of extreme misery. Therefore, the introduction of reality, i.e. 'life', into literature and the surpassing of limitations unfold the innovative potential in narrative works on poverty by women writers.