Die vorliegende Dissertation hat die irregulären Bestattungen des Alten Ägypten von der Badari-Zeit bis zum Mittleren Reich (ca. 4400–1760 v. Chr.) zum Inhalt. Die Studie lässt inhaltlich in drei Hauptteile untergliedern. Der erste Abschnitt widmet sich den theoretischen Grundlagen zum Themenkomplex der Bestattungen und Bestattungssitten. Der zweite Schwerpunkt liegt auf der Beschreibung und Auswertung der konkreten archäologischen Befunde. Im dritten Hauptteil geht es um die Interpretation der altägyptischen nicht-normativen Bestattungen und ihre Einordnung in einen größeren Kontext innerhalb der Glaubensvorstellungen der Alten Ägypter. In der Archäologie werden unter dem Begriff „irreguläre Bestattung“ Begräbnisse verstanden, die numerisch kaum eine Rolle spielen und die eine deutliche Abweichung von der Bestattungsnorm der jeweiligen Zeit zeigen, ohne dass taphonomische Prozesse oder Störungen als Erklärung für den Zustand des Befundes herangezogen werden können. Bei den irregulären Bestattungen handelt es sich demnach um qualitative wie quantitative Ausnahmen. Die abweichenden Bestattungen lassen sich sechs Kategorien zuweisen: 1.) Abweichungen im Grabbau, 2.) Abweichende Orientierung, 3.) Abweichende Positionierung, 4.) Manipulationen am Skelett, 5.) Grab ohne Leichnam sowie 6.) Sonstige Abweichungen. Insgesamt konnten im Rahmen der vorliegenden Untersuchung 161 Gräber mit mindestens 163 abweichend bestatteten Individuen bzw. zehn fehlenden Individuen dokumentiert werden. In allen überprüften Gräberfeldern während des gesamten Untersuchungszeitraumes konnten irreguläre Bestattungen nachgewiesen werden, so dass davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei diesem Phänomen nicht um eine lokale oder zeitliche Besonderheit, sondern um eine allgemein verbreitete Auffälligkeit handelt. Insgesamt wurden die meisten irregulären Bestattungen während der prä- und protodynastischen Zeit dokumentiert. In den einzelnen Zeitstufen zeigen sich spezifische Verteilungsmuster der einzelnen Kategorien von irregulären Bestattungen. Innerhalb der irregulären Bestattungen lassen sich absolute Einzelfälle (etwa Abweichungen im Grabbau sowie insbesondere Sonstige Abweichungen) herausstellen und häufiger wiederkehrende Befunde (beispielsweise abweichende Orientierungen und Positionierungen). Für einen Teil der Todesfälle waren demzufolge noch Konstrukte oder Richtlinien für das Vorgehen mit dem Verstorbenen vorhanden. Für andere mussten individuelle Wege im Umgang gefunden werden. Für die irregulären Bestattungen gibt es demzufolge keine allgemeingültige Erklärung. Jeder Befund muss für sich interpretiert werden. Innerhalb der Interpretationsmöglichkeiten sticht besonders die Fixierung der Verstorbenen im Grab und die damit verbundene Totenfurcht hervor. Diese mögliche Motivation hinter einem Teil der irregulären Bestattungen wird auch durch die Textquellen gestützt, die zeigen, dass im Glauben der Alten Ägypter eine Furcht vor bestimmten Toten vorhanden war.
This dissertation is dealing with irregular burials from Ancient Egypt which are dating from the Badarian period to the Middle Kingdom (ca. 4400–1760 BC). The study can be divided into three main parts. The first part gives attention to the theoretical framework of the set of issues of burials. The second emphasis lies on the description and analysis of the specific archaeological remains. In the third and last part possible interpretations for the phenomenon of irregular burials will be offered and aligned into a bigger picture within the belief system of the Ancient Egyptians. In Archaeology the term “irregular burial” is understood as an interment that shows a distinct divergence from the standard burials of their time. These deviations cannot be explained by disturbances or taphonomic processes. Therefore irregular burials are qualitative and quantitative exceptions. Deviant burials can be divided into six categories: 1.) modifications of tomb construction, 2.) modifications in the orientation of the deceased, 3.) modifications in the position of the deceased, 4.) manipulations of the corpse or skeleton, 5.) graves without a corpse, and 6.) further anomalies. All in all 161 graves with at least 163 divergently buried individuals respectively ten missing individuals could be recorded in the course of this study. In all examined cemeteries during the time of consideration irregular burials could be attested. Hence it can be assumed that this phenomenon is not an isolated feature of a particular area in Egypt or a phenomenon of one specific phase of Egyptian history, but rather a generally distributed peculiarity. In relation to all examined burials we can find the highest percentage of irregular burials during the Pre- and Early Dynastic Periods. The categories of irregular burials show a distinct distribution within the specific phases of Egyptian history. Within the irregular burials there are individual cases (modifications of tomb construction and especially further anomalies) as well as more frequently attested cases (like modifications in the orientation or position of the deceased). Hence for some of the deaths there must have been some kind of guidelines for the procedures related to the deceased. For other deaths adapted and more individual ways had to be found. It can be shown that there is no general interpretation for all deviant burials. Within the possible explanations the fixation of the corpse and therefore the fear of the dead stands out. This possible motivation behind some of the irregular burials is supported by textual sources. These texts provide evidence for a certain fear of the dead within the ancient Egyptian belief system.