EINLEITUNG: Neu aufgetretene epileptische Anfälle und Epilepsien werfen verschiedene Fragen auf, denen bisher nur unzureichend nachgegangen wurde. Diese Arbeit sollte mittels retrospektiver Analyse untersuchen, welchen Beitrag Anamnese und weiterführende Untersuchungen für die klassifikatorische Zuordnung erster Anfälle haben, ferner sollten Prädiktoren für den Verlauf ermittelt werden. METHODIK: Die zentrale Patienten-Datenbank der Charité – Universitätsmedizin Berlin wurde nach erwachsenen Patienten mit erstmals aufgetretenen epileptischen Anfällen durchsucht, die zwischen 2008 und 2010 in die Klinik für Neurologie stationär aufgenommen worden waren. Von diesen Patienten wurden Informationen zur Anamnese, zu Untersuchungsbefunden sowie zur Behandlung gesammelt und bezüglich ihres Beitrags zur Klassifikation (Anfallsdiagnose, Anfallsklassifikation und syndromatische Zuordnung) ausgewertet. Allen Patienten wurde 2,75 bis 5,75 Jahre nach stationärem Aufenthalt ein Bogen mit Fragen zum Verlauf zugesandt, und es wurden Zusammenhänge zwischen den Daten vom initialen stationären Aufenthalt und zum Verlaufszeitpunkt untersucht. ERGEBNISSE: 295 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien. Bei der großen Mehrheit (91,9 %) war die sichere Diagnose eines epileptischen Anfalls allein anhand der Anamnese möglich. Das EEG war zu 25,7 % und die Bildgebung (CT, MRT) zu 51,9 % hilfreich für die syndromatische Zuordnung. Letztere ergab: 12,5 % (n=37) akut-symptomatischer Anfall, 21 % (n=62) isolierter unprovozierter Anfall, 53,2 % (n=157) fokale Epilepsie, 1,7 % (n=5) generalisierte Epilepsie, 2 % (n=6) unklassifizierte Epilepsie und 9,5 % (n=28) unsichere Diagnose. Patienten mit Epilepsie wurden bei Entlassung häufiger mit einem Antikonvulsivum behandelt als Patienten mit lediglich Anfällen (p<0,001). Zum Verlaufszeitpunkt waren 22,7 % der Patienten verstorben. Das Alter bei Erstmanifestation der Anfälle und pathologische Bildgebungsbefunde erwiesen sich als unabhängige Prädiktoren für Versterben (p=0,004 bzw. p=0,003). Die Mehrheit der Antwortenden berichtete von keinen Rezidivanfällen und keinen beruflichen oder sozialen Auswirkungen des ersten Anfalls. Lebensqualität und allgemeiner Gesundheitszustand wurden als eher gut bewertet. Es zeigten sich keine Zusammenhänge zwischen den Daten vom stationären Aufenthalt und zum Verlaufszeitpunkt. Zum Verlaufszeitpunkt behandelte Patienten bewerteten ihren allgemeinen Gesundheitszustand schlechter (p=0,004) und hatten einen höheren Punktwert in einem standardisierten Fragebogen zu unerwünschten Wirkungen von Antikonvulsiva (p=0,003). SCHLUSSFOLGERUNG: Die sichere Diagnose eines epileptischen Anfalls ist in der Regel allein anhand der Anamnese möglich. EEG und Bildgebung liefern wertvolle Beiträge zur syndromatischen Klassifikation. Patienten mit höherem Alter und pathologischen Bildgebungsbefunden haben ein erhöhtes Risiko, vorzeitig zu versterben und sollten ggf. eine intensivierte Betreuung erhalten. Jenseits dessen ist die Prognose neu aufgetretener epileptischer Anfälle gut, mögliche Prädiktoren für den Verlauf sollten weiter untersucht werden.
INTRODUCTION: New-onset epileptic seizures and epilepsies raise various questions which have been insufficiently researched so far. This study aimed to explore retrospectively, how much detailed history taking and additional investigations contribute to seizure diagnosis and syndromatic allocation, as well as to identify predictors for the prognosis of new-onset epileptic seizures and epilepsies. METHODS: The central database of the Charité – University Hospital Berlin was searched for adult patients with new-onset epileptic seizures admitted to the Department of Neurology between 2008 and 2010. For each patient, information on history, additional investigations and treatment was collected and its contribution to the epileptologic classifaction (seizure diagnosis, seizure classification and syndromatic allocation) was evaluated. All patients were sent a questionnaire 2.75 to 5.75 years after their hospital stay and associations between data from the hospital stay and from follow-up were explored. RESULTS: 295 Patients fulfilled the inclusion criteria. In the vast majority of patients (91.9 %), an epileptic seizure could solely be diagnosed on base of the patient’s history. EEG was helpful for syndromatic allocation in 25.7 % and neuroimaging (CT, MRI) in 51.9 %. Patients were allocated as follows: 12.5 % (n=37) acute-symptomatic seizure, 21 % (n=62) isolated unprovoked seizure, 53.2 % (n=157) focal epilepsy, 1.7 % (n=5) generalized epilepsy, 2 % (n=6) unclassified epilepsy and 9.5 % (n=28) unsure diagnosis. At discharge, patients with epilepsy were treated with an anticonvulsant drug more frequently than patients who had only seizures (p<0.001). At follow-up, 22.7 % (n=67) of the patients had died. Age at first seizure and pathological neuroimaging were independent predictors for mortality (p=0.004 and p=0.003, resp.). The majority of patients who answered the questionnaire did not report seizure relapse or consequences in their professional and private life. Quality of life and general health state were rated as rather good. No associations were found between findings from the initial hospital stay and from follow-up. Patients treated at follow-up rated their general health state worse (p=0.004) und had a higher score in a questionnaire on adverse effects of anticonvulsant drugs (p=0.003). CONCLUSION: The certain diagnosis of an epileptic seizure can usually be made solely using information from patients‘ history. EEG and neuroimaging contribute importantly to the syndromatic classification. Elderly patients and those with pathologic neuroimaging have a higher mortality risk and should receive intensified medical surveillance. For the survivors, prognosis of new-onset epileptic seizures is favorable; possible predictors for long-term outcome need further research.