In unserer Gesellschaft des langen Lebens treten zunehmend Menschen hohen Alters und sogar Hundertjährige in den Blickpunkt von Forschung und Gesellschaft. Die vorliegende Arbeit untersucht die Morbiditäts- und Versorgungsprofile von hochaltrigen Menschen, insbesondere von Hundertjährigen. Es wurden Routinedaten der Kranken- und Pflegekassen in zwei konsekutiven Studien analysiert. Die erste Studie umfasste die Leistungs- und Morbiditätsdaten von 1.121 in der AOK Nordost Versicherten Hundertjährigen (querschnittliche Aggregation über fünf Jahre; Studie I). Die zweite Studie umfasst längsschnittliche Verläufe von Routinedaten 1.398 hochaltriger Versicherter der Knappschaft (insgesamt 34.735 Personen-Kalenderquartale; Studie II) über sechs Jahre hin zum Tod betrachtet. Dabei wurden für die Analyse drei Gruppen gebildet; diejenigen, die als Hundertjährige starben wurden mit Zufallsstichproben von Individuen verglichen, die in ihren 80ern oder 90er Jahren starben. Zuhause Lebende und institutionalisierte Personen wurden in beiden Studien eingeschlossen. Statistische Analysemethoden waren unter anderem die latente Klassenanalyse, latente Wachstumskurvenmodelle, sowie generalisierte Schätzgleichungen. Mit dem Ziel, Multimorbidität und Gesundheitsversorgung bei hochaltrigen Menschen und Hundertjährigen zu untersuchen, tragen fünf aufeinanderfolgende Forschungsergebnisse zu unserem Verständnis dieser Bevölkerungsgruppe bei. Die medikamentöse, ambulante und stationäre medizinische Versorgung sowie die Morbiditätsverteilung unterscheidet sich zwischen Gruppen Hundertjähriger mit unterschiedlichem Pflegestatus (Arbeit 1; Studie I). So können etwa Erkrankungen des Bewegungsapparats und Demenzen als Unterscheidungsmerkmale zwischen im Pflegeheim wohnenden und zu Hause lebenden Hundertjährigen gesehen werden. Die Untersuchung von Erkrankungsprofilen ergab vier latente Klassen von Hundertjährigen (Arbeit 2; Studie I). So wurden 36% der Hundertjährigen als an „altersassoziierten Erkrankungen“ erkrankt eingestuft; 18% hatten eine Vielzahl von Komorbiditäten ohne Diabetes und wurden als „multimorbid ohne Diabetes“ bezeichnet; 9% wurden als „multimorbid mit Diabetes“ bezeichnet; und 36% zeigten „niedrige Erkrankungs-wahrscheinlichkeiten“. Die Hypothese der Kompression der Morbidität erweiternd, fanden wir, dass die Anzahl der Erkrankungen bei Personen, die im Alter von hundert Jahren und älter verstarben, niedriger war und der Zuwachs in den letzten Jahren vor dem Tod flacher ausfiel, im Vergleich zu denjenigen, die mit 90-99 Jahren oder 80-89 Jahren starben (Arbeit 3; Studie II). Obwohl die hundertjährig Verstorbenen öfter im Pflegeheim waren, als die 90-99-jährig oder die 80-89-jährig Verstorbenen, zeigten Erstere zum einen eine langsamere Progressionsrate, also verbrachten diese längere Zeit im Pflegeheim vor ihrem Tod (Arbeit 4; Studie II). Zum anderen waren etwa Demenzen bei den hundertjährig Verstorbenen weniger stark mit dem Heimstatus assoziiert, als dies bei den jüngeren Kohorten Hochartiger der Fall war. Vorhofflimmern, welches besonders bei hochaltrigen Patienten ein Schlaganfallrisiko darstellt, wurde zu medikamentöser Versorgung eingehender untersucht (Arbeit 5; Studie II). Hundertjährige Patienten mit Vorhofflimmern erhielten im Vergleich zu den anderen Altersgruppen signifikant weniger gerinnungshemmende Medikation. Innerhalb der hochaltrigen Patienten mit diagnostiziertem Vorhofflimmern, war das Erhalten von Antikoagulation nicht mit dem Schlaganfallrisiko assoziiert, selbst dann, wenn für das Blutungsrisiko statistisch adjustiert wurde. Eine genauere Kenntnis der Multimorbiditäts- und der Versorgungsmuster hochaltriger Menschen, insbesondere von Hundertjährigen, erlaubt eine bessere Versorgungsplanung jetzt und in Zukunft, wofür die vorliegende Arbeit einen Beitrag leistete.