Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht die Frage, in welcher Form die Klassische Archäologie einen eigenständigen Beitrag zur Erforschung antiker Festkomplexe leisten kann. Dieser Frage wird in einer Detailstudie zum panhellenischen Fest der Artemis Leukophryene in Magnesia am Mäander vom Hellenismus bis in die römische Kaiserzeit nachgegangen und in einem Exkurs zum Fest der Asklepieia auf Kos ein Vergleichsbefund gegenübergestellt. Den inhaltlichen Schwerpunkt der Untersuchung bilden das Heiligtum der magnesischen Artemis, das mit der Feststiftung 221/220 v. Chr. zusammen mit der benachbarten Agora zu einer monumentalen Festtopographie ausgebaut wurde. Ausgehend von Theorieansätzen der Raumsoziologie, der Architektursoziologie und der Erinnerungsforschung sollen aus der materiellen Evidenz Rückschlüsse auf die infrastrukturelle Gestaltung und die medial vermittelten Gesellschaftsbilder im Fest Aussagen gewonnen werden, die zu einer Rekonstruktion der festlichen Handlungen führen sollen. Die Analyse des magnesischen Befunds zeichnet das Bild eines nach ästhetischen Kriterien hellenistischer Bauplanung entworfenen Ensembles zweier Peristylanlagen, die die zentralen Kultbauten einfassten. Deren Ausbau erfolgte in drei Bauphasen bis in das 2./3. Jh. n. Chr., die mit wichtigen Stationen der Festentwicklung zusammenfiel. Die auf den Platzanlagen versammelten Architekturen und Denkmäler inszenierten ein Selbstbild der feiernden Gemeinde, das einer allgemeinen hellenistischen und später kaiserzeitlichen Programmatik entsprach: Thematisch kreiste es um mythhistorische Traditionen, bürgerliche Selbstdarstellung und panhellenische Verortung. Durch die Positionen der sinnstiftenden Monumente ließ sich eine Hierarchisierung zwischen Temenos und Agora zugunsten des Sakralbezirks herausstellen. Diese Hierarchie spiegelte sich in den festlichen Handlungen: Die Prozessionsordnung reflektierte diesen Gedanken ebenso wie die zentrifugale Bewegung des Opferzugs von den Wohngebieten über die Agora ins Temenos als Annäherung an den identitätsstiftenden Kern der Bürgerschaft. Auf den Platzanlagen waren die Prozessionsroute und Opferrituale durch infrastrukturelle, symbolische und visuelle Richtungsgeber markiert, die die Erschließung der Festtopographie in eine Folge von hintereinandergeschalteten Einzeleindrücken aufgliederte. Ausgehend von den baulichen Veränderungen begann die Prozession anscheinend ab dem 2./3. Jh. n. Chr. mit einem Auszug aus dem Temenos und durchlief den Stadtraum kreisförmig. Der Vergleich mit dem koischen Asklepiosheiligtum zeigt, trotz Unterschieden in der topographischen Verortung und baulichen Gestaltung, ein analoges, aus einem gemeinsamen kulturhistorischen Kontext erwachsenes Bild für die inhaltliche und rituelle Inszenierung der lokal abgehalten Festlichkeiten der Asklepieia.