Psoriasis vulgaris ist eine chronische Erkrankung mit charakteristischen Hautveränderungen, unter welcher in Deutschland ca. 3 % der Bevölkerung leidet. Die typischen psoriatischen Hautveränderungen präsentieren sich als scharf begrenzte, leicht erhabene, rötliche Läsionen, die mit silbrig glänzenden Schuppen bedeckt sind. Diese schmerzhaften und juckenden Läsionen erschrecken oft Uneingeweihte und führen zur Stigmatisierung der Patienten. Dieses ist häufig mit Arbeitsplatzverlust, depressiver Verstimmung, Rückzug aus dem aktiven Leben, sozialem Abstieg, Alkoholmissbrauch und Suizidgedanken verbunden. Als Konsequenz hat Psoriasis vulgaris einen enormen negativen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen und - angesichts der verursachten direkten und indirekten Kosten - eine enorme gesellschaftspolitische Bedeutung. Mikroskopisch unterscheiden sich die psoriatischen Läsionen wesentlich von der gesunden Haut, insbesondere im Bereich der Epidermis. So ist das Stratum spinosum der psoriatischen Läsionen deutlich verdickt (Akanthose) und die Reteleisten sind beträchtlich verlängert. Im Weiteren fehlt das Stratum granulosum und das Stratum corneum besteht nicht - wie in der gesunderen Haut - aus kernlosen, kompakten, hexagonalen Korneozyten, sondern aus Strukturen mit Zellkernresten (Parakeratose) und ist ebenfalls verdickt (Hyperkeratose). Sowohl in der Epidermis als auch Dermis der psoriatischen Läsionen ist eine ausgeprägte Infiltration mit Immunzellen vorzufinden. Die oben beschriebenen epidermalen Veränderungen werden unmittelbar durch zwei Prozesse hervorgerufen: eine deutlich gesteigerte Proliferation der basalen Keratinozyten und eine gehemmte und gestörte terminale Differenzierung der Keratinozyten. Die terminale Differenzierung ist ein Prozess, der zur Entstehung von Korneozyten aus den lebenden, sich ursprünglich teilenden Keratinozyten führt. Er beinhaltet unter anderem: a) die Synthese von spezifischen Proteinen wie Keratin (K)1, K10, Profilaggrin und late cornified envelope protein (LCEs), die anschließend zu einem unlöslichen Konstrukt bestehend aus den K1/K10-Filaggrin-Filamenten und dem cornified envelope durch Transglutaminasen vernetzt werden, b) die Auflösung des Zellkerns und c) die Ausbildung von inter-korneozytären Verbindungen, sog. Korneodesmosomen. Als wir unsere Arbeiten begannen, wurde vermutet, dass sowohl die Steigerung der Proliferation als auch die Hemmung/Störung der terminalen Differenzierung der Keratinozyten durch Zytokine verursacht wird, die durch die in psoriatische Haut eingewanderten Immunzellen sezerniert werden. Die dafür konkret verantwortlichen Mediatoren waren jedoch nicht bekannt. Unsere translationalen Arbeiten, die Grundlage meiner Habilitationsschrift darstellen, legen nah, dass die Hemmung/Störung der terminalen Differenzierung der psoriatischen Keratinozyten das Resultat der Aktivierung des IL-22R1 ist. IL-22R1 ist eine transmembranäre Rezeptorkette. Im Komplex mit IL-10R2 oder mit IL-20R2 interagiert sie mit den Zytokinen IL-22 bzw. IL-20/IL-24 und wird aktiviert.
Im Detail zeigen unsere Arbeiten, dass die IL-22R1-Aktivierung zur Reduktion der Expression von K1, K10, Profilaggrin und LCE1B in primären humanen Keratinozyten führt. Die Reduktion der Profilaggrin-Expression bewirkt sehr wahrscheinlich auch die Abnahme des aus Profilaggrin stammendem N-terminalen Peptides, das bei der Auflösung des Zellkerns eine entscheidende Rolle spielt. Im Weiteren beobachteten wir eine Minimierung der Expression von calmodulin like 5 (ein Ca-abhängiger Ko-Faktor der Transglutaminasen) und desmocollin-1 (ein Bestandteil der Korneodesmosomen). Interessanterweise erhöht die IL-22R1-Aktivierung gleichzeitig die Expression von K16, einem Keratin, das den regenerativen Status der Zellen anzeigt. Die Hemmung der terminalen Differenzierung infolge der IL-22R1-Aktivierung auf molekularer Ebene ist von einer deutlichen morphologischen Veränderung der mit den entsprechenden Zytokinen behandelten rekonstruierten dreidimensionalen humanen Epidermis (RHE) begleitet. So zeigen sowohl IL-22- als auch IL-20- und IL-24-behandelte RHE z. B. eine Verdickung der lebenden Keratinozytenschicht. Dagegen beeinflussen IL-17A und IFN-g weder die terminale Differenzierung der Keratinozyten auf molekularer Ebene, noch induzieren sie entsprechende morphologische Veränderungen der RHE. Im Weiteren fanden wir bei transgenen, IL-22-überexprimierenden Mäusen und andere Gruppen bei IL-20- und IL-24-überexprimierenden Tieren Psoriasis-ähnliche Hautveränderungen. Diese umfassen epidermale Akanthose, eine Abnahme der Zahl der Keratohyalin-Granula und Parakeratose. Darüber hinaus führt das Fehlen bzw. die Minimierung der IL-22R1-Aktivierung in experimentellen Hautentzündungsmodellen zur Reduktion der Psoriasis-ähnlichen Hautveränderungen, wie wir mit Kooperationspartnern mittels IKK2-defizienten Mäusen demonstrierten. Im Kontext der Psoriasispathogenese verdienen mindestens zwei weitere Effekte von IL-22R1-Liganden Aufmerksamkeit. Zum einen führt die IL-22R1-Aktivierung zur Steigerung der STAT3-Expression in Keratinozyten. Wiederum beobachteten wir, dass weder IL-17A noch IFN-g in der Lage ist, die keratinozytäre STAT3-Expression zu beeinflussen. Im Weiteren stellten wir fest, dass die STAT3-Level in den psoriatischen Läsionen höher als in der nicht betroffenen Haut sind und STAT3 für die IL-22-induzierte Beeinflussung der Moleküle der terminalen Differenzierung essentiell ist. Diese Daten deuten darauf hin, dass es sich bei der durch IL-22R1-Liganden herbeigeführten STAT3-Induktion um einen Verstärkungsmechanismus handelt. Eine ähnliche biologische Bedeutung dürfte ein weiterer IL-22-Effekt haben, nämlich die Induktion von IL-20 in Keratinozyten. In diesem Kontext fanden wir, dass der IL-22-Einfluss auf die Moleküle der terminalen Differenzierung bei späteren Stimulationszeitpunkten teilweise durch IL-20-neutralisierende Antikörper präventierbar ist. Damit haben wir erstmalig einen neuen Typ immunologischer Kaskaden beschrieben: ein Zytokin, das nur durch wenige Zellen produziert wird, induziert in zahlenmäßig dominanten Gewebszellen einen sekundären Mediator, der seine Wirkung verstärkt und verlängert. Eine solche Kaskade kann zur Chronifizierung immunologischer Reaktionen führen. Es sei weiterhin zu erwähnen, dass die IL-22R1-Liganden potente Induktoren von anti-bakteriellen Proteinen (ABP) sind. De facto wurden die ersten Ergebnisse weltweit, die eine Verbindung zwischen IL-22 und Psoriasis herstellten, bereits im Jahr 2004 durch unsere Gruppe veröffentlicht und zeigten eine deutliche Expression von IL-22 in Läsionen der Patienten und die Fähigkeit von IL-22 zur ABP-Induktion in Keratinozyten. ABP gewährleisten, dass trotz stark geschädigter Barriere die psoriatischen Läsionen so gut wie nie bakteriell infiziert werden. Interessanterweise agieren bei der ABP-Induktion - im Gegensatz zur terminalen Differenzierung - das IL-17 und die IL-22R1-Liganden stark synergistisch. IL-22R1 wird wahrscheinlich bei Psoriasis durch seine drei Liganden zeitabhängig aktiviert. IL-24 dürfte bei der Entstehung der Läsionen die Rolle des IL-22R1-Aktivators zuerst übernehmen, wie unsere Daten aus dem IKK2-Modell andeuten. Zu einem späteren Zeitpunkt dominiert wahrscheinlich IL-22. Interessanterweise weist die nicht betroffene Haut der Psoriasispatienten ein Defizit an IL-22BP auf, dem natürlichen und u. a. durch uns endeckten Inhibitor von IL-22, was deutliche Effekte von sogar kleinen Mengen an IL-22 nahelegt. Anschließend scheint sich die IL-22-Wirkung durch die oben beschriebene Induktion von STAT3 und IL-20 in Gewebszellen zu chronifizieren. Für die oben skizzierte Bedeutung der IL-22R1-Liganden für die Entstehung und Persistenz der epidermalen Veränderungen der psoriatischen Läsionen sprechen nicht nur die durch diese Mediatoren induzierten molekularen und mikroskopischen Veränderungen in Keratinozyten, RHE und Versuchstieren. Es korrelieren auch die Level der Zytokine bzw. die Höhe der IL-22/IL-22BP-Ratio mit den Leveln deren Zielmolekülen in den Läsionen der Patienten. Im Weiteren fanden wir eine positive Korrelation zwischen den Blutspiegeln dieser Zytokine und der Erkrankungsschwere.
Bei der Beleuchtung der Rolle von IL-22R1 in der Psoriasispathogenese sind wir zu einigen grundlegenden Erkenntnissen über die Biologie des IL-22R1-Liganden-Systems gelangt, insbesondere hinsichtlich der zellulären Produzenten der Liganden und ihrer Zielzellen. So entdeckten wir, dass IL-22 durch einzelne T-Zell- und ILC-Subpopulationen, nicht jedoch durch zahlreiche andere Immunzelltypen oder Gewebszellen produziert wird. Die höchste IL-22-Expression fanden wir in den Gedächtnis-Th-Zellen. Das durch uns aufgezeichnete Bild wurde in den nachfolgenden Jahren vertieft, hat jedoch bis heute nichts an seiner generellen Gültigkeit verloren. So wurden weitere T-Zell- und ILC-Subpopulationen identifiziert, die IL-22 produzieren können. Im Weiteren stellten wir fest, dass IL-20 und IL-24 - im Gegensatz zu IL-22 - sowohl durch Gewebszellen wie Keratinozyten als auch einige Immunzellpopulationen produziert werden können. Unter den humanen Immunzellen werden diese zwei Zytokine durch aktivierte dendritische Zellen (IL-20), Monozyten/Makrophagen (IL-20 und IL-24), und naive T-Zellen (IL-24) gebildet. Der Fakt, dass jedes dieser Zytokine durch ein begrenztes Spektrum an Produzenten exprimiert wird, das sich jedoch zwischen den drei Zytokinen unterscheidet, könnte biologisch sehr bedeutend sein. Es ermöglicht dem Immunsystem auf sehr unterschiedliche Reize mit der Produktion eines IL-22R1-Liganden zu antworten. Die Expression des IL-22R1 definiert, welche Zellen durch entsprechende Rezeptorkomplexe aktiviert werden können. Bei Beginn entsprechender Untersuchungen erwarteten wir eine Expression von IL-22R1 durch einige bzw. mehrere unterschiedliche Immunzellenpopulationen. Zu unserer Überraschung stellten wir jedoch fest, dass die Vielzahl der durch uns untersuchten Immunzelltypen weder im ruhenden noch im aktivierten Zustand IL-22R1 exprimieren. Passend dazu beeinflusste IL-22 die analysierten Funktionen der Immunzellen weder in vitro noch in vivo. Bei den nachfolgenden Analysen entdeckten wir eine deutliche IL-22R1-Expression in Geweben, die den menschlichen Organismus gegenüber der Umwelt abgrenzen bzw. viele epitheliale Zellen beinhalten. Dazu gehören vor allen die Haut, der Magen-Darm-Trakt, die Lunge, die Niere, der Pankreas und die Leber. Die anschließenden detaillierten Analysen der einzelnen Zellpopulationen der Haut offenbarten, dass Keratinozyten die höchste IL-22R1-Expression aufweisen. Untersuchungen zu IL-10R2 und IL-20R2, die wie oben beschrieben mit IL-22R1 zur Vermittlung der Effekte von IL-22 bzw. IL-20/IL-24 interagieren, sind ebenfalls stark in der Haut und durch Keratinozyten exprimiert. Unsere Entdeckung, dass einzelne Gewebszelltypen wie die epithelialen Zellen und nicht die Immunzellen die IL-22R1-exprimierenden Zellen sind, scheint rückblickend insbesondere aus zwei Gründen bedeutsam zu sein. Diese Erkenntnis fokussierte die nachfolgende Forschungstätigkeit zu den Effekten dieser Zytokine auf entsprechende Gewebszellen und ermöglichte damit eine schnellere und effizientere Generierung von Erkenntnissen. Darüber hinaus beschrieben wir damit die Existenz eines neuen Typs von Interleukinen: Interleukine, die durch Immunzellen produziert werden, jedoch scheinbar ausschließlich auf Gewebszellen wirken.
Die durch uns und andere Gruppen generierten Daten zeigen an, dass es sich bei IL-22R1 um ein vielversprechendes therapeutisches Zielmolekül handelt. Einerseits dürfte die Minimierung seiner Aktivität (z. B. durch anti-IL-22R1-Antikörper, welche die Interaktion zwischen dieser Rezeptorkette und ihren drei Liganden verhindern) zu direkter Reduktion der psoriatischen epidermalen Veränderungen führen. Bedeutend dürfte in diesem Kontext die oben beschriebene, durch uns entdeckte begrenzte Anzahl an Zelltypen, die diese Rezeptorkette tragen, insbesondere seine fehlende Expression durch Immunzellen, sein. Damit wäre ein solcher Ansatz mit wenigen unerwünschten Reaktionen verbunden und liefert damit gewisse Vorteile gegenüber Therapien wie anti-TNF-a, anti-IL-17A und anti-p19. Dennoch glaube ich nicht, dass eine anti-IL-22R1-Therapie zur Behandlung der mittelschweren bis schweren Psoriasis bei Erwachsenen demnächst entwickelt wird. Im Fall von Kindern und Jugendlichen dürfte dies jedoch anders sein. Bei diesen besteht bei jahrelanger Applikation von z. B. anti-p19-Antikörpern die Gefahr einer gestörten Entwicklung der protektiven Immunität, wodurch eine Alternative ohne Einfluss auf das Immunsystem sinnvoll erscheint. Die andere Möglichkeit der therapeutischen Nutzung der Erkenntnisse zu IL-22R1 wäre die Stimulierung dieses Rezeptors, um die Regeneration von epithelialen Geweben zu fördern. Tatsächlich ist die IL-22R1-vermittelte Hemmung der Differenzierung der epithelialen Zellen mit einer Überführung dieser Zellen in einen regenerativen Zustand verbunden. Auch demonstrieren einige unserer weiteren Arbeiten und spannende Arbeiten anderer Gruppen, dass IL-22 die Schädigung epithelialer Zellen unabhängig der konkreten Noxen deutlich minimiert. Mögliche Indikationen für die therapeutische IL-22R1-Aktivierung wären somit beispielsweise Leberschädigung, graft-versus-host disease (GvHD), chronische kutane Wunden und Pankreas-/Nieren-Transplantation (im Detail beschrieben in unserem Review: Sabat et al.: „Therapeutic opportunities of the IL-22-IL-22R1 system“; Nature reviews. Drug discovery). Eine entsprechende IL-22R1-Aktivierung könnte durch eine systemische Applikation von IL-22 erreicht werden. In der Tat wird aktuell eine Phase-IIa-Studie mit therapeutischer Applikation von IL-22 bei akuter gastrointestinaler GvHD durchgeführt.