Einleitung: In der Kreativitätsforschung stehen sich zwei Beobachtungen bezüglich der Rolle des präfrontalen Kortex bei kreativer Kognition gegenüber. Einerseits sind beeinträchtigte Leistungen im Bereich des kreativen Denkens bei Läsionen im präfrontalen Kortex beschrieben. Andererseits wurde in bestimmten klinischen Fällen eine Steigerung der kreativen Leistung bei Veränderungen im präfrontalen Kortex beobachtet. Bei Patienten mit juveniler myoklonischer Epilepsie (JME), bei der auch präfrontale Besonderheiten beschrieben sind, wurde Kreativität bisher nicht untersucht. Ein häufig als impulsiv beschriebenes Persönlichkeitsprofil dieser Patienten könnte mit gesteigerter Kreativität verbunden sein. Methodik: Patienten mit JME wurden in ihrer kreativen Leistung im verbalen und figuralen Bereich gemessen und mit Patienten mit Temporallappenepilepsie (TLE) sowie gesunden Kontrollen (GK) verglichen. Die drei Gruppen wurden außerdem auf bestimmte Exekutivfunktionen (Trail Making Test, TMT) und fluide Intelligenz (L-P-S Leistungsprüfungssystem, Untertest 3) getestet sowie nach der Selbsteinschätzung ihrer Impulsivität (Skala Impulsives-Verhalten-8 (I-8)) befragt und verglichen. Ergebnis: Die verbale Kreativität zeigte sich beeinträchtigt in beiden Gruppen mit Epilepsie (Skala von 70 bis 130; JME: 97,8 ± 9,2; TLE: 97,1 ± 8,3; GK 105,2 ± 9,7, p = 0,005). In der figuralen Kreativität fanden sich keine signifikanten Unterschiede. Der TMT zeigte beeinträchtigte psychomotorische Geschwindigkeit und mentale Flexibilität bei JME-Patienten (TMT Teil B, Zeit in Sekunden JME: 67,6 ± 33,9, TLE: 54,6 ± 34,5, GK 52,8 ± 25,0; p = 0,045). Im LPS und der Skala Impulsives-Verhalten-8 (I-8) unterschieden sich die Ergebnisse der Gruppen nicht. Diskussion: Im Bereich des kreativen Denkens zeigten sich verschiedene Ergebnisse in den zwei untersuchten Domänen: Im verbalen Bereich zeigten die Epilepsiegruppen signifikant niedrigere Werte, während dies im figuralen Bereich nicht zu beobachten war. Diese Ergebnisse weisen auf eventuell unterschiedliche Bedeutungen des präfrontalen Kortex beim kreativen Denken in Abhängigkeit der untersuchten kreativen Leistung hin. Eine stärker ausgeprägte Impulsivität und eine eventuell damit verbundene, gesteigerte Kreativität bei JME-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollen wurden in dieser Studie nicht festgestellt.
Introduction: Regarding the role of the prefrontal cortex in creativity, there are two opponent observations in this field of research. On the one hand, there are findings that patients with prefrontal dysfunction show impaired creative cognition. On the other hand, increased creative abilities were observed in certain clinical cases with prefrontal lesions. In juvenile myoclonic epilepsy (JME), in which prefrontal dysfunction has also been described, creative cognition hasn’t been tested yet. Also, JME patients are often described as impulsive what might be related to an increased creativity. Methods: Tests of verbal and figural creativity were administered to patients with JME and results were compared to a group of patients with temporal lobe epilepsy (TLE) and healthy controls (HC). Also, fluid intelligence (using ‚L-P-S Leistungsprüfungssystem, Untertest 3‘) and executive function (using Trail Making Test, TMT) were tested in all participants. Impulsivity was measured using a questionnaire (using ‚Skala Impulsives-Verhalten-8 (I-8)‘). Results: In both epilepsy groups, the verbal creativity was found to be impaired, compared to HC (score scale from 70 to 130; JME: 97.8 ± 9.2; TLE: 97.1 ± 8.3; GK 105.2 ± 9.7, p = 0.005). The test of figural creativity showed no differences. The tested executive functions were only impaired in the JME group (TMT part B, time in seconds JME: 67.6 ± 33.9, TLE: 54.6 ± 34.5, GK 52.8 ± 25.0; p = 0.045). The measured fluid intelligence and the self-estimated impulsivity did not differ significantly in the three groups. Discussion: In the two assessed fields of creative cognition, we found different results: verbal creativity was impaired in the epilepsy groups while figural creativity was not. Our findings suggest that the prefrontal cortex might play different roles in the spectrum of creative domains. Also, in this study we did not find an increased impulsivity or a potentially associated creative ability in JME patients compared to HC.