Zielsetzung: Mütterliche Feinfühligkeit (auch Sensitivität genannt) gegenüber dem eigenen Kind ist eine Grundvoraussetzung für eine gesunde Mutter-Kind-Interaktion und das normale Aufwachsen des Kindes. Eine mütterliche Depression kann sich negativ auf die mütterliche Sensitivität auswirken. Es stellt sich die Frage, ob dies auch für Mütter mit Depression in Remission zutrifft und was das neurale Korrelat verminderter mütterlicher Sensitivität bei Depression ist. In unserer Studie wurde mütterliche Sensitivität (Verhaltenstest) und subjektives mütterliches Belastungserleben (Selbstbeurteilung) bei Müttern mit Depression in Remission untersucht. Zudem wurde die Amygdala-Antwort auf emotionale Gesichtsausdrücke des eigenen Kindes untersucht und diese neuralen Befunde in Bezug zu den behavioralen Befunden gesetzt.
Methoden: Sechzig remittiert depressive (Depressionsgruppe, DG) und 25 gesunde (Kontrollgruppe, KG) Probandinnen nahmen jeweils mit ihrem Kind im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren an unserer Studie teil. Zur Erhebung der mütterlichen Sensitivität in der Mutter-Kind-Interaktion wurde die Emotional-Availability-(EA-)Skala und zur Erfassung des mütterlichen subjektiven Belastungserleben das Eltern-Belastungs-Inventar (EBI) verwendet. Während der Untersuchung mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) wurden den Müttern Gesichter von ihrem Kind und einem altersentsprechenden unbekannten Kind präsentiert. Sie sollten die Gesichter per Tastendruck als fröhlich, traurig oder neutral bewerten. Untersucht wurden die blood-oxygen-level-dependent- (BOLD-)Antworten der Amygdala.
Ergebnisse: Die Mütter der DG waren im Umgang mit ihrem Kind weniger sensitiv und fühlten sich belasteter als die Mütter der KG. Die fMRT-Befunde zeigten im Gruppenkontrast bei den Probandinnen der DG sowohl bei der Präsentation von traurigen als auch bei der Präsentation von fröhlichen Gesichtern eine Hypoaktivierung der Amygdala. Über beide Gruppen hinweg zeigte sich eine positive Korrelation zwischen mütterlicher Sensitivität und Amygdala-Aktivierung sowie zwischen verminderten Belastungsempfinden und Amygdala-Aktivierung.
Schlussfolgerung: Die Gruppe der Mütter mit Depression zeigte eine verminderte Sensitivität gegenüber dem eigenen Kind. Neu an diesem Befund ist, dass diese verminderte Sensitivität im Zustand der Remission und in Interaktion mit Kindern im Grundschulalter gefunden wurde. Weiterhin zeigten Mütter mit Depression in Remission eine erhöhte subjektive Belastung. Die Hypoaktivierung der Amygdala bei den remittiert depressiven Probandinnen könnte in Zusammenhang stehen mit einer verminderten Sensitivität und einer erhöhten erlebten Belastung gegenüber dem eigenen Kind. Mutter- Kind-Interventionsprogramme könnten zukünftig bei Müttern mit remittierter Depression in besonderer Weise darauf fokussieren, die mütterliche Sensitivität und auf diesem Wege die Mutter-Kind-Interaktion zu verbessern.
Objective: Maternal sensitivity in the interaction with her own child is crucial for a healthy mother-child relationship and a normal development of the child. Maternal depression can have a negative impact on maternal sensitivity; its impact during remission of depressive symptoms is unclear. In our study, we investigated maternal sensitivity (behavioral test) and maternal perception of stress (self-assessment) in mothers with depression in remission. Furthermore, we investigated the amygdala response to emotional faces of her own child and linked these findings with the behavioral results. Methods: We included 60 mothers with depression in remission (remitted depression group, DG) and 25 healthy mothers (control group, KG) and their children between the age of five and twelve years. Maternal sensitivity was assessed using the Emotional Availability (EA) scale Sensitivity during a mother-child interaction task. Subjective parenting stress was evaluated using the Eltern-Belastungs-Inventar (EBI), the German version of the parenting stress index (PSI). The mothers underwent a face processing task during functional magnetic resonance imaging (fMRI). Using button press, they had to evaluate the pictures of happy, sad and neutral pictures of their own child and an age- matched unknown child. We focused on blood oxygen level dependent (BOLD) responses in the amygdala. Results: Mothers in the DG reported more parenting stress and were less sensitive towards their own child compared to the KG. The fMRI results revealed a group difference in amygdala responses with the DG showing reduced activity in response to sad and happy faces. Finally, we found a positive correlation between maternal sensitivity and amygdala response and between reduced subjective stress and amygdala response. Conclusion: Mothers with depression are less sensitive even in remission and even towards primary-school age children. Furthermore, mothers with depression showed, even in remission, an elevated parenting stress level. Amygdala hypoactivation of the remitted mothers may be associated with reduced sensitivity towards their own child and elevated parenting stress. Mother-child interventions are promising and could serve to improve maternal sensitivity and thereby mother-child interaction in the future.