Einleitung: Vererbte Störungen mit erniedrigter Knochenmasse umfassen eine große Anzahl an verschiedenen Erkrankungen, darunter Formen der allgemein bekannten Osteoporose oder auch seltenere Skelettdysplasien wie Osteogenesis imperfecta (OI). OI beschreibt eine Gruppe von erblichen Erkrankungen des Bindegewebes, die vorwiegend durch eine erhöhte Frakturneigung charakterisiert sind. Der Großteil wird durch autosomal-dominant vererbte Mutationen in den Genen COL1A1 oder COL1A2 verursacht. Andere dominant oder rezessiv vererbte Formen der OI kommen deutlich seltener vor und basieren auf aktuell mehr als 17 bekannten ursächlichen Genen. Während der letzten Jahre wurde die konventionelle Sanger-Sequenzierung zur Identifikation ursächlicher Mutationen verwendet, aber die steigende Anzahl ursächlicher Gene macht diesen Prozess zunehmend kosten- und arbeitsintensiver. Hochdurchsatzsequenzierung, auch Next-Generation-Sequencing (NGS) genannt, erlaubt eine parallele Analyse beliebig vieler Krankheitsgene zu erheblich niedrigeren Kosten. Das Verfahren erlaubt damit eine direktere Einbindung molekulargenetischer Testung im klinischen Alltag. Materialien und Methoden: In dieser Arbeit wurden 31 indische OI-Patienten, davon 12 mit bekannter Konsanguinität in der Familie, mithilfe eines NGS-basierten Gen-Panels untersucht, das 71 bekannte Gene für Erkrankungen mit veränderter Knochenmasse enthält. Unter Verwendung verschiedener Datenbanken und bioinformatischen Programmen wie PhenIX, GeneTalk oder MutationTaster wurden potentiell pathogene Varianten identifiziert. Anschließend wurden mögliche krankheitsverursachende Varianten mittels konventioneller Sanger-Sequenzierung bestätigt und es erfolgte ein Vergleich mit bereits beschriebenen Mutationen. Zusätzlich wurde bei 37 Patienten mit verminderter Knochenmasse, bei denen eine NGS-Untersuchung kein Ergebnis erbrachte, das PLS3-Gen sequenziert, das kurz zuvor als ursächlich für X-chromosomal vererbte Osteoporose und OI entdeckt wurde. Ergebnisse: Für die durch das Gen-Panel angereicherten Regionen konnte eine durchschnittliche Abdeckung von 97,7 % erreicht werden. Dabei wurden bei 61,3 % der untersuchten Patienten Mutationen für autosomal-dominant vererbte OI in den Genen COL1A1, COL1A2 und IFITM5 nachgewiesen. 35,5 % der untersuchten Patienten wiesen Mutationen für eine autosomal-rezessiv vererbte Osteogenesis imperfecta in den Genen FKBP10, WNT1, LEPRE1, SERPINF1 oder BMP1 auf. Mithilfe klinischer Merkmale konnte ein Punktesystem entwickelt werden, das eine Schweregradeinteilung ermöglichte. Dabei waren 6 Patienten schwer, 14 moderat und 11 mild vom OI-Phänotyp betroffen. Weiterhin konnte eine Korrelation zwischen quantitativen und qualitativen COL1A1/2-Mutationen und dem Schweregrad gezeigt werden. Bei der Sequenzierung des PLS3-Gens konnten 3 möglicherweise ursächliche Varianten identifiziert werden. Schlussfolgerung: Mit einer Erfolgsrate von 96,8 % an detektierten potentiell pathogenen Varianten, erscheint die gezielte Anwendung von NGS bei der Suche nach ursächlichen Genveränderungen erfolgsversprechend und bestätigt das Potential in der routinemäßigen Anwendung in der molekulargenetischen Diagnostik. Weiterhin konnte in der Arbeit das bisher kleine Spektrum an identifizierten potentiell pathogenen PLS3-Mutationen erweitert werden.
Introduction: Hereditary disorders with low bone mass comprise a large number of different diseases including common osteoporosis and rare skeletal dysplasias such as osteogenesis imperfecta (OI). OI is a heritable connective tissue disorder mainly characterized by increased bone fragility. The majority of OI cases are caused by autosomal-dominantly inherited mutations in either of the genes COL1A1 or COL1A2, encoding for type I collagen. Other dominantly and recessively inherited forms of OI are very rare and are secondary to mutations in more than 17 known causative genes. Until recently conventional Sanger sequencing was the standard method used to detect causative mutations. However, the increasing number of genes made this approach very time-consuming and expensive. High-throughput or Next-Generation Sequencing (NGS) allows for parallel analysis of a flexible number of genes and is a promising method for the detection of causative gene mutations in clinical practice. Material and methods: In this work 31 OI patients of Indian origin, 12 with known consanguinity in the family, were examined using a NGS-based gene panel comprising 71 genes known for disorders with abnormal bone mass to identify potentially causative mutations. Using different databases and bioinformatics software, such as PhenIX, GeneTalk and MutationTaster, potential pathogen variants were identified. Thereafter, possibly disease-causing variants were confirmed by conventional Sanger sequencing and compared to the known mutation spectrum. Furthermore, in 37 patients with decreased bone mass in which NGS analysis was negative, Sanger sequencing of PLS3-gene was performed to identify pathogenic variants. Shortly before this study the PLS3-gene had been identified to cause X-linked Osteoporosis and OI. Results: NGS of the genomic regions enriched by the gene panel resulted in an average coverage of 97,7 %. In 61,3 % of the examined Indian patients mutations in genes COL1A1, COL1A2 and IFITM5 leading to autosomal-dominantly inherited OI were found. In 35,5 % of examined patients mutations in genes FKBP10, WNT1, LEPRE1, SERPINF1 and BMP1 causing autosomal-recessive OI were identified. An overall scoring taking into account clinical characteristics allowed to categorize 6 patients as severely, 14 as moderately, and 11 as mildly affected. Furthermore a correlation between quantitative and qualitative COL1A1/2 mutations and disease severity was found. Using Sanger sequencing in PLS3-gene 3 possibly damaging variants were identified. Conclusion: With a detection rate of 96,8 % this work underlines the extreme utility of targeted NGS for the identification of disease-causing mutations thus justifying its routine use in molecular diagnostics. Furthermore, this work expands the small spectrum of identified PLS3-mutations.