Ungefähr in der Mitte des 17. Jahrhunderts ereignet sich im wissenschaftlichen Weltbild ein paradigmatischer Umschwung in der Auffassung über die Intelligenz der Tiere. Die aristotelische Lehrmeinung über die anima sensitiva, die den nicht vernunftbegabten Lebewesen innewohnt, wird durch mechanistische Vorstellungen eines bloß materiellen spiritus und insbesondere durch die cartesianische Philosophie angefochten. In den heiß geführten Debatten der Zeit spielt die Poesie und besonders das Lehrgedicht eine besondere Rolle: es liefert schon seit der Antike exempla der animalischen Verstandesleistungen, die als Beweise für die Beseeltheit der Tiere angeführt werden. Hierbei treffen nicht nur zwei Weltanschauungen, die hylemorphistische und die mechanistische, aufeinander, sondern auch zwei Arten der Beweisführung: die eine konzentriert sich auf die nüchterne Beschreibung der anatomisch-mechanischen Prozesse, die andere erzählt das von menschenähnlichen Emotionen und Motiven geprägte Leben und Handeln der Tiere. Das vorliegende Working Paper verfolgt die Spur dieser Debatte in frühneuzeitlicher Jagd- und Lehrdichtung, die ihre Beweiskraft zur Verteidigung der animalischen Intelligenz aus einer bis in die Antike reichenden Tradition der Tierbeschreibungen schöpft. Es beleuchtet die Bedeutung der ‚alten‘ literarischen Gattung in Bezug auf eine ‚neue‘ wissenschaftliche Problemstellung und verdeutlicht, vor welche Schwierigkeiten die Beschränkung der Wissenschaftssprache auf einen immer unpersönlicheren und sachlicheren Duktus die wissenschaftliche Dichtung stellte.