Die Zahl der Frauen mit Kinderwunsch bei chronischen Erkrankungen hat in den letzten Jahren zugenommen. Damit steigt der Informationsbedarf bezüglich einer sicheren und wirksamen Arzneimitteltherapie während einer Schwangerschaft. Leider sind die Erfahrungen zu vielen Arzneimitteln in der Schwangerschaft noch immer begrenzt, so dass teilweise notwendige Therapien aufgrund einer falschen Risikoeinschätzung unterbleiben. Bei ungeplanten Schwangerschaften kann eine Exposition mit einem nicht für die Schwangerschaft geeigneten Arzneimittel resultieren. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass etwa 40% aller Schwangerschaften ungeplant entstehen, bedeutsam. Ein erhöhtes Risiko für Spontanaborte oder Fehlbildungen nach Methyldopa- oder AT1-Antagonisten-Exposition im 1. Trimenon konnte nicht nachgewiesen werden. Allerdings wurden AT1-Antagonisten häufig relativ früh in der Schwangerschaft abgesetzt, so dass ein höheres Risiko bei längerer Therapie im 1. Trimenon letztendlich nicht ausgeschlossen werden kann. Das in unserer Studie aufgefallene erhöhte Risiko für Frühgeburtlichkeit nach einer Monotherapie der chronischen Hypertonie mit Methyldopa im Vergleich zu Metoprolol sollte in weiteren Studien überprüft werden. Die neuen bzw. direkten oralen Antikoagulantien werden außerhalb der Schwangerschaft zunehmend zur Therapie von thromboembolischen Erkrankungen oder bei Vorhofflimmern eingesetzt. Es ist daher zu erwarten, dass auch vermehrt eine Exposition mit direkten oralen Antikoagulantien in der Frühschwangerschaft erfolgt und sich die Frage nach dem Risiko bzw. der Option einer Fortführung der Therapie in der Schwangerschaft stellt. In unserer Auswertung Rivaroxaban exponierter Schwangerschaften fanden wir keine Hinweise auf ein deutlich erhöhtes Fehlbildungs- oder Spontanabortrisiko. Die Ergebnisse unserer Studie können helfen, mit Rivaroxaban behandelten Frauen, die aufgrund der unklaren Datenlage zunächst verunsichert sind und einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, eine bessere Entscheidungsgrundlage zu geben. Aufgrund der derzeit noch unzureichenden Erfahrungen und des auch bei diesem Arzneimittel erwiesenen plazentaren Übergangs sollten niedermolekulare Heparine dem Rivaroxaban gegenüber bevorzugt werden. In einer prospektiven multizentrischen Studie mit Beteiligung verschiedener europäischer teratologischer Beratungszentren konnten wir für Mycophenolat das bisher nur aufgrund von Fallberichten und kleinen Fallserien geäußerte Risiko für Fehlbildungen bestätigen. Auch die Spontanabortrate war deutlich erhöht. Der Phänotyp der Mycophenolat-Embryopathie konnte weiter präzisiert werden, jedoch war die Einordnung von isolierten Fehlbildungen nach Mycophenolat-Exposition schwierig. Ein ähnliches Fehlbildungsmuster wie bei der Mycophenolat-Embryopathie wurde auch in einem Fallbericht nach einer mütterlichen Allopurinol-Exposition beschrieben. Die darauffolgende Auswertung der im PVZ Embryotox erfassten Schwangerschaften ergab weitere Hinweise auf ein teratogenes Risiko durch Allopurinol. Allerdings scheint das teratogene Potential von Allopurinol, das nur selten in der Schwangerschaft eingesetzt wird, gering zu sein und ein genetischer Einfluss spielt bei den beobachteten komplexen Fehlbildungen möglicherweise eine Rolle. Trotzdem leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zur Risikoeinschätzung von Frauen, die aufgrund einer nicht-intendierten Exposition in der Schwangerschaft verunsichert sind. Die beiden Studien zu MMF und Allopurinol unterstreichen die Notwendigkeit einer guten klinischen und differentialdiagnostischen Abklärung ungeklärter Fehlbildungen. Insbesondere bei allen komplexen Fehlbildungen nach seltenen Expositionen sollte möglichst eine umfangreiche genetische Ausschlussdiagnostik erfolgen, bevor die teratogene Wirkung eines Arzneimittels angenommen wird. Bei allen Frauen mit chronischen Erkrankungen ist eine präkonzeptionelle Beratung bereits bei Kinderwunsch wichtig. Erwiesenermaßen teratogene Arzneimittel wie Mycophenolat müssen auf jeden Fall bereits vor einer Schwangerschaft abgesetzt werden, RAS-Inhibitoren und neue orale Antikoagulantien je nach Risikosituation und Therapiealternativen spätestens bei Feststellung der Schwangerschaft, was eine zuverlässige Zyklusbeobachtung voraussetzt. Risikoschwangerschaften von Frauen mit chronischen Erkrankungen erfordern eine gute interdisziplinäre Betreuung einschließlich regelmäßiger Ultraschall- und Wachstumskontrollen. Obwohl die meisten Observationsstudien in der Schwangerschaft keine ausreichende „Power“ zur Beurteilung seltener Endpunkte wie spezieller Fehlbildungen haben, sind diese oft die einzige Grundlage für eine Risikoeinschätzung.