Zusammenfassung: Fokale Epilepsien sind häufig mit Beeinträchtigungen im episodischen Gedächtnis verbunden. In der vorliegenden Dissertationsschrift wurde im Rahmen dreier Studien der Einfluss verschiedener Faktoren (u.a. Geschlecht, Lokalisation des Anfallsfokus, Bildgebungsbefunde) auf Gedächtnisleistungen von Patienten mit fokaler Epilepsie untersucht. In der ersten Studie wurde untersucht, ob eine Temporallappenepilepsie (TLE) Einfluss auf den in vorherigen Studien gezeigten episodischen Gedächtnisvorteil von Frauen nimmt und ob Frauen und Männer das gleiche Risiko für Gedächtnisverlust nach Temporallappen-Teilresektion (TL-TR) haben. Einhundertsiebenundsiebzig Patienten mit TLE (95 Frauen und 82 Männer) wurden vor und ein Jahr nach links- bzw. rechtsseitiger TL-TR neuropsychologisch getestet. Frauen mit TLE zeigten eine bessere verbale, aber nicht nonverbale Gedächtnisleistung als Männer mit TLE. Eine TL-TR hatte keinen Einfluss auf den verbalen Gedächtnisvorteil der Frauen. Frauen und Männer zeigten einen ähnlichen postoperativen Gedächtnisverlust. Die Ergebnisse stellen die bisherige Auffassung in Frage, dass der anteriore Temporallappen eine entscheidende Rolle für den verbalen Gedächtnisvorsprung von Frauen spielt. Die zweite Studie verglich 50 Patienten mit unilateraler Frontallappenepilepsie (FLE; 26 Frauen und 24 Männer) mit 183 Patienten mit unilateraler TLE (90 Frauen und 93 Männer) in Hinblick auf Geschlechterunterschiede in der verbalen Lern- und Merkfähigkeit. Frühere funktionelle Bildgebungsstudien gaben Anhaltspunkte dafür, dass neben temporalen Arealen auch frontale Areale den bekannten verbalen Gedächtnisvorteil von Frauen bedingen könnten. In der vorliegenden Studie hatten Frauen bessere verbale Gedächtnisleistungen als Männer in der TLE-Gruppe, jedoch nicht in der FLE-Gruppe. Weiterhin fand sich eine schlechtere verbale Lernleistung bei Patienten mit TLE im Vergleich zu Patienten mit FLE. Unsere Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass der verbale Gedächtnisvorteil von Frauen mit der Funktion des Frontallappens assoziiert ist. Die dritte Studie untersuchte den unterschiedlichen Einfluss von struktureller Auffälligkeit laut Magnetresonanztomographie (MRT) und Hypometabolismus laut 18F-Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie (FDG-PET) im Temporallappen auf das verbale und nonverbale Gedächtnis. Achtundsechzig Patienten mit unilateraler TLE wurden in drei Gruppen aufgeteilt: (1) kein Hinweis auf Pathologie laut MRT oder FDG-PET (MRT-/PET-, n = 15), (2) normaler MRT-Befund und temporaler FDG-PET-Hypometabolismus (MRT-/PET+, n = 21) und (3) Hinweis auf temporale Auffälligkeiten sowohl in der MRT als auch FDG-PET (MRT+/PET+, n = 32). Patienten mit MRT+/PET+ Befund zeigten das schlechteste verbale Gedächtnis. Die verbale Gedächtnisleistung von Patienten mit MRT-/PET+ Befund lag zwischen den Leistungen von Patienten mit MRT+/PET+ und MRT-/PET- Befund. Es fanden sich keine Unterschiede im nonverbalen Gedächtnis zwischen den Gruppen. Unsere Ergebnisse legen einen interaktiven negativen Effekt von strukturellen und metabolischen Auffälligkeiten im Temporallappen auf das verbale Gedächtnis nahe.
Abstract: Patients with focal epilepsy often present deficits in episodic memory. This thesis investigated the influence of several factors (i.a. sex, localization of the seizure focus, imaging findings) on memory performance in patients with focal epilepsy, within the scope of three studies. The first study analyzed whether temporal lobe epilepsy (TLE) influences the well-known female episodic memory advantage, and whether women and men have the same risk for memory decline after temporal lobe resection. One hundred seventy-seven patients with TLE (95 women and 82 men) were neuropsychologically tested before and one year after left or right temporal lobe resection. Women with TLE showed better verbal, but not nonverbal memory than men with TLE. Temporal lobe resection did not affect women’s verbal memory advantage. Women and men showed a similar postoperative memory decline. These results challenge the prior concept that the anterior temporal lobe plays a central role in women’s verbal memory advantage.
The second study compared 50 patients with unilateral frontal lobe epilepsy (FLE; 26 women and 24 men) with 183 patients with unilateral TLE (90 women and 93 men) with regard to sex differences in verbal learning and delayed memory. Prior functional imaging studies suggested that in addition to temporal lobe regions, frontal lobe structures may contribute to women’s well-known verbal memory advantage. In the present study, women showed better verbal memory performance than men in the TLE group, but not in the FLE group. Further, patients with TLE showed worse verbal learning than patients with FLE. These results support the idea that women’s verbal memory advantage may be related to frontal lobe function. The third study investigated the differential influence of temporal structural abnormalities evident in magnetic resonance imaging (MRI) and temporal hypometabolism evident in [18F]fludeoxyglucose-positron emission tomography (FDG-PET) on verbal and nonverbal memory. Sixty-eight patients with unilateral TLE were divided into three groups: (1) no evidence of pathology in either MRI or FDG-PET studies (MRI-/PET-, n = 15), (2) normal MRI finding with temporal FDG-PET determined hypometabolism (MRI-/PET+, n = 21), and (3) evidence of temporal abnormalities in both MRI and FDG-PET studies (MRI+/PET+, n = 32). MRI+/PET+ patients showed the worst verbal memory performance. Verbal memory performance of MRI-/PET+ patients was located between MRI+/PET+ and MRI-/PET- patients. No differences were found for nonverbal memory. These results may suggest an interactive negative effect of metabolic and structural temporal lobe abnormalities on verbal memory.