Hintergrund/Ziel: Die neuronalen Prozesse des intakten visuellen Kortex als Basis für die Entwicklung von Methoden zu untersuchen, die die visuelle Wahrnehmung verbessern oder wiederherstellen, ist sowohl für Forscher als auch für praktizierende Ärzte von großem Interesse. In dieser Studie untersuchen wir, ob die Kontrastempfindlichkeit, als eine Hauptfunktion des primären visuellen Kortex (V1), bei gesunden Probanden durch wiederholte, nicht invasive anodale transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) verbessert werden kann. Methoden: Die Kontrastwahrnehmung wurde mit einer Schwellenperimetrie direkt vor und nach der Intervention (tDCS- oder Pseudo-Stimulation) an jedem Tag und über 5 aufeinanderfolgende Tage bestimmt (24 Probanden, Doppelblindstudie). Ergebnisse: tDCS verbesserte signifikant die Kontrastwahrnehmung ab dem zweiten Tag und die Effekte hielten über 24 Stunden an. Nach der letzten Stimulation am fünften Tag zeigte die tDCS-Gruppe eine signifikant größere Verbesserung der Kontrastwahrnehmung im Vergleich zur Placebo-Gruppe (23% gegenüber 5%). Wir fanden vier Wochen nach der letzen Stimulation nur in den zentralen 2-4° des Gesichtsfeldes signifikante Langzeit-Effekte. Schlussfolgerung: Wir vermuten, dass eine Kombination von zwei Faktoren zu diesen Langzeit-Effekten beiträgt: Erstens befindet sich der V1-Bereich, der die zentrale Netzhaut repräsentiert, näher bei der Polarisationselektrode, was zu einer höheren Stromdichte führt. Zweitens wird das zentrale Gesichtsfeld durch einen größeren kortikalen Bereich gegenüber dem peripheren Gesichtsfeld (cortical magnification; kortikale Vergrößerung) dargestellt. Die ist die erste Studie, die zeigen konnte, dass tDCS über V1 die Kontrastwahrnehmung bei gesunden Probanden für mehrere Wochen verbessert. Die Studie trägt damit zur Untersuchung des kausalen Zusammenhangs zwischen der externen Modulation des neuronalen Membranpotentials und des Verhaltens (in unserem Fall der visuellen Wahrnehmung) bei. Weil die überwiegende Mehrheit der Studien beim Menschen nach einer einzelnen tDCS-Applikation nur temporäre Effekte auf das visuelle System zeigen konnte, zeigt unsere Studie – bei wiederholter tDCS-Applikation – das Potenzial für dauerhafte Effekte auf, in Form einer langanhaltenden Modulation der neuronalen Erregbarkeit.
Background: Understanding processes performed by an intact visual cortex as the basis for developing methods that enhance or restore visual perception is of great interest to both researchers and medical practitioners. Here, we explore whether contrast sensitivity, a main function of the primary visual cortex (V1), can be improved in healthy subjects by repetitive, noninvasive anodal transcranial direct current stimulation (tDCS). Methods: Contrast perception was measured via threshold perimetry directly before and after intervention (tDCS or sham stimulation) on each day over 5 consecutive days (24 subjects, double-blind study). Results: tDCS improved contrast sensitivity from the second day onwards, with significant effects lasting 24 hours. After the last stimulation on day 5, the anodal group showed a significantly greater improvement in contrast perception than baseline and the sham group (23% vs. 5%). We found significant long-term effects in only the central 2–4° of the visual field 4 weeks after the last stimulation. Conclusion: We suspect a combination of two factors contributes to these lasting effects. First, the V1 area that represents the central retina was located closer to the polarization electrode, resulting in higher current density. Second, the central visual field is represented by a larger cortical area relative to the peripheral visual field (cortical magnification). This is the first study showing that tDCS over V1 enhances contrast perception in healthy subjects for several weeks. This study contributes to the investigation of the causal relationship between the external modulation of neuronal membrane potential and behavior (in our case, visual perception). Because the vast majority of human studies only show temporary effects after single tDCS sessions targeting the visual system, our study underpins the potential for lasting effects of repetitive tDCS-induced modulation of neuronal excitability.