Die örtlich kontrollierte Freisetzung eines Wirkstoffes im Dickdarm kann für diverse Anwendungen erhebliche Vorteile bieten, unter anderem: (i) die lokale Behandlung von entzündlichen Dickdarmerkrankungen, und (ii) die orale Administration von Protein-basierten Arzneistoffen, die systemisch wirken sollen. Im ersten Fall führt eine frühzeitige und vollständige Freisetzung im Magen in der Regel zu schneller Aufnahme in den Blutkreislauf. Daher kann das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen erheblich sein. Außerdem sind die resultierenden Arzneistoffkonzentrationen am Wirkort (im Dickdarm) gering, was zu geringer therapeutischer Effizienz führt. Im zweiten Fall müssen Protein- basierte Arzneistoffe vor dem niedrigen pH und enzymatischem Abbau im oberen Gastro Intestinal Trakt (GIT) geschützt werden. Das heißt in beiden Fällen muss eine vorzeitige Freisetzung im Magen und Dünndarm vermieden werden. Sobald die Arzneiform den Dickdarm erreicht, sollte der Wirkstoff zeitlich kontrolliert freigesetzt werden, um eine lokale Arzneistoffwirkung im Falle von entzündlichen Dickdarmerkrankungen zu gewährleisten oder um die Resorption von Protein-basierten Arzneistoffen mit systemischer Wirkung zu erlauben. Mehrere Strategien sind in der Literatur beschrieben, um eine derartige, örtlich-kontrollierte Wirkstoffreisetzung zu gewährleisten. Die meisten basieren auf dem Prinzip, dass der Arzneistoff in eine Polymermatrix eingebettet wird, oder ein Arzneistoffdepot von einem polymeren Film umgeben wird. In beiden Fällen sollte das makromolekulare Netzwerk im oberen GIT wenig permeabel für den Arzneistoff sein. Sobald der Dickdarm erreicht wird, sollte die Arzneistoffpermeabilität zunehmen. Um diese Veränderung in der Arzneistoffpermeabilität zu gewährleisten, kann das System: (i) auf pH- Wertänderungen entlang des GIT reagieren, (ii) von Enzymen degradiert werden, die hauptsächlich im Dickdarm lokalisiert sind, oder (iii) strukturelle Veränderungen (z.B. Rissbildung in wenig permeablen Überzügen) zeigen, sobald der Dickdarm erreicht ist. Alternativ kann die Wirkstofffreisetzung gleich im Magen beginnen, allerdings mit einer ausreichend niedrigen Freisetzungsgeschwindigkeit, die garantiert, dass noch genügend Wirkstoff in der Arzneiform vorhanden ist, sobald der Dickdarm erreicht wird. Jedoch ist große Vorsicht geboten, da sich die Bedingungen im Dickdarm von Patienten sehr von denen in gesunden Probanden unterscheiden können. Zum Beispiel ist bekannt, dass sich der pH-Wert als auch die Verweildauern in den einzelnen GIT Abschnitten sowie die Arten und Konzentrationen der Enzyme im Dickdarm von Patienten, die unter Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa leiden, fundamental unterscheiden können von denen im Dickdarm gesunder Probanden. Demzufolge kann eine Arzneiform, die in der Lage ist, den Wirkstoff gezielt im Dickdarm unter physiologischen Bedingungen freizusetzen in Patienten versagen. Darüber hinaus kann die intra- und inter-individuelle Variabilität bezüglich der therapeutischen Effizienz sehr groß sein. Um diese fundamentalen Nachteile zu vermeiden, muss die Arzneiform an die pathophysiologischen Bedingungen der Patienten angepasst sein. In dieser Arbeit wurden neue polymere Filmüberzüge entwickelt, die eine örtlich-kontrollierte Freisetzung im Dickdarm unter pathophysiologischen Bedingungen in Patienten, die unter entzündlichen Dickdarmerkrankungen leiden, ermöglichen. Diese Filmüberzüge bestehen aus Mischungen unterschiedlicher Stäkederivate und Ethylcellulose. Das Stärkederivat ist wasserlöslich und wird bevorzugt im Dickdarm von Enzymen degradiert, die in Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Patienten in ausreichender Menge von der Mikroflora in das Darmlumen sekretiert werden. Ethylcellulose ist wasserunlöslich und verhindert eine vorzeitige Filmauflösung im oberen GIT. Basierend auf den Wasseraufnahme- und Trockengewichtsverlust-Kinetiken sowie auf den Veränderungen der mechanischen Eigenschaften von dünnen Polymerfilmen nach Exposition zu Freisetzungsmedien, die den Inhalt des GIT simulieren, konnten folgende Stärkederivate als die vielversprechensten für diese Art von innovativen Arzneiformen identifiziert werden: Nutriose FB 06 (ein verzweigtes Dextrin mit nicht verdaulichen Glycosidbindungen: α-1,2 und α-1,3), Lycoat RS 780 (eine pregelatinierte, modifizierte Stärke), Glucidex 1 (ein Maltodextrin), Eurylon 7 A-PG (eine acetylierte, pregelatinierte Stärke mit hohem Amyloseanteil), Eurylon 6 A-PG (eine acetylierte, pregelatinierte Stärke mit hohem Amyloseanteil) und Eurylon 6 HP-PG (eine hydroxypropylierte, pregelatinierte Stärke mit hohem Amyloseanteil). Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass gewünschte Filmüberzugseigenschaften (insbesondere Wasseraufnahme- und Trockengewichtsverlustkinetiken sowie mechanische Stabilität) effizient eingestellt werden können, um den spezifischen Anforderungen einer bestimmten Arzneistofftherapie zu entsprechen. Verschiedene, einfach anwendbare und hochwirksame Methoden wurden identifiziert, um die Membraneigenschaften zu ändern, insbesondere deren mechanische Resistenz, die erforderlich ist, um den Scherkräften, die durch die Motilität des GIT verursacht werden, sowie den hydrostatischen Kräften, die durch einströmendes Wasser verursacht werden, zu widerstehen. Dazu gehören die Veränderung des Stärkederivat:Ethylcellulose Mischungsverhältnisses sowie der initiale Weichmachergehalt. Darüber hinaus wurden 5-Aminosalicylsäure-haltige Pellets durch Extrusion-Sphäronisation hergestellt und mit verschiedenen Nutriose FB 06:Ethylcellulose Mischungen überzogen. Die in vitro Arzneistofffreisetzung aus diesen Systemen wurde gemessen unter den verschiedensten Bedingungen, unter anderem nach Exposition zu Fäkalproben von Patienten, die unter entzündlichen Dickdarmerkrankungen leiden unter anearoben Verhältnissen. Interessanterweise konnte die Freisetzung der 5-Aminosalicylsäure (dem Standardarzneistoff zur lokalen Behandlung von entzündlichen Dickdarmerkrankungen) im oberen GIT effizient unterdrückt werden, unabhängig von der Intensität und Art der Agitation des Freisetzungsmediums und der Anwesenheit/Abwesenheit von Enzymen. Im Gegensatz dazu setzte die Arzneistofffreisetzung ein, sobald die Pellets mit fäkalen Proben von Patienten mit entzündlichen Dickdarmerkrankungen in Kontakt kamen und war zeitlich kontrolliert. Somit sind die neu entwickelten Arzneiformen, die eine örtlich-kontrollierte Wirkstofffreisetzung im Dickdarm erlauben, angepasst an die Pathophysiologie der Patienten. Darüber hinaus besitzt das Stärkederivat Nutriose eine prä-biotische Aktivität, die die Mikroflora der Patienten normalisiert. Dies ist von besonderer klinischer Bedeutung im Falle von Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa Patienten.
The site specific delivery of drugs to the colon can be highly advantageous for various applications, including: (i) the local treatment of inflammatory bowel diseases, and (ii) the oral administration of protein drugs, which are to be absorbed into the blood stream. In the first case, premature drug release into the stomach is likely to lead to complete and rapid drug absorption into the systemic circulation. Thus, the risk of undesired side effects can be considerable, and at the same time the resulting drug concentrations at the site of action (in the colon) are low, leading to poor therapeutic efficacies. In the second case, fragile protein drugs need to be effectively protected against the low pH and enzymatic degradation within the upper gastro intestinal tract (GIT). Thus, in both cases, premature release into the contents of the stomach and small intestine must be avoided. In contrast, once the colon is reached, the drug should be released (in a time- controlled manner) to allow for local drug action in the case of inflammatory bowel diseases or to allow for drug absorption into the blood stream in the case of protein drugs with systemic effects. Several strategies have been reported in the literature in order to provide such site specific drug delivery to the colon. Most of them are based on the incorporation of the drug within a polymeric matrix or on the coating of a drug reservoir with a polymeric film. In both cases, the macromolecular networks should be poorly permeably for the drug in the upper GIT, but become permeable once the colon is reached. To provide this change in drug permeability, the delivery system might: (i) be sensitive to the changes in the pH along the GIT, (ii) be preferentially degraded by enzymes, which are located in the colon, or (iii) undergo significant structural changes, e.g. crack formation in poorly permeable coatings once the colon is reached. Alternatively, the dosage form might release the drug right from the beginning (in the stomach), but at a rate that is sufficiently low to allow for drug release throughout the GIT, including the colon. However, great caution must be paid, because the conditions in a patient’s colon might significantly differ from those in the physiological state. For instance, it is well known that the pH and transit times in the various GIT segments as well as the types and concentrations of enzymes in the colon of patients suffering from Crohn’s disease and ulcerative colitis can fundamentally vary from those in a healthy subject. Thus, a dosage form might reliably delivery the drug to the target site in a healthy subject, but fail in a patient. Furthermore, considerable inter- and intra- individual variability in the therapeutic efficacy might be observed. To avoid these major disadvantages, the drug delivery system needs to be adapted to the disease state of the patient. In this work, novel types of polymeric film coatings have been developed, which allow for colon targeting under the pathophysiological conditions in patients suffering from inflammatory bowel diseases. These films consist of blends of different types of starch derivatives and ethylcellulose. The starch derivative is water-soluble and preferentially degraded by enzymes secreted by the microflora present in the colon of Crohn’s disease and ulcerative colitis patients. Ethylcellulose is water-insoluble and avoids premature film dissolution in the upper GIT. Based on the water uptake and dry mass loss kinetics as well as on the changes in the mechanical properties of thin polymeric films upon exposure to release media simulating the contents of the GIT the following starch derivatives could be identified as being most promising for this type of advanced drug delivery systems: Nutriose FB 06 (a branched dextrin with non digestible glycoside linkages: α-1,2 and α-1,3), Lycoat RS 780 (a pregelatinized modified starch), Glucidex 1 (a maltodextrin), Eurylon 7 A-PG (an acetylated and pregelatinised high amylose starch), Eurylon 6 A-PG (an acetylated and pregelatinised high amylose starch) and Eurylon 6 HP-PG (a hydroxypropylated and pregelatinised high amylose starch). Importantly, it could further be shown how desired membrane properties (in particular the water uptake and dry mass loss kinetics as well as the mechanical stability) can effectively be adjusted to the specific needs of particular drug treatments. Different highly efficient and easy to apply tools were identified allowing to alter the membranes’ properties, especially their mechanical resistance required to withstand the shear forces resulting from the motility of the upper GIT and the hydrostatic pressure built up within the devices upon contact with aqueous media. This includes the variation of the starch derivative:ethylcellulose blend ratio and initial plasticizer content. Furthermore, 5-Aminosalicylic acid (5-ASA)-loaded beads were prepared by extrusion-spheronisation and coated with different types of Nutriose:ethylcellulose blends. In vitro drug release from these systems was measured under various conditions, including the exposure to fecal samples from inflammatory bowel disease patients under anaerobic conditions. Interestingly, the release of 5-ASA (which is commonly used for the local treatment of inflammatory bowel diseases) could effectively be suppressed upon exposure to release media simulating the conditions in the upper GIT, irrespective of the degree of agitation and presence or absence of enzymes. In contrast, drug release started as soon as the pellets came into contact with fecal samples of inflammatory bowel disease patients and continued in a time-controlled manner. Thus, this novel type of colon targeting system is adapted to the pathophysiology of the patient. In addition, the starch derivative Nutriose also exhibits significant pre-biotic activity, normalizing the microflora in the patients’ colon, which is of major clinical benefit in the case of inflammatory bowel diseases.