Mit der multiparametrischen Magnetresonanztomographie (mpMRT) können klinisch signifikante Prostatakarzinome mit hoher Sensitivität und Spezifität detektiert werden. Eine Leitlinie zur Durchführung der mpMRT der Prostata einschließlich eines strukturierten Befundungssystems, des Prostate Imaging an Data Reporting Systems (PI-RADS) Version 1, wurde erstmals 2012 von der European Society of Urogenital Radiology (ESUR) publiziert (ESUR Prostate MR Guidelines 2012). 2015 wurde von der ESUR und dem American College of Radiology (ACR) eine aktualisierte Version veröffentlicht: PI-RADS Version 2. In dieser Habilitationsschrift werden vier Originalarbeiten vorgestellt, die sich mit Fragestellungen zur Durchführung und Befundinterpretation der mpMRT zur Detektion des Prostatakarzinoms, der möglichen Rolle der mpMRT bei biopsienaiven Patienten mit Verdacht auf ein Prostatakarzinom (die ProKOMB Studie) und dem Vergleich dynamischer kontrastmittelverstärkter MRT-Sequenzen mit dem kontrastmittelverstärkten Ultraschall befassen. Darüber hinaus werden zwei Originalarbeiten vorgestellt, die sich mit der Rolle der mpMRT in der Therapieplanung des Prostatakarzinoms befassen.
In den ESUR Prostate MR Guidelines 2012 wird keine Empfehlung bezüglich der Verwendung einer endorektalen Spule für die mpMRT bei 3 Tesla zur Detektion von Prostatakarzinomen gegeben [12]. In Originalarbeit 1 wurde im Rahmen einer prospektiven Studie bei 45 Patienten mit Verdacht auf ein Prostatakarzinom ein intraindividueller Vergleich der Bildqualität und diagnostischen Genauigkeit von mit einer Kombination aus Oberflächenspule und luftgefüllter endorektaler Spule und lediglich mit einer Oberflächenspule bei 3 Tesla akquirierten T2-gewichteten und diffusionsgewichteten Sequenzen durchgeführt. Die Bildqualität wurde bewertet und die suspekteste Läsion innerhalb der Prostata nach PI-RADS Version 1 beurteilt. Das Ergebnis einer gezielten MRT/transrektaler Ultraschall (TRUS) Fusionsbiopsie diente als Referenzstandard. Zwar führte der Einsatz einer endorektalen Spule teils zu einer verbesserten Bildqualität der T2-gewichteten Sequenzen. Es konnte aber kein signifikanter Unterschied der diagnostischen Genauigkeit gezeigt werden (AUC Oberflächenspule und endorektale Spule: 0,93-0,97; AUC Oberflächenspule: 0,95-0,99; p=0,1395). Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass bei der Akquisition T2-gewichteter und diffusionsgewichteter Sequenzen zur Detektion eines Prostatakarzinoms und Beurteilung nach PI-RADS Version 1 auf die Verwendung einer endorektalen Spule verzichtet werden kann.
Bei Anwendung des Befundungssystems PI-RADS Version 1 wird für jede auffällige Läsion innerhalb der Prostata für T2-gewichtete, diffusionsgewichtete und dynamische kontrastmittelverstärkte Sequenzen basierend auf der Wahrscheinlichkeit für ein klinisch signifikantes Prostatakarzinom ein Punktwert auf einer 5-Punkt-Likert-Skala anhand vorgegebener Kriterien vergeben. Zusätzlich soll ein Gesamtpunktwert beziehungsweise eine Bewertungskategorie für jede Läsion vergeben werden. PI-RADS Version 1 beinhaltet keine Empfehlung, wie die Punktwerte für die einzelnen Sequenzen zu einem Gesamtpunktwert integriert werden sollen. In Originalarbeit 2 wurden im Rahmen einer retrospektiven Studie der prädiktive Wert der Punktwerte der einzelnen Sequenzen, der Summe der Punktwerte aller Sequenzen sowie T2-gewichteter und diffusionsgewichteter Sequenzen in 113 Läsionen bei 55 Patienten evaluiert. Alle Patienten hatten zuvor eine mpMRT bei 1,5 Tesla sowie eine direkte MRT-gestützte Prostatabiopsie suspekter Läsionen erhalten. Zwei Radiologen bewerteten die Läsionen, aus denen die Biopsien entnommen worden waren, nach PI-RADS Version 1. Das Ergebnis der direkten MRT-gestützten Biopsie diente als Referenzstandard. Dynamische kontrastmittelverstärkte Sequenzen zeigten die niedrigste diagnostische Genauigkeit (AUC 0,76) im Vergleich zu T2-gewichteten (AUC 0,88; p=0,06) und diffusionsgewichteten MRT-Sequenzen (AUC 0,93; p=0,004). Es zeigte sich eine Überlegenheit der T2-gewichteten Sequenzen gegenüber den diffusionsgewichteten Sequenzen in der Transitionalzone (p=0,25) und eine Überlegenheit der diffusionsgewichteten Sequenzen gegenüber den T2-gewichteten Sequenzen in der peripheren Zone (p=0,04). Ein Vorgehen, bei dem für die Transitionalzone der Punktwert der T2-gewichteten Sequenzen und für die periphere Zone der Punktwert der diffusionsgewichteten Sequenzen verwendet wurde, zeigte die höchste diagnostische Genauigkeit (AUC 0,96) und scheint zur Detektion von Prostatakarzinomen ausreichend. Die abgeleitete Empfehlung nimmt teilweise Änderungen in PI-RADS Version 2 im Vergleich zu PI-RADS 1 vorweg: Entsprechend PI-RADS Version 2 werden für die Beurteilung der Transitionalzone T2-gewichteten Sequenzen und für die Beurteilung der peripheren Zone diffusionsgewichtete Sequenzen als jeweils dominante Sequenzen beurteilt.
Verschiedene Studien zeigten teils sehr hohe negativ prädiktive Werte der mpMRT für klinisch signifikante Prostatakarzinome. Eine auf Grundlage der mpMRT durchgeführte gezielte MRT/TRUS Fusionsbiopsie erreicht höhere Detektionsraten klinisch signifikanter Prostatakarzinome und niedrigere Detektionsraten klinisch insignifikanter Prostatakarzinome sowohl bei Patienten mit vorheriger negativer TRUS Biopsie als auch bei biopsienaiven Patienten. In Originalarbeit 3 wird das Studienprotokoll der prospektiven ProKOMB (Prostata – Kooperatives MRT-Projekt Berlin) Studie vorgestellt, die unter Mitwirken des Autors dieser Habilitationsschrift geplant wurde und aktuell durchgeführt wird. Mit der ProKOMB Studie soll in einem die Versorgungssituation in Deutschland abbildenden Setting bei 600 Patienten die Hypothese überprüft werden, dass bei biopsienaiven Patienten mit Verdacht auf Prostatakarzinom durch die mpMRT zur Patientenstratifikation eine relevante Zahl von Prostatabiopsien vermieden werden kann. Im Rahmen der Studie erhalten nur Patienten mit einem uneindeutigen oder suspekten Befund in der mpMRT nach PI-RADS Version 2 eine TRUS Biopsie, wobei uneindeutige oder suspekte Läsionen gezielt biopsiert werden. Im Rahmen der Studie soll die Anzahl vermeidbarer Biopsien bei unauffälliger mpMRT bestimmt werden. Durch eine klinische Verlaufskontrolle über 3 Jahre soll außerdem die Zahl der verpassten klinisch signifikanten Karzinome bei Patienten ohne suspekten Befund in der mpMRT bestimmt werden.
Mittels ausgewählten, auf Grundlage von dynamischen kontrastmittelverstärkten Sequenzen berechneten Parametern kann die Aggressivität von Prostatakarzinomen in der peripheren Zone der Prostata abgeschätzt werden. Verschiedene Studien haben das Potential des kontrastmittelverstärkten Ultraschalls zur Detektion von Prostatakarzinomen aufgezeigt. In Originalarbeit 4 wurde im Rahmen einer post-hoc Analyse bei 92 Patienten die diagnostische Genauigkeit dynamischer kontrastmittelverstärkter MRT-Sequenzen und des kontrastmittelverstärkten Ultraschalls für die Detektion von Prostatakarzinomen und die Abschätzung des Tumorgradings evaluiert. Das Ergebnis einer gezielten MRT/TRUS Fusionsbiopsie diente als Referenzstandard. Von den basierend auf dem kontrastmittelverstärkten Ultraschall berechneten Parametern zeigte ausschließlich Time-to-peak (TTPCEUS) in Läsionen der peripheren Zone der Prostata signifikante Unterschiede zwischen benignen und malignen Läsionen (p=0,05; AUC 0,65). Von allen basierend auf dynamischen kontrastmittelverstärkten Sequenzen berechneten Parametern war die auf Grundlage eines pharmakokinetischen Kompartimentmodells (Tofts-Modell) berechnete Ratenkonstante (Kep) der beste Diskriminator hochgradiger Prostatakarzinome in der gesamten Prostata (AUC 0,83) und in der peripheren Zone (AUC 0,89). Die diagnostische Genauigkeit beider kontrastmittelverstärkten Techniken war in der peripheren Zone besser als in der Transitionalzone. Zum aktuellen Zeitpunkt kann basierend auf den Ergebnissen von Originalarbeit 4 der kontrastmittelverstärkte Ultraschall nicht als Ersatz für dynamische kontrastmittelverstärkte MRT-Sequenzen empfohlen werden.
Radikale Therapien des Prostatakarzinoms, wie die Prostatektomie, führen häufig zu Harninkontinenz oder Impotenz. Durch Anwendung spezieller nervenschonender operativer Techniken kann die Rate dieser Nebenwirkungen zumindest reduziert werden. Eine direkte Darstellung der Nervenbahnen des periprostatischen neurovaskulären Bündels (NVB) wäre wünschenswert, um diese Techniken zu optimieren. Im Rahmen verschiedener Studien gelang mittels Diffusions-Tensor Traktographie jeweils die Darstellung von Faserbahnen, die vorgeblich das NVB darstellen. Verschiedene während der Bildakquisition und Nachbearbeitung wählbare technische Parameter beeinflussen die Sensitivität und Spezifität der Diffusions-Tensor Traktographie für die Darstellung von Nervenbahnen, unter anderem der für die Traktographie verwendete Grenzwert für die fraktionale Anisotropie (FA). In Originalarbeit 5 konnte im Rahmen einer prospektiven Studie bei 10 gesunden Probanden mit der Diffusions-Tensor Traktographie ebenfalls Faserbahnen im Bereich des NVB dargestellt werden. Hierzu waren jedoch sehr niedrige FA-Grenzwerte nötig, die eine Darstellung von Faserbahnen auch innerhalb der Prostata und angedeutet innerhalb der uringefüllten Harnblase erlaubten. Basierend auf den Ergebnissen von Originalarbeit 5 muss bezweifelt werden, dass die Nervenbahnen des NVB mit der Diffusions-Tensor Traktographie sinnvoll dargestellt werden können.
Die Irreversible Elektroporation (IRE) gilt als vielversprechendes Verfahren zur fokal ablativen Therapie insbesondere niedriggradiger und unifokaler Prostatakarzinome. Sie ermöglicht eine relativ scharfe Begrenzung der Ablationszone, deren Größe und Form durch die Positionierung der Elektroden kontrolliert werden kann. Da extrazelluläre Strukturen wie das Endoneurium erhalten bleiben, ist die Regeneration von im Rahmen der Therapie geschädigten Nervenbahnen des NVB grundsätzlich möglich. In Originalarbeit 6 wurde ein neues Verfahren vorgestellt, bei dem die Positionierung der für die IRE notwendigen Elektroden unter Bildkontrolle per MRT/TRUS Fusionstechnik erfolgt. Erste Erfahrungen mit diesem Verfahren in 10 Patienten wurden berichtet. Die beschriebene MRT/TRUS Fusionstechnik kombiniert den Vorteil des TRUS, Bildgebung der Prostata in Echtzeit mit einem mobilen Gerät durchzuführen, mit dem Vorteil der mpMRT, klinisch signifikante Prostatakarzinome in der Prostata zu detektieren, das Tumorvolumen abzuschätzen und die Ablationszone entsprechend zu planen. Diese Technik kann helfen, den Vorteil der IRE in vollem Umfang zu nutzen.