Einleitung: Die Blut-Hirn-Schranke trennt die Kompartimente Blut und neuronales Gewebe voneinander. Sie ist für die Aufrechterhaltung der Elektrolytzusammensetzung im Extrazellulärraum, die Ernährung des Hirnparenchyms und die Segregation von Neurotransmittern zwischen den Kompartimenten essentiell. Eine Schädigung führt zu einer Angleichung der Elektrolytzusammensetzung des Extrazellulärraumes an Serum Konzentrationen und zu einer Extravasation von Blutproteinen. Oft kommt es in direktem zeitlichen Zusammenhang einer Hirnschädigung mit Blut-Hirn-Schrankenstörung zum Auftreten eines symptomatischen epileptischen Anfalls und im Verlauf zu Entwicklung einer Epilepsie. Der entorhinale Cortex als Fokus bei Temporallappenepilepsien spielt in der Epilepsieforschung aufgrund seiner besonderen Verschaltung eine herausragende Rolle und ist Ziel cholinerger Afferenzen. In vitro werden durch die Applikation von Acetylcholin und Physostigmin hippocampale Oszillationen im Gamma-Frequenz-Bereich ausgelöst, während es im Entorhinalen Cortex zu epileptiformer Aktivität kommt. Methoden: In der vorliegenden Untersuchung wurden an horizontalen Hirnschnitten von Entorhinalem Cortex und Hippocampus naiver Ratten in vitro Feldpotentialmessungen im Entorhinalen Cortex (Schicht V/VI) vorgenommen. Es wurden zwei unterschiedliche Protokolle verwendet, die die Bedingungen einer Blut-Hirn-Schrankenstörung simulieren. In einer Gruppe erfolgte eine Präinkubation mit modifizierter Elektrolytlösung (mEL), welche an Rattenserum adaptierte Elektrolytkonzentrationen enthielt. In der anderen Gruppe erfolgte die Präinkubation in mEL + 0.2 mM Albumin. Anschließend wurde durch die Applikation von Acetylcholin und Physostigmin epileptiforme Aktivität ausgelöst und pharmakologisch charakterisiert. Ergebnisse: Durch die Applikation aufsteigender Konzentrationen von Acetylcholin kam es unter Kontrollbedingungen zum Auftreten einer kurzen epileptiformen Aktivität in Form von wiederkehrenden, epileptiformen Entladungen (rekurrente epileptiforme Entladungen, REEs). Sowohl nach Präinkubation mit mEL als auch nach Präinkubation mit mEL + Albumin kam es nach Applikation von Acetylcholin und Physostigmin zu epileptiformer Aktivität in Form von REEs und längeren, anfallsähnlichen Ereignissen (Seizure-like-events, SLEs). Nach Applikation des muskarinergen Antagonisten Atropin wurde die Ereignisdauer reduziert, in einigen Schnitten konnte die Aktivität komplett geblockt werden. Die Applikation des Antikonvulsivums Carbamazepin modulierte die epileptische Aktivität, unterdrückte diese jedoch nicht vollständig. Die Aktivität nach Carbamazepinapplikation entsprach einer späten, wiederkehrenden („rekurrenten“) epileptiformen Aktivität (late recurrent discharges, LRDs), die als pharmakoresistent gilt. Schlussfolgerungen: In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass Veränderungen der Elektrolytzusammensetzungen, wie sie im Rahmen einer Blut-Hirn-Schrankenstörung auftreten, die Suszeptibilität des Entorhinalen Cortex gegenüber Acetylcholin erhöhen und das Auftreten pharmakoresistenter epileptiformer Aktivität begünstigen. Die Ergebnisse weisen somit auf einen wahrscheinlichen Entstehungsmechanismus akut-symptomatischer Anfälle im Rahmen von Blut-Hirn-Schrankenstörung hin und unterstreichen die pathophysiologische Bedeutung eines cholinergen Ungleichgewichtes. Schlussfolgernd sollten pathophysiologische Vorgänge bei einer Blut-Hirn-Schrankenstörung besser verstanden werden, um daraus antiepileptische und auch antiepileptogenetische Therapieansätze zu entwickeln.
The blood-brain-barrier separates the compartments blood and neuronal tissue. It is essential for maintaining the electrolyte composition in the extracellular space, nutrition of neuronal tissue and segregation of neurotransmitters between the compartments. Damage leads to extravasation of blood proteins and adjustment of electrolyte concentrations towards serum concentrations. A symptomatic seizure frequently occurs in close temporal relation to brain damage with blood-brain-barrier disruption and may be followed by development of a symptomatic epilepsy. The entorhinal cortex plays an important role in temporal lobe epilepsy and is of interest in epilepsy research because of its unique interconnections and is aim of many cholinergic afferences. In vitro application of acetylcholine and physostigmine leads to hippocampal oscillations in the gamma frequency range whereas it leads to epileptiform activity in the entorhinal cortex. Methods: In this study, horizontal brain slices of entorhinal cortex and hippocampus of naive rats were used to perform field potential recordings of the entorhinal cortex (layer V/VI). Two different protocols which mimic blood-brain-barrier disruption conditions were used. In one group preincubation was performed with modified electrolyte solution (mES), which contained serum adapted electrolytes. In the other group preincubation was performed in mES + 0.2 mM albumin. Subsequently epileptiform activity was induced by application of acetylcholine and physostigmine and characterized pharmacologically. 7 Results: In control conditions rising concentrations of acetylcholine led to a short lasting epileptiform activity in the form of recurrent epileptiform discharges (REDs). After preincubation with mES as well as after preincubation with mES + albumin application of acetylcholine and physostigmine led to epileptiform activity in the form of REDs and longer seizure-like-events (SLEs). After application of the muscarinergic antagonist atropin event duration was reduced, in some slices activity was blocked completely. The application of the anticonvulsive drug carbamazepine modulated the epileptiform activity but failed to suppress it completely. The activity after application of carbamazepine matched late recurrent discharges (LRDs), which are known to be pharmacoresistant. Conclusions: In the present study, it has been shown that changes of the electrolyte composition like they are seen under blood-brain-barrier-disruption increase the susceptibility of the entorhinal cortex to acetylcholine and promote the occurrence of pharmacoresistant epileptiform activity. These results indicate to a probable mechanism of development of acute symptomatic seizures during blood-brain-barrier-disruption and highlight the pathophysiological importance of cholinergic imbalances. Hence, a better understanding of pathophysiological processes during blood-brain-barrier-disruption is needed to develop antiepileptic and antiepileptogenic therapy approaches.