Abstrakt (deutsch) Fragestellung: Im ehemals geteilten Berlin existierten zwischen 1950 und 1990 zwei verschie-dene Gesundheitssysteme sowie unterschiedliche soziale und medizinische Normen. Ziel dieser Studie war es, herauszufinden, inwieweit die unterschiedlichen deutschen Gesundheitssysteme und politische Strukturen in Ost- bzw. West-Berlin die Zufriedenheit bzw. Erfahrung von Erstgebärenden beeinflusst haben und wie lange nach der Wiedervereinigung Unterschiede noch verifizierbar sind. Es sollten gesundheitspolitische Erkenntnisse über verschiedene Sozial- und Versorgungsstrukturen für Mütter und deren Kinder gewonnen werden. Methodik: Direkt nach dem Mauerfall (1990) wurden 1292 Frauen anhand eines standardisierten Fragebogens befragt, die ihr ersten Kind zwischen 1950 und 1990 in Ost-bzw. West-Berlin geboren hatten. Anhand desselben Fragebogens wurden 2015 erneut 764 Frauen befragt, die ihr erstes Kind nach dem Mauerfall (1990 und 2010) in Ost- oder West-Berlin geboren hatten. Die Fragen er- fassten überwiegend die subjektive Erfahrung der Mütter (Qualität der Betreuung, Angst, Zufriedenheit etc.) vor, während und nach der Geburt sowie eine anonymisierte Beschreibung der Mutter (Alter bei der Geburt des ersten Kindes, Ausbildung, Beruf, Gesundheitsverhalten etc.) und des ersten Kindes (Geburtsjahr, Entbindungsort etc.). Alle Daten wurden anhand von Zeit-analysen, univariaten und multivariaten Analysen ausgewertet. Ergebnisse: Insgesamt steht ein repräsentativer Datensatz von 943 (46 %) Mütter aus Ost- und 1113 (54 %) aus West-Berlin zur Verfügung. Die signifikant zunehmende Angst (p≤0,001) vor der ersten Geburt in beiden Stadtteilen nach der Wiedervereinigung, führte zu einem weniger schönen Geburtserlebnis und zeigte sich unabhängig vom Alter oder der Ausbildung der Mütter und des medizinischen Fortschritts. Sportliche Betätigung in der Schwangerschaft erniedrigte den Angstlevel. Vor 1990 fühlten sich unter der Geburt 24 % im Westen, aber nur 7 % im Osten durch Familie und Freunde unterstützt. 22 % der Mütter in Osten, aber nur 15% im Westen erfuhren den technischen Fortschritt als eine Unterstützung. Nach 1990 kam es zu einem hochsignifikanten Anstieg (p<0.001) des Alters der Ostberlinerinnen bei der Geburt des ersten Kindes. Eine logistische Regressionsanalyse zeigte, dass u. a. das Entbindungsjahr, die Qualität von Hebamme und Arzt sowie wenig Information in beiden Teilen der Stadt das Geburtserlebnis positiv beeinflussten. Ein “belastendes Geburtserlebnis“ wurde signifikant häufiger (p<0.001) von westlichen Müttern angegeben. Nach der Wende reduzierten sich die Unterschiede an, einige wirken noch nach. Schlussfolgerungen: Anhand der Ergebnisse lässt sich ableiten, dass das ostdeutsche System keine negativen Auswirkungen auf das Geburtserlebnis hatte, sondern eher zu einer Stress-reduktion der Mütter geführt hatte. Weder reduzierte die Hochleistungsmedizin noch die umfassende Aufklärung systemunabhängig die Angst vor der Geburt. Das subjektive Geburts-erleben ist von vielen weiteren Einflussfaktoren abhängig.
Abstract (englisch) Objective: In formerly divided Berlin from 1950 to 1990, there were two different health care systems and different social and medical standards. Aims of this study were to evaluate, if satis-faction and experience of primiparous women were influenced by the varying German health care systems and political structures in East and West Berlin, and to analyse, how long these differences were verifiable after the reunification. It was mandatory to gain knowledge about the different social and supply structure. Study design: Directly after the fall of the Berlin Wall (1990), a standardized questionnaire was handed out to 1292 women, who gave birth to their first child between 1950 and 1990 in East and West Berlin. In 2015, 764 women, who delivered their first child in East and West Berlin between 1990 and 2010, were interviewed on the basis of the same questionnaire. The questions included primarily the subjective experience of the mother (e.g. quality of care, anxiety, satis-faction) before, during and after the birth, along with an anonymized description of the mother (age during first birth, education, profession, health behaviour) and of the first child (year and place of birth). All data were evaluated by time analyses, univariate and multivariate analyses. Results: In total, 943 (46 %) mothers from East Berlin and 1113 (54 %) from West Berlin were analyzed (representative). The significantly increasing anxiety (p≤0.001) before the first birth in both parts of the city after the reunication, led to a less beautiful birth experience, regardless of age and education of the mother or medical advance. Sport activities decreased the level of anx-iety. Before 1990, 24 % in West, but only 7 % in East Berlin of mothers felt supported by fami-ly and friends. 22 % in East, but only 15 % of mothers experienced technical progress as a sup-port. After 1990, the age of primiparous women increased high significantly (p<0.001) in East Berlin. A logistic regression analysis indicated that e.g. year of birth, expertise of midwife and doctor as well as minimal information influenced the birth experience positively in both parts of the city. An „exhausting experience “was significantly more frequent (p<0.001) in West Berlin. Most differences disappeared after the reunification, some still exist. Conclusion: From results can be derived that the East German system had no negative effects on the birth experience, but rather a stress reduction for mothers. Neither high-performance medicine, nor comprehensive information lowered anxiety separately from the systems. The subjective experience of birth is dependent on many further influencing factors.