Using the theoretical frame of sensemaking, the author analyses empirically how top executives in Germany conduct sensemaking and how they conceptualize the future.
The thesis builds on the premise that the trends of postmodernity change the context of leadership. With the transition from modernity to postmodernity, technological progress, acceleration, and individualization affect the context of leadership. As a consequence, leaders and in particular top executives are experiencing increasing inconsistency. They have to deal with growing complexity, and they are conducting sensemaking vis-à-vis a more and more uncertain future.
This thesis builds on an analytical framework of sensemaking based on Karl Weick's work. A total of 33 semi-structured interviews with top executives from German-speaking countries are used for the survey, including CEOs of leading companies, federal ministers, mayors of larger cities, constitutional judges, high-ranking church representatives and trade union chairpersons.
The data analysis yields three findings. Firstly, it becomes apparent that the top executives interviewed are constantly exposed to inconsistencies and often fail to recognize them. Not every inconsistency leads to a complexity-reducing sensemaking process. Secondly, the empirical evidence shows that the process of sensemaking can be understood as gauging the stock variable "internal complexity", i.e. the complexity of the cognitive map. The executive does this by adjusting the flow variables "information intake" (which increases complexity) and "complexity reduction". And thirdly: While the first two findings seem to apply equally to all top executives, there are great differences in the conceptualization of future among the group of top executives surveyed. A second differentiating dimension was found along locus of control. The superimposition of both dimensions resulted in five different types of future-oriented sensemaking. Of particular interest is an observed form of sensemaking, which assumes an unpredictable future coupled with a "schizophrenic" locus of control.
In summary, the results of this thesis suggest that the process of sensemaking can be understood as a constant balancing act of the internal complexity of the top executive. A key attribute is the tolerance for complexity of the leader in question. If the internal complexity is too high, sensemaking may be triggered less often than if it is lower. Accordingly, it can be assumed that executives with a high degree of complexity tolerance are more likely to be able to maintain the idea of an unforeseeable future and therefore deal appropriately with the enormous complexity and unpredictability of the future, rather than shielding themselves from it.
Der Autor untersucht aus Perspektive der Sensemakingliteratur empirisch, wie Spitzenführungskräfte in Deutschland Sinn konstruieren und Zukunft konzipieren.
Die Arbeit folgt der Prämisse, dass die Trends der Postmoderne den Kontext von Führung verändern. Mit dem Übergang von der Moderne zur Postmoderne wirken technologischer Fortschritt, Beschleunigung und Individualisierung auf den Kontext von Führung. In der Konsequenz erleben gerade Spitzenführungskräfte zunehmend Inkonsistenz, müssen mit steigender Komplexität umgehen, und sie konstruieren Sinn mit Blick auf eine zunehmend unsichere Zukunft.
Analyserahmen der Arbeit ist die Sensemakingperspektive basierend auf den Arbeiten von Karl Weick. Zur Erhebung dienen insgesamt 33 teilstrukturierte Interviews mit Spitzenführungskräften aus dem deutschsprachigen Raum, darunter Vorstandsvorsitzende führender Unternehmen, Bundesminister, Bürgermeister größerer Städte, Verfassungsrichter, hochrangige Kirchenvertreter oder auch Gewerkschaftsvorsitzende.
Die Untersuchung der Daten liefert drei Ergebnisse. Erstens zeigt sich, dass die befragten Spitzenführungskräfte kontinuierlich Inkonsistenzen „aushalten“ und oft gar nicht erkennen. Nicht jede Inkonsistenz führt also zu einem komplexitätsreduzierenden Sensemakingprozess. Zweitens zeigt die Empirie, dass der Sinnfindungsprozess als Steuerung der Bestandsgröße „Binnenkomplexität“, also der Komplexität der von der Führungskraft gezeichneten mentalen Landkarte der Umwelt, verstanden werden kann. Die Führungskraft steuert dazu – bewusst oder unbewusst – die Stromgrößen „Informationsaufnahme“ (komplexitätserhöhend) und „Komplexitätsreduktion“. Und drittens: Während die ersten beiden Ergebnisse für alle Spitzenführungskräfte gleichermaßen zu gelten scheinen, so zeigen sich bei der Sinnfindung in Bezug auf die Zukunft große Unterschiede zwischen den befragten Spitzenführungskräften. Diese unterscheiden sich stark danach, was ihre Konzeption von Zukunft anbelangt. Eine zweite Unterscheidungsdimension ergab sich entlang der Kontrollüberzeugung. Beim Übereinanderlegen beider Dimensionen ergaben sich fünf unterschiedliche Typen von zukunftsbezogenem Sensemaking. Besonders interessant ist dabei eine Sinnkonstruktion, die von einer unplanbaren Zukunft ausgeht gepaart mit einer „schizophrenen“ Kontrollüberzeugung.
In Summe schlagen die Ergebnisse dieser Arbeit vor, dass der Sinnfindungsprozess als ständiges Austarieren der Binnenkomplexität der Führungskraft verstanden werden kann. Entscheidend dabei wäre die Komplexitätstoleranz. Ist die Binnenkomplexität im Vergleich zu hoch, wird Sensemaking seltener ausgelöst, als wenn diese gerade niedrig ist. Entsprechend kann vermutet werden, dass Führungskräfte mit einer hohen Komplexitätstoleranz mit höherer Wahrscheinlichkeit die Vorstellung einer unplanbaren Zukunft aufrechterhalten können und sich daher mit der tatsächlichen enormen Komplexität und Unvorhersagbarkeit der Zukunft ausreichend auseinandersetzen, anstatt sich davor zu verschließen.