Anliegen der vorliegenden Studie war die Erhebung des Nutzerprofils von zwei klinischen Notfallambulanzen in der Berliner Innenstadt sowie die Beurteilung der Dringlichkeit und Angemessenheit der Inanspruchnahme. Dabei wurden das Geschlecht, das Alter, die Ethnizität und der Bildungsgrad der Befragten besonders berücksichtigt. Weiterhin sollten die aufgeführten Diagnosen und die Behandlung und Therapie innerhalb der Rettungsstelle genauer untersucht werden. Die Studie wurde in der Zeit von November 2006 bis Februar 2007 an den internistischen und gynäkologischen Rettungsstellen in Kliniken der Berliner Bezirke Neukölln und Wedding, die einen hohen Migrantenanteil und einen niedrigen sozialen Status der Wohnbevölkerung aufweisen, als retrospektive Querschnittsstudie durchgeführt. Durch die fallbezogene Verbindung von Angaben auf den Erste- Hilfe-Scheinen und einer persönlichen, standardisierten Patientenbefragung konnten vielfältige Informationen sowohl aus Perspektive der Patientinnen und Patienten als auch aus Perspektive der Institution in die Analyse einfließen. Personen mit Migrationshintergrund suchten, wie auch schon in den vorangegangenen Untersuchungen, verglichen mit der Wohnbevölkerung in den umliegenden Berliner Stadtbezirken die Rettungsstellen überproportional häufig auf (Braun 2004, Schwartau 2005). Durch den gewählten Forschungszugang war es möglich, Migrantinnen und Migranten gut zu erreichen und in die Untersuchung einzubeziehen. Einflüsse der Ethnizität werden in anderen Studien meist nur unzureichend erfasst, da zum einen Migrantinnen und Migranten aufgrund von Sprachbarrieren und einer höheren Rate an gering Alphabetisierten oft schwer zugänglich sind (Borde 2002) und zum anderen werden Einflüsse der Ethnizität in Studien und Gesundheitsberichten wenn überhaupt dann meist unvollständig untersucht, da häufig lediglich nach Staatsangehörigkeit unterschieden wird. In dieser Studie erfolgte die Einteilung der Ethnizität der Befragten nach selbstangegebener Muttersprache. Zur Untersuchung von Besonderheiten im Nutzerprofil und in Bezug auf die Angemessenheit und Dringlichkeit der Behandlung wurden eingangs acht Hypothesen formuliert, die sich zumeist bestätigten: 1\. Im Nutzerprofil der Rettungsstellen zeigten sich geschlechtsspezifische Besonderheiten. Frauen suchten die Rettungsstellen häufiger als Männer auf. Die Analyse zeigte bezüglich des Inanspruchnahmeverhaltens, dass Männer im Vergleich zu Frauen häufiger den Rettungs- und Transportdienst nutzten. Frauen nutzten die Notfallambulanzen eher außerhalb der “Praxiszeiten“ und somit eher abends und nachts. Die eingangs formulierte Hypothese, dass Frauen häufiger eine unangemessenere Inanspruchnahme von Notfallambulanzen aufweisen als Männer konnte nicht bestätigt werden. 2\. In der Anamnese wurden von Frauen häufiger gastrointestinale Symptome genannt, während bei Männern Thoraxschmerzen und kardiale Beschwerden im Vordergrund standen. Hinsichtlich der Diagnosen standen die kardiovaskulären Diagnosen bei beiden Geschlechtern an erster Stelle. Männer wurden signifikant häufiger stationär aufgenommen und Frauen häufiger medikamentös ambulant behandelt. 3\. Wie angenommen, suchten mit zunehmendem Alter Patienten/-innen die Rettungsstellen häufiger auf. Eine altersbezogene Analyse des Inanspruchnahmeverhaltens der Patienten/-innen zeigte wesentliche Unterschiede auf. Ältere Patienten/innen suchten zumeist tagsüber die Rettungsstellen auf, nahmen signifikant häufiger das Rettungs- und Transportwesen in Anspruch und kamen vorwiegend mit einer ärztlichen Einweisung in die Notfallambulanzen. 4\. Das Alter der Patienten/innen war erwartungsgemäß ein maßgeblicher Einflussfaktor für die Feststellung von Diagnosen und die Behandlung in der Rettungsstelle. Mit zunehmendem Alter wurden in der Anamnese häufiger Thoraxschmerzen und Atembeschwerden dokumentiert. Demzufolge waren Kreislaufdiagnosen und Atemwegserkrankungen mit zunehmendem Alter häufiger, während Krankheiten des Verdauungssystems weniger festgestellt wurden. Je älter die Patienten/innen waren, umso mehr Diagnostik und stationäre Aufnahmen wurden veranlasst. Somit ließ sich die anfang gestellte Hypothese bestätigen. 5\. In der Studienpopulation waren, auch nach Berücksichtigung der Bevölkerungsstruktur an den Studienstandorten, überproportional viele Migranten/innen vertreten. Die größte Migrantengruppe stellten die türkeistämmigeen Migranten/innen dar, die in der weiteren Auswertung besonders berücksichtigt wurden. Dennoch konnte in der weiteren Auswertung weder bestätigt werden, dass Migranten/-innen häufiger zu den “Vielnutzern“ von Rettungsstellen gehören noch, dass sie eine unangemessenere Inanspruchnahme der Rettungsstellen aufweisen. Der Anteil älterer Patienten/innen über 65 Jahren war in der Studienpopulation sehr gering. Dennoch zeigte eine ethnizitätsspezifische Betrachtung, dass Migranten/innen signifikant jünger waren, was mit der deutlich jüngeren Altersstruktur der Migranten/innen in der Bevölkerung übereinstimmt. Beim Vergleich von deutschen Patienten/innen und Migranten/innen fiel ein unterschiedliches Inanspruchnahmeverhalten auf. Migranten/innen kamen signifikant häufiger in den Abend- und Nachtsstunden sowie am Wochenende in die Klinik und nahmen das Rettungs- und Transportwesen seltener in Anspruch. 6\. Wie in der Hypothese angenommen wurden bei Migranten/innen der Anamnese mehr gastrointestinale Symptome dokumentiert. Zudem fiel die häufige Nennung von Kopfschmerzen auf. An erster Stelle der Diagnosen standen bei deutschen Patienten/innen und Migranten kardiovaskuläre Erkrankungen und bei Migrantinnen Krankheiten des Verdauungssystems. Der zweite Teil der Hypothese ließ sich nicht bestätigen. Während Migranten/-innen meist medikamentös ambulant behandelt wurden, veranlasste man bei deutschen Patienten/innen häufiger eine stationäre Aufnahme. 7\. Bei der schichtspezifischen Analyse zeigte sich, dass 70% der Patientinnen und Patienten, die die Rettungsstellen aufsuchten, einen niedrigen oder mittleren Schulabschluss hatten. Betrachtet man die Studienkollektive nach Ethnizität und Bildungsgrad, ist der Anteil der Patienten/-innen mit geringer schulischer Bildung in den einzelnen Gruppen unterschiedlich hoch. 40% der türkeistämmige Patienten/-innen haben keinen oder nur einen Grundschulabschluss. In den Vergleichsgruppen betrifft dies nur 18% der Patienten/-innen anderer Ethnizitäten und 5% der deutschen Patienten/-innen. Die Annahmen zu schichtspezifischen Besonderheiten in dieser Untersuchung wurden insbesondere bei Angaben zu der Lebenszufriedenheit und dem aktuellen psychischen Stress bestätigt. Je niedriger der Erwerbsstatus und der Bildungsgrad der Patientinnen und Patienten, desto häufiger lag eine hohe Ausprägung bei den genannten Belastungsfaktoren vor. Patienten/-innen mit einem hohem Bildungsstand und Befragte, die einer unteren Erwerbsgruppe zugeordnet wurden, gaben signifikant häufiger starke Schmerzen und Beschwerden an. Es fand sich jedoch kein schichtspezifischer Unterschied hinsichtlich den Einschätzungen der Dringlichkeit der erforderlichen Behandlung. 8\. Die vorliegende Untersuchung bestätigte die Annahme, dass Patienten/-innen mit einem niedrigen Sozialstatus häufiger mit Herz-Kreislauferkrankungen und Psychiatrische bzw. Psychosomatische Beschwerden in der Rettungsstelle vorstellig werden. Ebenso ließ sich bestätigen, dass diese Gruppe von Patienten/-innen seltener stationär behandelt werden und dafür häufiger eine symptomatische ambulante Therapie erhalten. 9\. Die Hypothese, dass die derzeit bestehenden klinischen Rettungsstellen für viele Patientinnen und Patienten nicht die angemessene Versorgungseinrichtung darstellen, wurde durch die vorliegende Untersuchung unterstützt. Um die Angemessenheit der Inanspruchnahme beurteilen zu können, wurde ein Index erstellt, der sowohl medizinische Faktoren aus den Erste-Hilfe-Scheinen als auch subjektive Indikatoren seitens der Patientinnen und Patienten berücksichtigte. Der Index bestand aus folgenden Kriterien: a.) Inanspruchnahme des Rettungs- und Transportwesens, b.) Durchführung von im Krankenhaus vorgehaltener Diagnostik, c.) stationäre Aufnahme, d.)Vorliegen einer ärztlichen Einweisung, e.) starke Schmerzen und Beschwerden und f.) patientenseitige Einschätzung einer hohen Dringlichkeit der Behandlung. Als angemessene Inanspruchnahme galt, wenn vier der sechs Kriterien erfüllt waren. Die Berechnung des Index mittels einer logistischen Regression ergab, dass 12% der Patienten/innen den Kriterien einer angemessenen Inanspruchnahme entsprachen. Die multivariate Analyse zeigte, dass höheres Alter und das Vorliegen einer ärztlichen Einweisung signifikante Prädiktoren für eine angemessene Inanspruchnahme der Rettungsstelle waren. Bei der Analyse der Angemessenheit der Inanspruchnahme zeigte sich nur wenig Übereinstimmung zwischen der Häufigkeit und Präferenz der Inanspruchnahme durch die untersuchten Gruppen und deren Angemessenheit der Inanspruchnahme. Bezogen auf die hier erfolgte Beurteilung der Angemessenheit der Inanspruchnahme der Rettungsstelle zeigte sich entgegen der formulierten Annahmen weder ein geschlechts- noch ein ethnizitätsspezifischer Unterschied. Notfallambulanzen wurden von türkeistämmigen, deutschen und Patientinnen und Patienten anderer Ethnizität gleichermaßen (un-)angemessen genutzt. Die Annahme, dass Patientinnen und Patienten mit einem hohen Grad an psychischer Belastung im Alltag die Erste-Hilfe-Stellen häufiger unangemessen nutzen, konnte bei dem hier gewählten Vorgehen ebenfalls nicht bestätigt werden. Auch die anderen untersuchten Faktoren Bildungsgrad, Erwerbsstatus, Vorhandensein eines Hausarztes, Nutzungsfrequenz der Rettungsstellen und Wohnortnähe zur Klinik hatten keinen Einfluss bei der Gesamtbeurteilung der Angemessenheit der Inanspruchnahme. Dies zeigt, dass Rettungsstellen für die meisten Patientengruppen nicht die adäquate, an ihren Bedürfnissen orientierte Versorgungseinrichtung darstellen. Wissend um die Schwierigkeit, Patienten/innen in alternative Versorgungsinstanzen umzulenken, erscheint eine Veränderung der Selbstdefinition als Versorgungseinrichtung für medizinische Notfälle und Restrukturierung der Rettungsstelle im Sinne einer Patientenorientierung angezeigt.
The inappropriate use of emergency departments is of growing concern. This type of use is a burden on the health system and increases the demand on the emergency department for care that could be managed better at other levels of care and that in a sense completed with true emergency cases. Knowledge of the prevalence and factors associated with inappropriate use can help orient public policies to reduce the problem. Data were collected from 412 patients at two gynaecological/internal medicine emergency clinics in Berlin over one month. This study connected two data sources: (1) standardized interviews covered service use history, psychosocial variables, migration history and sociodemographics and (2) medical data were retrieved from patients' medical records, including case histories, diagnoses and therapies. Statistical analysis of data was performed by chi tests, correlational and logistic regression analyses. According to a self-constructed index measuring appropriateness of emergency service use, only 12% of the patients' visits were classified as appropriate. Age and referral were significantly associated with appropriateness of use. Contrary to the results of international studies, the patient's ethnicity played no significant role in respect to the appropriateness of use of emergency outpatient services.