Der Sec61-Translokon-Pathway ist für die meisten Proteine der erste Schritt des intrazellulären Proteintransports. Mit Hilfe von Signalsequenzen der Proteine und des Sec61-Komplexes der ER-Membran werden sekretorische Proteine über die ER-Membran transloziert und integrale Membranproteine in diese integriert. Die kontrollierte Beeinflussung der Translokation von Proteinen am Sec61-Komplex hat ein hohes pharmakologisches Potential, das zur Zeit noch nicht genutzt wird. Inhibitoren des Sec61-Komplexes könnten z.B. zu neuen Zytostatika entwickelt werden. Um dieses Ziel in erreichbare Nähe zu rücken, muss die Funktionsweise des Sec61-Komplexes und insbesondere der Öffnungsmechanismus des proteinleitenden Kanals durch die Signalsequenzen der Proteine weiter aufgeklärt werden. Auch für diesen Zweck wären Inhibitoren des Sec61-Komplexes gute Werkzeuge. Ein Beispiel für einen solchen Inhibitor stellt das Zyklodepsipeptid Cotransin (CT) dar. Bisher wurde beschrieben, dass CT und einige andere Zyklodepsipeptide wahrscheinlich direkt an den Sec61-Komplex binden, dort aber nur die Biosynthese einer kleinen Anzahl von Proteinen blockieren. Für diese Selektivität sind die Signalsequenzen der sensitiven Proteine verantwortlich. Die Zahl der Proteine, deren Biosynthese tatsächlich CT-sensitiv ist, war ebenso unklar wie die Eigenschaften der Signalsequenzen, die diese Sensitivität vermitteln. Im Vorfeld dieser Arbeit wurde die tatsächliche Selektivität von CT mit Hilfe einer Proteomics-Analyse untersucht und festgestellt, dass bei einer sättigenden CT-Konzentration von 30 μM die Biosynthese fast aller sekretorischer Proteine CT-sensitiv war. Die Biosynthese der Mehrzahl der integralen Membranproteine war dagegen CT-resistent. Die Substanz ist damit weitaus weniger selektiv als bisher angenommen. Im ersten Teil dieser Arbeit wurde eine breit angelegte, bioinformatische Analyse der Signalsequenzen der CT-sensitiven Proteine durchgeführt, die in dieser Proteomics-Studie identifiziert wurden. Ziel war es, ein mögliches Konsensusmotiv in den Signalsequenzen (Signalankersequenzen oder Signalpeptide) zu identifizieren, das die CT-Sensitivität vermittelt, und dieses dann experimentell zu charakterisieren. In allen CT-sensitiven Signalankersequenzen konnte auf Ebene der α-helikalen Sekundärstruktur ein entsprechendes Konsensusmotiv gefunden werden. Das Konsensusmotiv bildet auf der Helixoberfläche zwei Vertiefungen durch kleine Aminosäurereste aus (Gly, Ala, Ser, Thr, Cys), die durch größere, raumfüllende Aminosäurereste voneinander getrennt sind. Flankierend zu dieser Gruppe von Aminosäuren finden sich große geladene, polare oder aromatischen Aminosäurereste. In der Folge wurde mit Hilfe von gerichteten Mutagenesen experimentell bestätigt, dass dieses Motiv die CT-Sensitivität einer Signalankersequenz vermitteln kann. Im Gegensatz zu den CT-sensitiven Signalankersequenzen, bilden die meisten CT-sensitiven Signalpeptide dieses Motiv nicht aus und es bleibt unklar, worauf deren CT-Sensitivität beruht. In den seltenen Fällen, in denen das Motiv in einem Signalpeptid vorhanden ist, scheint es auch hier die CTSensitivität zu vermitteln. Dies konnte ebenfalls durch gerichtete Mutagenesen experimentell gezeigt werden. Die oben beschriebenen Zyklodepsipeptide weisen einen Signalsequenz-selektiven Wirkungsmechanismus am Sec61-Komplex auf und sind daher, auch aufgrund ihrer peptidischen Struktur, für die Wirkstoffentwicklung wenig geeignet. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde ein zellbasierter Hochdurchsatz-Screen entwickelt und etabliert, mit dem Ziel, neue Inhibitoren für den Sec61-Komplex zu identifizieren, die den proteinleitenden Kanal auch unabhängig von Signalsequenzen blockieren. Bei diesem sequenziellen Screening-Verfahren mit 37312 Substanzen wurden im Primärscreen zunächst alle Verbindungen aus der Bibliothek identifiziert, die einen Einfluss auf Transkription, Translation und den Sec61-Translokon-Pathway haben. Im Sekundärscreen wurden dann die Substanzen identifiziert, die eine Selektivität für den Sec61-Translocon-Pathway aufweisen sollten. Nach Bestimmung der IC50-Werte und Berücksichtigung der Parameter der Medizinalchemie wurden fünf Substanzen für die weitere Analyse ausgewählt. Die Selektivität der Substanzen wurde mit Hilfe eines zellulären Biosyntheseassays mit verschiedenen Membranproteinen bestimmt. Die Aktivität gegen den Sec61-Translokon-Pathway konnte mit einem zellfreien Transkriptions-/ Translations-/ Translokationsassay bewiesen werden. Dabei zeigte sich, dass zwei Substanzen (FMP-214534 und FMP-401319) den Sec61-Translokon-Pathway unabhängig von Signalsequenzen mit einer IC50 im niedrigen mikromolaren Bereich (zelluläres Assay) blockieren. Für die Substanz FMP-401319 wurde eine Vielzahl kommerziell erhältlicher Analoga analysiert und eine Substanz mit leicht verbesserten Eigenschaften gefunden. Mit dieser Substanz (FMP-401319-3) wurde abschließend mit Hilfe des zellfreien Transkriptions-/ Translations-/ Translokationsassays und Proteaseprotektion bestimmt, auf welcher Stufe des Sec61-Translokon-Pathways die Verbindung angreift. Es konnte gezeigt werden, dass die Substanz die cotranslationale Translokation eines Proteins auf der Ebene des Sec61-Komplexes blockiert, und zwar nachdem das Ribosom an den Sec61-Komplex gebunden hat, aber bevor die naszierende Proteinkette das ER-Lumen erreicht und das Signalpeptid abgespalten werden kann. Zukünftige Studien müssen zeigen, wo genau die Substanz FM-401319-3 bindet und den Sec61-Komplex beeinflusst.
For most proteins, the Sec61 translocon pathway represents the first step in intracellular protein transport. With the help of signal sequences of the proteins and the Sec61 complex of the ER membrane, secretory proteins are translocated across the ER membrane and integral membrane proteins are integrated into the lipid bilayer. Thus, controlling protein translocation at the Sec61 complex has a high pharmacological potential, which is currently not used. Inhibitors of the Sec61 complex could therefore serve, for example, as new cytostatic drugs. Sec61 inhibitors further represent appropriate tools to study the function of the Sec61 complex and in particular the opening mechanism of the protein-conducting channel by the signal sequences of the proteins which, in turn, must be further elucidated in order to optimize these drugs. An example of such an inhibitor is the cyclodepsipeptide cotransin (CT). To date, it was described that CT and some other cyclodepsipeptides are likely to bind directly to the Sec61 complex. However, these compounds were shown to only block the biosynthesis of a small number of proteins. For this selectivity, the signal sequences of the sensitive proteins are crucial. Nevertheless, neither the actual number of CT-sensitive proteins was clearly be determined nor was known what distinguishes CT-sensitive and non-sensitive signal sequences. Prior to this work, the actual selectivity of CT was studied by a proteomics analysis and it was found that at a saturating CT concentration (30 μM), the biosynthesis of almost all secretory proteins was CT-sensitive. The biosynthesis of the majority of integral membrane proteins, however, was CT-resistant. These results showed that CT was far less selective than previously thought. In the first part of this work, an extensive bioinformatic analysis of the signal sequences of the CT-sensitive proteins, previously identified in the proteomics study, was performed. The aim was to identify a possible consensus motif in the signal sequences (signal anchor sequences or signal peptides), which mediates CT sensitivity and to characterize it experimentally. In all CT-sensitive signal anchor sequences, a corresponding consensus motif could be identified at the level of the α-helical secondary structure of these sequences. The consensus motif leads to the formation of two cavities at the helix surface by the presence of small amino acid residues (Gly, Ala, Ser, Thr, Cys) which are separated by larger, space-filling amino acid residues. The cavities are flanked on both sides by large charged, polar or aromatic amino acid residues. Subsequently, it was confirmed experimentally by directed mutagenesis experiments that this motif can mediate the CT sensitivity of a signal anchor sequence. In contrast to the CTsensitive signal anchor sequences, most CT-sensitive signal peptides do not form this motif and it remains unclear what determines their CT sensitivity. However, in the rare cases where the motif is present in a signal peptide, it also appears to mediate CT sensitivity. This could also be confirmed experimentally by directed mutagenesis. The cyclodepsipeptides described above have a signal sequence-selective mechanism of action at the Sec61 complex and are therefore not suitable for drug development, also because of their peptidic structure. In the second part of this work, a cell-based high-throughput screen was developed and established with the aim to identify new inhibitors for the Sec61 complex, which block the protein-conducting channel independently of signal sequences. In the primary screen of this sequential screening assay (37,312 compounds in total), all substances from the library that have an influence on transcription, translation and the Sec61 translocon pathway were identified. In the secondary screen, the substances which should inhibit the Sec61 translocon pathway alone were then selected. After determining the IC50 values, and considering the parameters of medicinal chemistry, five substances were selected for further analysis. The selectivity of the substances was determined by use of a cellular biosynthesis assay with various membrane proteins. The activity against the Sec61 translocon pathway was analyzed using a cell-free transcription/ translation/ translocation assay. It was found that two substances, namely FMP-214534 and FMP-401319, block the Sec61 translocon pathway independent of signal sequences with low micromolar IC50 values (cellular assay). For the substance FMP-401319, a variety of commercially available analogs were analyzed and a compound with slightly improved properties, namely FMP-401319-3, was found. Using this substance, in the cell-free transcription/ translation/ translocation assay and protease protection experiments, it was finally determined at which stage of the Sec61 translocon pathway the compound acts. It could be shown that FMP-401319-3 actually blocks the cotranslational translocation of a protein at the level of the Sec61 complex. This occurs after the ribosome has bound to the Sec61 complex, but before the nascent protein chain has reached the ER lumen for signal peptide cleavage. Future studies will have to show where exactly the substance FM-401319-3 binds and exerts its functions at the Sec61 complex.