Paroxysmale und Medikamenten-induzierte Dyskinesien sind schwerwiegende zentral bedingte Bewegungsstörungen mit häufig unbefriedigenden therapeutischen Optionen. Gut charakterisierte Tiermodelle für klar definierte Dyskinesieformen sind wertvolle Werkzeuge präklinischer Forschung und ermöglichen durch die Aufklärung pathologischer Mechanismen die Entwicklung rationaler und gezielter Therapien. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten Tiermodelle weisen eine robuste Face Validity und eine gute Predictive Validity auf. Auch unsere Studien zur Wirkung des GABAB-Agonisten Baclofen bei der Hamstermutante konnten dies bestätigen. Sowohl bei der PNKD des dtsz-Hamsters als auch im Rattenmodell für die LID spielt eine erhöhte Aktivität striataler Projektionsneurone eine zentrale pathophysiologische Rolle. Ionenkanäle, welche die Erregbarkeit von Zellen modulieren, stellen daher interessante Zielstrukturen für die Therapie dieser Erkrankungen dar. Die Aktivierung von Ionenkanal-gekoppelten GluR führt zu einer Erregung der Zellmembran, weshalb GluR-Antagonisten prinzipiell für die Therapie hyperkinetischer Bewegungsstörungen in Frage kommen. Für einige GluR-Antagonisten ist ein antidyskinetisches Potenzial bereits bekannt, ihr therapeutischer Einsatz wird jedoch durch das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen oder eines Wirkungsverlusts nach chronischer Gabe beschränkt. Von Substanzen mit einer hohen Selektivität für spezifische GluR-Untereinheiten erhofft man sich eine bessere Verträglichkeit bei mindestens gleicher Effektivität. Interessanterweise zeigten die von uns untersuchten NMDA-Rezeptor- Antagonisten mit Präferenz für die NR2A- bzw. NR2B-Untereinheiten in den Tiermodellen unterschiedliche Wirkungen: NR2A-Antagonisten wiesen im Hamstermodell für die PNKD eine gute antidystone Wirksamkeit auf, wohingegen ein positiver Effekt im Rattenmodell für die LID ausblieb. Hier scheinen NR2B-Antagonisten geeigneter, klinische Studien deuten jedoch auf ein unerwartet ungünstiges Nebenwirkungsprofil der zurzeit verfügbaren Substanzen hin. Aktuell liegt der Fokus der präklinischen und klinischen Forschung auf den vielversprechenden Modulatoren metabotroper GluR. Auch Kynurensäure-Inhibitoren, die einen Anstieg des endogenen NMDA-Rezeptor-Antagonisten Kynurensäure erzeugen und beim dtsz-Hamster eine gute antidystone Wirkung erzielten, scheinen für die Behandlung der LID geeignet. Für die Therapie der PNKD sind NR2A-Antagonisten weiterhin interessante Kandidaten, deren Nutzen-Risiko-Verhältnis in weiterführenden Untersuchungen validiert werden sollte. Aufgrund der bedeutenden Rolle des dopaminergen Systems in der Pathophysiologie der untersuchten Erkrankungen stellt die Modulation von Dopamin-Rezeptoren einen naheliegenden Therapieansatz dar. Die klassischerweise verwendeten D1- und D2-Rezeptor-Antagonisten werden häufig von unerwünschten Arzneimittelwirkungen begleitet und reduzieren die Wirksamkeit des Levodopas zur Behandlung der PD, weshalb bei der Suche neuer Zielstrukturen die in geringerer Anzahl exprimierten D3-Rezeptoren als mögliche Kandidaten in Frage kamen. In unseren Untersuchungen reduzierte der D3-Rezeptorantagonist U 99194 weder den Schweregrad der PNKD beim dtsz-Hamster noch den Schweregrad der AIMs im Rattenmodell für die LID. Neuere Studien weisen jedoch darauf hin, dass Substanzen mit einer höheren Selektivität für den D3-Rezeptor als das von uns untersuchte U 99194 durchaus ein antidyskinetisches Potenzial besitzen. Im Hinblick auf veränderte D3-Rezeptorbindungen bei dyskinetischen Tieren und Patienten stellen D3-Rezeptorantagonisten weiterhin potenzielle neue Therapeutika für eine rationale Behandlung der LID dar. Für die Therapie der PNKD lieferten auch die von uns durchgeführten rezeptorautoradiographischen Untersuchungen beim dtsz-Hamster hierfür keine Hinweise. Der KV7.2-5-Kanalöffner Retigabin zeigte sowohl im Hamstermodell für die PNKD als auch im Rattenmodell für die LID eine gute antidyskinetische Wirkung. Auch bei chronischer Gabe war der Wirkstoff ohne Einschränkung der therapeutischen Wirkung von Levodopa gut verträglich, und es war kein Wirkungsverlust des Retigabins zu beobachten. Im Gegensatz zum KV7.2-5-Kanalöffner Flupirtin, welcher bereits als Analgetikum auf dem Markt verfügbar ist, sind für Retigabin keine lebertoxischen Wirkungen bei Langzeitbehandlung bekannt. Es wird seit einigen Jahren als zugelassenes Antiepileptikum beim Patienten eingesetzt, sodass über eine Indikationserweiterung des Medikamentes ein relativ schneller Einsatz bei Patienten mit LID oder PNKD möglich wäre. Weitere Untersuchungen zeigten, dass die antidyskinetische Wirkung im Rattenmodell für die LID insbesondere durch die Modulation von KV7.2/3 vermittelt wird. Spezifische Öffner dieser Kanäle, wie z. B. ICA 24273, sollten auch in anderen Tiermodellen auf ihre mögliche Eignung zur Behandlung der LID validiert werden. Im Hamstermodell für die PNKD wird der antidystone Effekt von Retigabin hingegen vermutlich maßgeblich durch KV7.5-Kanäle erzeugt. Da die Entwicklung neuer selektiver Wirkstoffe für spezifische KV7-Kanäle rasant voranschreitet, kann diese Hypothese hoffentlich in naher Zukunft auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Aufgrund der analgetischen Eigenschaften von Retigabin, welche wahrscheinlich KV7.2/3-vermittelt sind, wäre ein selektiver KV7.5-Öffner zur Behandlung der häufig schmerzhaften Muskel-Kokontraktionen von PNKD-Patienten jedoch vermutlich weniger geeignet. Die unterschiedliche Wirksamkeit einiger getesteter Substanzen weist auf interessante Differenzen in der Pathophysiologie der PNKD des dtsz-Hamsters und der LID der 6-OHDA-lädierten Ratte hin und unterstreicht zugleich die große Bedeutung einer detaillierten Aufklärung der Krankheitsmechanismen für die erfolgreiche Therapie von Erkrankungen. Wie auch in anderen Forschungsgebieten unterliegt die Suche nach geeigneten Therapeutika aktuellen Trends, die nicht immer die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen können. Die Wiederentdeckung bereits für andere Indikationen zugelassener Wirkstoffe verkürzt sowohl Zeit als auch die Kosten für die Entwicklung neuer Therapeutika und sollte daher nicht aus den Augen gelassen werden. Zeitlos bleibt die Erkenntnis, dass das Aufklären der pathologischen Mechanismen die Grundlage aller rationalen Therapieansätze bildet, ob nun pharmakologischer oder anderweitiger Natur. Tiermodelle leisten hierzu einen zurzeit noch unersetzlichen Beitrag.