Einleitung: Im Rahmen einer katabolen Stoffwechsellage, in dem dem Organismus nicht ausreichend Energie von Außen zugeführt wird, erfolgt die Energiebereitstellung über einen Abbau körpereigener Substanzen. Hierbei wird vorwiegend Muskelmasse abgebaut. Der dabei als Nebenprodukt entstehende, für den Körper toxische Aminostickstoff wird in Harnstoff umgewandelt und zu einem großen Anteil mit dem Urin ausgeschieden. Entsprechend bietet es sich an, mit Hilfe der Harnstoffproduktionsrate (HPR) die metabolische Situation und das Ausmaß einer Katabolie zu charakterisieren. Dieses ist von klinischer Bedeutung, da ein Abbau von körpereigener Substanz zu einer Mangelernährung führt, die mit einer höheren Morbidität und z.T. auch Mortalität assoziiert ist. Studien zur HPR sind selten und oft älteren Jahrgangs, schließen nur wenige Probanden ein, die überwiegend männlichen Geschlechts und zudem oft fortgeschrittenen Alters sind. Daher gilt es als Ziel dieser Studie, die HPR als Verfahren in der Diagnostik einer Katabolie zu validieren sowie mögliche Einflussfaktoren zu eruieren. Methodik: Es konnten hierzu 72 gastroenterologische Patienten (39 Männer, 33 Frauen) untersucht werden. Nach dem Subjective Global Assessment (SGA), einer etablierten Methode zur Erfassung einer Mangelernährung, wurden die Patienten in mangelernährt (SGA B & C) und nicht mangelernährt (SGA A) unterteilt. Die HPR wurde als Maß für einen bestehenden Proteinabbau bestimmt. Eine zusätzliche Einschätzung der Muskelmasse erfolgte durch Messung des Kreatinin-Höhen-Index (CHI), durch Bestimmung der Körperzellmasse (BCM) mittels Bioelektrischer Impedanzanalyse (BIA) sowie durch Ermittlung anthropometrischer Parameter, hier insbesondere Oberarmumfang (OAU), Armmuskelumfang (AMU) und Armmuskelfläche (AMA). Die Muskelfunktion wurde mit Hilfe von einfachen Bedsidetests (Jamar®, Vitalograph®) ermittelt. Ergebnis: Das Durchschnittsalter unterschied sich zwischen den Geschlechtern signifikant voneinander (p=0,000). So waren Männer durchschnittlich 61 +/- 14 Jahre, Frauen 48 +/- 15 Jahre alt. Mangelernährt nach dem SGA waren zum Aufnahmezeitpunkt 62,5% der Patienten. Die SGA-Gruppen unterschieden sich in Geschlechts- und Altersverteilung nicht signifikant voneinander und stellten damit gut vergleichbare Untersuchungsgruppen dar. Unter den Mangelernährten differierten die Werte der HPR zwischen den Geschlechtern signifikant voneinander (HPRMänner: 15,1 +/- 9,9 g/d vs. HPRFrauen: 10,7 +/- 6,4 g/d, p=0,040). So wiesen mangelernährte Frauen kaum (nur bei 28,6%) eine pathologisch erhöhte HPR auf. Eine Wechselbeziehung zwischen Geschlecht und Ernährungszustand nach SGA konnte entsprechend nachgewiesen werden (p=0,002). Die HPR zeigte einen geschlechtsunabhängigen positiven Zusammenhang mit dem CHI (unter Männern: r=0,753, p=0,000; unter Frauen: r=0,657, p=0,001). Unter den Frauen war weiterhin ein Zusammenhang mit der BCM (r=0,531, p=0,002) sowie mit der AMA und dem AMU (r=0,495, p=0,004) nachweisbar. Beim Vergleich der HPR mit den Muskelfunktionstests zeigte sich bei den Frauen eine positive Korrelation zwischen den Peak flow-Werten und der HPR (r=0,350, p=0,050), bei den Männer im Gegensatz dazu eine negative, die jedoch keine statistische Signifikanz annahm (r= -0,299, p=0,076). Bezüglich der Handkraft existierte bei den Männern eine statistisch signifikante negative Korrelation mit der HPR (r= -0,353, p=0,048). Die HPR korrelierte weder mit der aktuellen Protein- noch Kalorienzufuhr/kg Körpergewicht. Bei einem Vergleich enteral ernährter Patienten mit einer Kontrollgruppe ohne Ernährungsintervention im Matched Design ergab sich ein signifikant unterschiedlicher Mittelwert der HPR zwischen beiden Gruppen unter den Männern (HPRnicht ernährt: 23,4 +/- 6,3 g/d, HPRernährt: 12,4 +/- 2,7; p=0,010). Schlussfolgerung: Die HPR spiegelt den endogenen Proteinabbau wieder, der überwiegend in der Muskulatur erfolgt. Die Tatsache, dass die HPR bei mangelernährten Männern und Frauen Unterschiede aufweist, offenbart unterschiedliche, geschlechtsspezifische metabolische Reaktionen auf katabole Zustände. Dieser Umstand war in der bisherigen Literatur nur lückenhaft beschrieben. Daher bedarf es weiterer Charakterisierung und Evaluation, inwieweit dieses bei der Diagnostik und Therapie einer Mangelernährung zu berücksichtigen ist.
Introduction: In catabolic situations, when energy supply is not sufficient, energy are derived from body stores. In the first place skeletal muscle mass is used. This results in a production of toxic ammoniac which is excreted as urea. Therefore urea production rate (UPR) has been suggested to be an excellent marker of the metabolic situation and the extent of catabolism. Malnutrition may result which is associated with increased morbidity and mortality. Data on UPR are rare and incomplete and derived mostly from elderly men. This study aims to investigate whether UPR is a valid marker of catabolic situations and to evaluate potential risk factors. Methods: 72 gastroenterological patients (39 men and 33 women) were studied. Malnutrition was assessed by the Subjective Global Assessment (SGA). UPR was used as a marker of protein catabolism. Muscle mass was also estimated using the creatine height index and anthropometric measurements such as upperarm circumference (OAU), arm muscle circumference (AMU) and arm muscle area (AMA). Body cell mass (BCM) was assessed by bioelectrical impedance analysis (BIA). Muscle function was assessed as hand grip strength with dynamometer (Jamar®) and peak flow (Vitalograph®). Results: Age was significantly different between men and women. (men: 61 +/- 14 and women 48 +/- 15 years, p=0,000). 62,5 % of the patients were classified malnourished (SGA B+C). Malnourished patients were not significantly different in regard to age or gender distribution. In the malnourished patients, UPR values differ significantly between men and women (UPRmen: 15,1 +/- 9,9 g/d vs. UPRwomen: 10,7 +/- 6,4 g/d, p=0,040). Only 28.6 % of the malnourished women exhibited an increased UPR. An association between gender and nutritional status according to SGA was observed (p=0,002). UPR was associated with the CHI independently from gender (in men: r=0,753, p=0,000; in women: r=0,657, p=0,001). An association was observed in women between UPR and BCM (r=0,531, p=0,002), as well as AMA (r=0,495, p=0,004). Comparing UPR with the muscle function tests, a positive correlation between the peak flow values and UPR (r=0,350, p=0,050) was seen in women whereas men tended to exhibit a negative correlation (r= -0,299, p=0,076). Hand grip strength correlated with UPR in men (r= -0,353, p=0,048). There was no association between UPR and protein intake as well as energy intake. Comparing patients with enteral nutrition and patients without nutritional assessment in matched design UPR values differ significantly in men (UPRnot nourished: 23,4 +/- 6,3 g/d, UPRnourished: 12,4 +/- 2,7; p=0,010). Conclusion: UPR reflects the endogenous protein degradation which occurs predominantly in the muscle. There are differences of the UPR between malnourished men and women which imply gender related metabolic reactions to catabolic stimuli. This has hitherto not been described adequately in the literature. It therefore requires further characterisation and evaluation whether the gender related differences should be taken into account in the diagnosis and therapy of malnutrition.