Die vorliegende, chronologisch aufgebaute Dissertation beschäftigt sich ausführlich mit der Theaterarbeit des Schauspielers, Dramaturgen, Regisseurs und späteren Intendanten Gustav Rudolf Sellner vor 1948. Über diesen Zeitabschnitt seiner Biographie war bisher wenig bekannt. Am Ende der Weimarer Republik sucht der Theatermann durch experimentelle Dramaturgie und Regie nach neuen Formen und Inhalten für die Bühne. Sellner inszeniert die bestehende Vielfalt des Theaters der Zeit und verkörpert damit den Pluralismusgedanken der Republik. Die detailgenaue Beschreibung seiner Anfänge als Schauspieler und seiner Tätigkeit als Dramaturg und Regisseur ist ein erstes Resultat dieser Arbeit. Des Weiteren liefert die Dissertation ein neues Bild über Sellner während der Zeit des Dritten Reiches und beschreibt ihn als begeisterten Förderer eines neuen nationalsozialistisch geprägten Theaters. Er arbeitet in Oldenburg an der Entwicklung eines Gegenmodells zu den Thingspielen Goebbelsscher Prägung mit. Das Prestige versprechende Theaterprojekt „De Stedinge“, das Sellner mit der Rosenbergfraktion in Verbindung bringt, wird ausführlich in meiner Arbeit besprochen. Auch Sellners Interesse und Mitwirken an der Entwicklung einer eigenen nationalsozialistischen Theaterästhetik ist Bestandteil dieser Arbeit. Dass Sellner während seiner Kriegsgefangenschaft künstlerisch tätig war, auch hier Theater inszenierte und bereits in dieser Zeit den Mythos der Nullstellensetzung bediente, blieb bislang in der Fachliteratur unreflektiert. Diesen Mangel habe ich in meiner Arbeit beseitigt. Aufgrund des fakten- und facettenreichen Blicks auf Sellners Leben und seine Theaterarbeit vor 1948 wäre nun auch eine neue Sicht auf seine künstlerische Tätigkeit in der Bundesrepublik möglich. Die Dissertation liefert durch zahlreiche bislang unreflektierte Quellen ein detailgenaues Bild über die ästhetische Entwicklung der Theaterarbeit Sellners und zeigt hierbei Brüche und Kontinuitäten auf. Gleichzeitig konnten damit Rückschlüsse auf die politische Beeinflussung in den jeweiligen gesellschaftlichen Systemen gezogen werden. Ein wichtiger Faktor auf dem Weg Gustav Rudolf Sellners ist dessen langjähriges Streben nach einer eigenen Intendanz. Dieses Ziel erreicht er erst in der Spielzeit 1940/41 am Stadttheater Göttingen. Als Vertreter eines eigenen Regiestils wurde Sellner erst nach 1948 durch sein „Instrumentales Theater“ bekannt. Immer wieder spricht der Theatermann von diesem Jahr als der Geburtsstunde dieses Bühnenstils. Die Dissertation zeigt, dass diese Ästhetik nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch in seiner Laufbahn vor 1948 entwickelt wurde. Die vorliegende Arbeit präsentiert ein genaues und umfangreiches Bild über Gustav Rudolf Sellners Theaterarbeit vor 1948. Hierbei war es mir besonders wichtig zu klären in welchen kulturellen und politischen Kontexten sich die künstlerische Arbeit Sellners entwickelte und durch welche historischen Besonderheiten sie gekennzeichnet war. Es ist ein Verdienst dieser Arbeit, dass sie zukünftigen Forschungen eine solide Grundlage für die Erörterung von Detailproblemen, Vergleiche mit anderen Regisseuren oder kulturgeschichtliche Untersuchungen geschaffen hat.
The present dissertation chronologically displays the work of the actor, dramaturge, and later artistic director Gustav Rudolf Sellner in the years up to 1948 as hardly any details have been established until now about this part of his biography. At the end of the Weimar Republic, Sellner strove for new stage forms and subjects by way of experimental dramaturgy and stage direction. He stages the diversity of theatre at the time and thus embodies republican pluralism. The detailed description of his first attempts at acting and his work as dramaturge and director is only one of the results of this dissertation. Furthermore, it provides a new image of Sellner in the Third Reich and describes him as an enthusiastic patron of a new theatre that is characterized by National Socialism. In Oldenburg, Germany, he contributes to an alternative model to thing plays pursuant to Goebbels’ conception. The promising theatre project “De Stedinge” associating Sellner to the Rosenbergfraktion and meant to carry prestige for him, is a point of thorough discussion in this work. The interest and cooperation brought forward by Sellner to the development of distinct National Socialist theatrical aesthetics is also a part of this dissertation. The fact that Sellner was artistically active, directing plays and already serving the myth of redefinition while prisoner of war, has not yet been duly reflected in the relevant literature. To remedy this shortcoming was one of my objectives. The multi-faceted and well-documented considerations on Sellner’s life and his theatre work before 1948 would allow for a new perspective on his artistic activity in the Federal Republic of Germany. Numerous hitherto unconsidered sources enable this dissertation to provide a detailed image of the aesthetic development of Sellner’s theatre activities and illustrate disruptions and continuities. Simultaneously, this work facilitates conclusions about the political impact on the respective social systems. A vital factor on Gustav Rudolf Sellner’s life path was the protracted aspiration for his own directorship. An objective he was to achieve only in the season of 1940/41 at the Göttingen local theatre. In the years following 1948, Sellner gained recognition through his “Instrumental Theatre”. He considered this period as the birth of this theatre style. This dissertation demonstrates that this aesthetic approach was conceived not only theoretically but also practically in his career prior to 1948. The present work thoroughly and comprehensively portrays Gustav Rudolf Sellner’s theatrical work prior to 1948. To clarify the cultural and political context in which Sellner developed his artistic work as well as the historical particularities shaping it was one of my key objectives. Future research will benefit from this dissertation as a solid basis for the analysis of detail issues, comparisons with other directors or investigations of cultural and historical aspects. (Übersetzung Julia Wenzel)