Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer vertritt seit geraumer Zeit den Standpunkt, in eine Unternehmensbewertung sei grundsätzlich die Einkommensteuerbelastung eventueller Anteilseigner eines Unternehmens einzubeziehen. Dies führt, wie von einigen Autoren hervorgehoben wurde, dann zu praktischen Schwierigkeiten, wenn das Unternehmen starkem Wachstum unterliegt. Nach der Gordon-Shapiro-Formel ergibt sich der Unternehmenswert zu [FORMEL] wobei CF den Cash-flow der ersten Phase, r die Kapitalkosten und g die Wachstumsrate der Cash-flows bezeichne. Ist die Wachstumsrate verschieden von null, so ziehen bereits kleine Änderungen des Steuersatzes sehr heftige Variationen des Unternehmenswerts nach sich. Die Ermittlung des Steuersatzes ist beispielsweise in Unternehmen mit Streubesitz praktisch unmöglich - da der Steuersatz aber maßgeblichen Einfluss auf den Unternehmenswert hat, steht der Bewerter so vor einer unlösbaren Aufgabe. Laitenberger und Ollmann/Richter haben unabhängig voneinander einen Lösungsweg aus diesem Dilemma gewiesen [2]. Die Autoren weisen darauf hin, dass im deutschen Einkommensteuerrecht Kursgewinne steuerfrei bleiben (wenn die Haltefrist größer als die Spekulationsfrist von einem Jahr ist), während Dividenden der Besteuerung unterliegen. Daher, so die genannten Autoren weiter in ihrer Argumentation, müsse der Nenner statt des Termes r(1-s) vielmehr die Summe aus (unversteuerten) Kursgewinnrendite k und (versteuerten) Dividendenrendite d enthalten. Da man mit einfachen Methoden zeigen kann, dass Kursgewinnrendite und Wachstumsrate identisch sind, folgt damit die modifizierte Gordon-Shapiro- Formel [FORMEL] und diese Größe ist vom Steuersatz gänzlich unabhängig. Diese Idee ist verblüffend einfach und scheint einen eleganten Weg aus dem Dilemma eines vom Einkommensteuersatz stark abhängigen Unternehmenswerts zu liefern. Bei genauerem Nachdenken aber kann das Argument nicht überzeugen. Wenn Laitenberger und Ollmann/Richter von Kursgewinnen sprechen, so kann es sich ausschließlich um nicht realisierte Kursgewinne handeln. Der Eigentümer bezieht ja bis in alle Ewigkeit den Cash-flow aus dem Unternehmen, und dies setzt notwendigerweise voraus, dass er die Anteile nicht verkauft hat. Nicht realisierte Kursgewinne wiederum unterliegen nicht nur nicht in Deutschland, sondern nirgendwo einer Einkommensteuer, da bei Einkünften aus Kapitalvermögen typischerweise das Zuflussprinzip gilt. Die von Laitenberger und Ollmann/Richter geforderte Anpassung der Gordon-Shapiro-Formel gelte also nicht nur für das deutsche, sondern beispielsweise auch für das amerikanische Steuerrecht und demzufolge auch für amerikanische Unternehmen mit amerikanischen Anteilseignern. An dieser Stelle nun müssen wir uns fragen, warum die Gordon-Shapiro-Formel, trotz scheinbarer Fehlerhaftigkeit, bis heute in der angloamerikanischen Literatur zur Unternehmensbewertung zu finden ist. Haben deren Entdecker diese Erkenntnis übersehen? Ziel dieser Note ist die Vermittlung der folgenden Erkenntnis. Die Modifikation der Gordon-Shapiro- Formel folgt nicht aus der fehlenden Besteuerung von Kursgewinnen. Sie ist vielmehr anzuwenden bei einer Einkommensteuer, bei der entweder die Cash-flows eine Überschusseinkunft darstellen (sie also etwa Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen) oder die Cash-flows eine Gewinneinkunft darstellen (sie also beispielsweise Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit sind) und sich gleichzeitig der Buchwert der Unternehmung nicht ändert. Ändert sich dagegen der Buchwert der Unternehmung (weil etwa Buchwert und Marktwert gleich sind) und erhält der Anteilseigner Einkünfte, deren Höhe sich nach dem Prinzip einer Gewinnermittlung bestimmt, dann hat man mit der klassischen Gordon-Shapiro- Formel zu rechnen. Entscheidend für die Modifikation sind also die Höhe der zukünftigen Buchwerte des Unternehmens und die Antwort auf die Frage, welcher Einkunftsart die Cash-flows sind.