Seit der Jahrhundertwende begannen sich in Deutschland immer mehr Kunsthändler für junge zeitgenössische Künstler und deren Werk einzusetzen. Sie haben das heutige Bild vom Kunsthändler als "Kunstvermittler aus Überzeugung" geprägt. Diesen neuen Typus von Kunsthändler zeichnete aus, daß er sich neben dem reinen Verkaufsgeschäft auch als Verleger, Publizist und Mäzen für die von ihm vertretenen zeitgenössischen Künstler einsetzte und durch deren intensive Förderung die Geschichte der Kunst aktiv mitgestaltete. Dazu gehörten von 1920 bis 1939 die Gebrüder Nierendorf, die die Berliner und New Yorker Kunsthandelsszene entscheidend mitprägten. Den Weg der Nierendorfs setzten nach dem Krieg Florian und Inge Karsch in der Galerie Nierendorf fort, indem sie die Künstler des alten Galerieprogramms dem drohenden Vergessen entrissen. Die Galerie Nierendorf ist heute mit 83 Jahren die älteste und ohne Frage bedeutendste Galerie Berlins auf den Gebieten des deutschen Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehen Karl Nierendorfs Engagement für seine Künstler und sein Verdienst bei der Verbreitung der Deutschen Moderne im Heimatland und in Amerika. Beleuchtet werden sein Verhältnis zu Künstlern, Kollegen und seinem Bruder und Geschäftspartner Josef Nierendorf sowie seine Handlungsmotivation und wichtigsten Charaktereigenschaften. Am Beispiel der Gebrüder Nierendorf wird der Einfluß des modernen Kunsthändlers auf die Durchsetzung und Etablierung einzelner Künstler und ganzer Kunstströmungen aufgezeigt und die Bedeutung des Kunsthandels für die Entwicklung der Kunstgeschichte nachgewiesen. Zu diesem Zweck werden im chronologischen Ablauf ausgewählte thematische Schwerpunkte zu den bestimmenden Persönlichkeiten und Ereignissen der Galeriegeschichte mit den vielschichtigen Entwicklungen und Bedingungen der Kunst- und Zeitgeschichte verbunden. Neben der Hauptfrage, wie groß der Einfluß von Kunsthändlern auf die Entwicklung der Kunst war, drängten sich zahlreiche andere Fragen dieser Untersuchung auf: Aus welchen Gründen entschied sich Karl Nierendorf Kunsthändler zu werden? Wie förderten die Nierendorfs ihre Künstler und wie groß war ihr Anteil an deren Durchsetzung? Was waren Karl und Josefs Antrieb und Ziele? Was ließ sie durchhalten, trotz anhaltender Probleme? Was unterschied die Nierendorfs von anderen Kunsthändlern ihrer Zeit, wo lagen die Gemeinsamkeiten und wie sah die Zusammenarbeit untereinander aus? Inwiefern wirkten politische und wirtschaftliche Ereignisse der Zeitgeschichte auf die Tätigkeit der Nierendorfs in Deutschland und Amerika ein? Wie kam es zur Neueröffnung der Galerie Nierendorf durch das Ehepaar Karsch? Wo liegen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Kunstförderung der Karschs im Vergleich zu den Nierendorfs? Diesen Fragen wird aus verschiedenen Blickwinkeln in dieser Arbeit nachgegangen.
The story of the Nierendorf Gallery and the Nierendorf brothers exemplify the extremely important, however, often underestimated influence of modern art dealers on the development of single artists, whole art movements and thus of modern art history itself.