In der vorliegenden Arbeit wurde die Ladungsträgerkinetik von kristallinem Silizium, das n bzw. pdotiert und mit einer Siliziumnitrid bzw. Siliziumdioxidschicht passiviert war, untersucht. Mit Mikrowellen konnte, zeit und frequenzaufgelöst, die Photoleitfähigkeit kontaktlos gemessen werden.
Zur Interpretation der Messungen wurde ein Simulationsprogramm entwickelt, das die PoissonGleichung, die Kontinuitäts und die Stromgleichungen für Elektronen und Löcher mit der Methode der finiten Differenzen für den kontaktlosen und zeitabhängigen Fall löst. Dabei wurde bei der Formulierung der Randbedingungen das Konzept der Oberflächenrekombinationsgeschwindigkeit umgangen, um eine mikroskopische Beschreibung der Rekombinationsprozesse an der Oberfläche zu ermöglichen.
Bei ndotiertem Silizium wurden experimentell die effektive und die differentielle Lebensdauer bestimmt. Aus der differentiellen Lebensdauer konnte mit einer Integration die echte Lebensdauer ermittelt werden. Die Bedeutung dieser drei Lebensdauern wurde erläutert und die Injektionsabhängigkeit der echten Lebensdauer mit dem Simulationsprogramm erklärt. Dabei zeigte es sich, daß die anfängliche Zunahme der echten Lebensdauer mit wachsender Injektion auf einen Volumeneffekt zurückzuführen ist: Die Volumenlebensdauer nimmt zu. Die spätere Abnahme der echten Lebensdauer ist durch einen Oberflächeneffekt zu erklären: Durch das Anwachsen der Photospannung nimmt die Oberflächenrekombinationsrate supralinear mit der Lichtintensität zu. Da sich die Einflüsse des Volumens und der Oberfläche überlagern, ergibt sich ein Maximum für die echte Lebensdauer.
Bei pdotiertem Silizium konnte mit der frequenzaufgelösten Messung eine ausgeprägte nichtlineare (differentielle) Photoleitfähigkeit festgestellt werden. Mit dem Simulationsprogramm wurde demonstriert, daß es sich dabei um einen Oberflächeneffekt handelt, bei dem die Photoleitfähigkeit (bei kleinen Intensitäten) durch die Überschußladungsträgerkonzentration der Löcher in der Raumladungszone bestimmt wird. In einer solchen Situation ist das Konzept der Oberflächenrekombinationsgeschwindigkeit nicht anwendbar, da sich die Überschußladungsträger nahezu vollständig in der Raumladungszone befinden. Bei kleinen Intensitäten ist die Anzahl der Überschußladungsträger von Löchern und Elektronen nicht gleich groß. Deren Differenz resultiert aus einer Zunahme der getrapten Elektronendichte an der Oberfläche. Die zeitaufgelöste Messung führte zu dem Ergebnis, daß die effektive Lebensdauer, die sich aus dem Abklingen der Photoleitfähigkeit nach einer gepulsten Lichtanregung ergibt, in niedrigen Injektionsbereichen größer als die Volumenlebensdauer sein kann. Dabei handelt es sich wieder um den gleichen Oberflächeneffekt, bei dem die Photoleitfähigkeit durch überschüssige Löcher in der Raumladungszone bestimmt wird. Das Abklingen der Photoleitfähigkeit ist im Millisekundenbereich durch die thermische Emission der überschüssigen Löcher über die energetische Barriere an der Oberfläche und die anschließende Rekombination bestimmt. Daß die effektive Lebensdauer die Volumenlebensdauer überschreiten kann, wurde bisher nicht für möglich gehalten.
Der Übergang Isolator/Silizium wurde mit Mikrowellen bezüglich der optoelektronischen Eigenschaften kontaktlos charakterisiert. Mit den hier eingesetzten Meßmethoden ist eine Optimierung dieses Übergangs in Hinblick auf die Anwendung in Bauelementen möglich. Weiterführende Untersuchungen können auf Halbleiter/HalbleiterÜbergänge ausgedehnt werden.