Die Geschichte der monströsen Völkerschaften ist eine Geschichte zivilisatorischer Ängste. In der Fremdartigkeit der Wundervölker spiegeln sich eigene, überwundene oder verworfene Kult- und Sozialpraktiken. Die geographische Distanz ist zugleich Signum des kulturellen Abstands. Dämonisch erscheinen die monströsen Völkerschaften nicht nur aufgrund ihrer Mißbildung und/oder ihrer abnormen (Kult-)Praktiken: Im Unterschied zur einzelnen monströsen Abweichung verkörpert die kollektive (ethnospezifische) Anomalie eine fremdartige Gegenwelt, welche die eigenen kulturellen und epistemologischen Normen auf bedrohliche Weise in Frage stellt. In der griechischen und römischen Antike dient die Barbarisierung der Wundervölker als Argument für den eigenen kulturellen Führungsanspruch. Durch die christliche Heilsgeschichte erfahren die monströsen Völker eine entscheidende Dynamisierung. Indem sich die tradierten Vorstellungen ihrer Existenz mit alt- und neutestamentlichen Prophetien verbinden, erhalten sie eine neue, apokalyptische Bedeutung: Sie werden die letzten sein, welche die Botschaft Christi erreicht, damit aber hat sich der Missionsauftrag erfüllt, und die Herrschaft des Antichrist wird anbrechen (Mt 24,14). Mit dem Mongolensturm gewinnt diese eschatologische Konzeption brisante Aktualität. Unterschiedliche Versuche der Angstbewältigung werden erkennbar, denen anhand von Text- und Bildquellen nachgegangen wird. Im Zentrum der Arbeit stehen Berichte von Missionaren und Reisenden in den Fernen Osten (Pian del Carpine, Wilhelm von Rubruk, Marco Polo, Odorich von Pordenone), die ihre Fremderfahrungen mit den tradierten Vorstellungen in Übereinstimmung zu bringen versuchen.
The history of the monstrous races tells about civilizing fears. The strangeness of the marvels of the East reflects subdued and rejected cult and social practices. The geographical distance of the monstrous races is also a cultural distance. The monstrous races are apparently not only seen as demonic because of their physical deformations and/or their abnormal cult practices: in contrast to the individual physical deformation, the collective (ethnospecific) anomaly embodies a strange counterworld that menacingly questions our own cultural and epistemological norms. The barbarisation of the monstrous races serves as an argument for the pretension of leadership in Roman and Greek Antiquity. Combining prophecies of the Old and New Testament, the Christian history of Salvation explains the existence of monstrous races, even dynamizes them and gives them a new, apocalyptic dimension: they will be the last people reached by the Christian message; when this takes place, the missionary charge will be fulfilled and the dominion of the Antichrist will begin (Mt 24: 14). With the Mongolian assault this eschatological concept becomes explosive. By analysing various contemporary texts and illustrations, different attempts to deal with this anxiety will be shown. The thesis focuses mainly on the late-medieval reports of missionaries and travellers going to the Far East (Pian del Carpine, Wilhelm Rubruk, Marco Polo, Odoric Pordenone), who tried to harmonise their own experiences with the handed down concepts.