dc.contributor.author
Gerhards, Jürgen
dc.date.accessioned
2018-06-08T07:58:12Z
dc.date.available
2010-06-16
dc.identifier.uri
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/19089
dc.identifier.uri
http://dx.doi.org/10.17169/refubium-22760
dc.description.abstract
Der europäische Integrationsprozess lässt sich als ein Prozess der Verlagerung
von Souveränitätsrechten von den Nationalstaaten auf die Institutionen der
Europäischen Union interpretieren. Die heutige Europäische Union startete mit
der Festlegung einer gemeinsamen Verwaltung für die Kohle- und Stahlindustrie.
Schritt für Schritt wurden andere Bereiche in den Prozess der Vertiefung
einbezogen: Eine Zollunion wurde gegründet, ein gemeinsamer Binnenmarkt und
eine Wirtschafts- und Währungsunion wurden gebildet, und schließlich wurde für
eine Teilgruppe der EU-Länder eine gemeinsame Währung eingeführt. Der Prozess
der zunehmenden europäischen Integration lässt sich aber nicht nur als ein
Prozess der Zunahme europäischer Regelungen und der Ausbildung eines
eigenständigen europäischen Institutionensystems beschreiben, sondern auch als
ein Prozess der Etablierung einer europäischen Werteordnung. Die Union ist
auch ein politischer Werteunternehmer, der mit seinen Politiken in die
Werteordnungen seiner Mitgliedsländer eingreift. Sie verfügt über ein Skript
einer europäischen Gesellschaft und versucht, mit ihren Politiken ihre
Vorstellungen einer europäischen Gesellschaft zu realisieren. Dabei hat die EU
zum Teil sehr dezidierte Vorstellungen darüber, wie eine Familie, die
Ökonomie, der Wohlfahrtsstaat oder eine Zivilgesellschaft idealiter aussehen
soll. Wir haben an anderer Stelle mithilfe einer Analyse des Primär- und
Sekundärrechts der EU zu zeigen versucht, welche Werteordnung – differenziert
nach Wertsphären – die EU präferiert (vgl. Gerhards/Hölscher 2005). Wir
knüpfen in der folgenden Untersuchung an diese Analysen an, konzentrieren uns
hier auf das Gleichheitsskript der Europäischen Union und gehen dabei
folgenden drei – miteinander verknüpften – Fragen nach. 1\. In einem ersten
Schritt beschreiben wir mit Rekurs auf das EU-Recht und die EU- Politiken, wie
die Europäischen Union die Idee einer allein binnennationalen Gleichheit
transnationalisiert und ersetzt hat durch die Idee einer Gleichheit aller
Bürger Europas. Ein Blick in die Vertragsentwicklungen wird zeigen, dass die
Union Schritt für Schritt das Prinzip der Gleichheit aller Unionsbürger auf
unterschiedliche Politikfelder ausgedehnt und damit die Legitimität
nationalstaatlicher Schließung und von nationalen Sonderregelungen
durchbrochen hat. Dies gilt vor allem für den Bereich der Wirtschaft und die
Herstellung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes. 2\. Manche Autoren
gehen davon aus, dass sich mit einer Europäisierung der Politikfelder und
einer Strukturierung eines europäischen gesellschaftlichen Raumes auch die
Wahrnehmungen der Bürger verändern, so dass man von einer Europäisierung von
Einstellungen und Werteorientierungen sprechen kann. Ulrich Beck und Edgar
Grande haben jüngst die These formuliert: »Im Anschluss daran soll hier die
These entwickelt werden, dass sich die bisherigen Verzerrungen in der
Wahrnehmung sozialer Ungleichheiten – das heißt die Herstellung und
Aufrechterhaltung der Unvergleichbarkeit von gleichen Ungleichheiten zwischen
und über nationale Grenzen hinweg – im Zuge der grenzverändernden
Grenzenpolitik der Europäisierung auflösen.« (Beck/Grande 2004: 266) Ob dies
wirklich der Fall ist, wollen wir für den Bereich der Gleichheit auf dem
Arbeitsmarkt prüfen. In welchem Maße unterstützen die Bürger die Vorstellung,
dass ausländische Bürger auf dem Arbeitsmarkt die gleichen
Zugangsmöglichkeiten und Rechte genießen wie die eigenen Bürger, oder
umgekehrt formuliert: In welchem Maße gehen die Bürger davon aus, dass
Inländer gegenüber europäischen Ausländern einen bevorzugten Zugang zu
Arbeitsplätzen haben sollen? Unterstützen die EU-Bürger das Skript der EU-
Institutionen von einer Gleichheit der Arbeitskräfte oder favorisieren sie ein
Ungleichheitskonzept, das zwischen Inländern und Ausländern unterscheidet?
Wird die institutionelle Europäisierung also durch eine mentalitätsmäßige
Europäisierung (Heidenreich in diesem Band) unterstützt? Die Frage nach einer
Unterstützung des EU-Skripts durch die Bürger ist für die Legitimität der
Politiken der EU nicht unerheblich, wie die Ablehnung der europäischen
Verfassung in den Mitgliedsländern Frankreich und den Niederlanden gerade
gezeigt haben. Demokratien sind strukturell auf die Unterstützung ihrer Bürger
angewiesen. Bleibt diese aus, kann es zu Legitimitätsproblemen der
Institutionen selbst kommen. 3\. Die deskriptiven Befunde werden zeigen, dass
das Gleichheitsskript der EU bei den Bürgern Europas keine mehrheitliche
Unterstützung findet, wobei es erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern
gibt. Neben einer Deskription gehen wir in einem dritten Schritt der Frage
nach, wie man die gefundenen Unterschiede zwischen den Ländern erklären kann.
Dazu formulieren wir zuerst Hypothesen, die wir mit Hilfe einer multivariaten
Analyse überprüfen werden. In einem abschließenden Kapitel gehen wir auf
mögliche politische Implikationen der Befunde ein. Die empirische Grundlage
unserer Rekonstruktion der Werteorientierung der Bürger bilden
Sekundäranalysen von repräsentativen Bevölkerungsbefragungen, die in den
Mitglieds- und Beitrittsländern durchgeführt und in denen die Bürger nach
Werteeinstellungen gefragt wurden.
de
dc.relation.ispartofseries
urn:nbn:de:kobv:188-fudocsseries000000000050-8
dc.rights.uri
http://www.fu-berlin.de/sites/refubium/rechtliches/Nutzungsbedingungen
dc.subject.ddc
100 Philosophie und Psychologie::170 Ethik::177 Ethik sozialer Beziehungen
dc.subject.ddc
300 Sozialwissenschaften::320 Politikwissenschaft::327 Internationale Beziehungen
dc.title
Europäische versus nationale Gleichheit
dcterms.bibliographicCitation
Martin Heidenreich (Hrsg.): Die Europäisierung sozialer Ungleichheit : zur
transnationalen Klassen‐ und Sozialstrukturanalyse. Frankfurt am Main :
Campus, 2006, S. 253‐278
dcterms.bibliographicCitation.url
https://www.polsoz.fu-berlin.de/soziologie/arbeitsbereiche/seniorprofessur/arbeitspapiere/bsse_02.html
refubium.affiliation
Politik- und Sozialwissenschaften
de
refubium.affiliation.other
Institut für Soziologie
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refubium.series.issueNumber
2
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Berliner Studien zur Soziologie Europas
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open access