Die zu untersuchenden Formen der Interaktion zwischen räumlichen Vorstellungen und nicht-räumlichen Begriffen im Kontext der platonischen Dialoge sind in verschiedenen Arten der komplexen Wechselwirkung erkennbar. In mythisch- literarischen Entwürfen von Räumen können im Medium der bildlichen Phantasie die Grenzen des Wirklichen hin zum Märchenhaft-Phantastischen überschritten werden. Diese phantastischen und mythischen Räume und Orte können dann in einem zweiten Schritt auf die Wahrnehmung realer Räume und des Kosmos selbst zurückwirken. In philosophischen Theorien lassen sich wesentlich nicht- bildliche Sachverhalte wie die menschliche Seele und ihre Unsterblichkeit oder auch genuine Intelligibilia wie begriffliche Prinzipien und Gottesvorstellungen zur leichteren Vermittlung durch räumliche Elemente in anschaulichen Kontexten und Instanzen darstellen und dadurch dem anschaulichen Denken nahebringen. In allen diesen und weiteren Fällen findet eine substantielle Wechselwirkung zwischen einer imaginierten räumlichen Ordnung von etwas, das die Dimension des Wahrnehmbaren überschreitet, und Vorstellungen über die Raumordnung des Wahrnehmbaren und der realen gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit statt. Die Gruppe analysiert die vielschichtige Komplexität solcher Wirkungsverhältnisse an exemplarischen Instanzen des griechischen Mythos, der Psychologie, der Kosmologie sowie allgemein der Naturwissenschaft. Sofern die Dialoge Platons der Ausgangs- und Angelpunkt sind, stellt sich immer die Frage, in welcher Weise die räumliche Dimension der dialogischen Szenerie in Wechselwirkung mit der philosophisch erschlossenen Sache oder dem Gegenstand der Gespräche steht. Aus diesem Erkenntnisinteresse heraus ergibt sich zwingend, dass die Gruppe eine Vielzahl an methodischen Zugängen und perspektivischen Ausrichtungen wählen und kombinieren muss. Dazu gehören neben der philologischen, texterschließenden Methode und der philologischen Quellen- und Referenzsuche auch sozialwissenschaftliche Fragestellungen zum realen Kontext, in dem die platonischen Dialoge bzw. ihre Quellen und Rezeptionsinstanzen gedacht werden müssen, und nicht zuletzt auch genuin philosophische Horizonte. Denn in den Dialogen Platons wird das Verhältnis von räumlicher Bildlichkeit und nicht- räumlicher Begrifflichkeit nicht nur mit den Mitteln des Logos und Mythos verwirklicht, sondern es ist auch selbst expliziter Gegenstand der philosophischen Gespräche. Eine Reflexion darauf, wie bei Platon, seinen Vorgängern und späteren Rezipienten das Verhältnis und die Funktionsbestimmung von Ratio, d. h. begrifflichem Denken, einerseits und bildlicher Vorstellung und ihrer lebenswirklichen Grundlage in der Wahrnehmung andererseits gedacht werden, ist für die Verwirklichung des Arbeitsprogramms der Gruppe daher unverzichtbar.