Gegenstand der Studie ist Sebastian Franck (1499-1542), der heute als einer der wichtigsten und besonders originären Theologen der "radikalen Reformation" bzw. des "linken Flügels der Reformation" angesehen wird. Sebastian Francks radikalreformatorische Theologie wird als Spiritualismus, protestantische oder heterodoxe Mystik oder als Form des Panentheismus bezeichnet. Die Hauptfrage der Studie lautet: Was ist die gesellschaftliche Bedeutung der spiritualistischen, mystischen Theologie Francks zur Zeit der Reformation? Die Studie ist von einem sozialwissenschaftlichen Standpunkt her geschrieben. Untersucht werden die Biographie und Werke Francks bis 1531 und deren Zusammenhang mit der Reformationsgeschichte. Einen Schwerpunkt bildet die Analyse der beiden ersten Werke seiner spiritualistischen Theologie, der "Türkenchronik" von 1530 und seines ersten, umfangreichen Hauptwerks, der "Geschichtsbibel" von 1531. Was sind, wird gefragt, die genauen Inhalte der Theologie des Spiritualismus? Den zweiten Schwerpunkt bildet eine genaue Analyse der Entwicklungen und Ereignisse der Reformationsgeschichte, die der Entstehung des Spiritualismus Francks und seiner Abkehr vom Luthertum zeitlich unmittelbar vorausgehen. Die historische Analyse ist stark empirisch orientiert. Die theologisch- inhaltliche Analyse stützt sich intensiv auf die Quellen. Durch diese empirische Konzeption und die Verbindung beider Analysen werden die gesellschaftliche Genese und Bedeutung des Spiritualismus deutlicher sichtbar als in der bisherigen Franck-Forschung. Die Studie kommt zu einer Reihe neuer wissenschaftlicher Ergebnisse. Es sind drei Entwicklungen in der Zeit von 1525 bis 1529, auf die Franck mit seinem Spiritualismus reagierte: A) die (lutherische) Täuferverfolgung seit 1526/27. B) die lutherische Konfessionalisierung von 1525 bis 1529, die seit 1525 den Zwinglianismus häretisierte. C) die autoritäre, herrschaftliche Kirchenrestauration, die in den lutherischen Kirchenvisitationen 1528/29 durchgesetzt wurde. Es ist die lutherische "Predigt des Gesetzes", die Francks erste Frühschriften kennzeichnet, nicht aber täuferische Gesinnung. Die Verkehrung von Religion als Lehre vom höchsten Guten in religiöse Intoleranz und Gewalt ist eine Hauptproblematik in Francks Spiritualismus. Der Zusammenhang von Religion und gesellschaftlichem Interesse erklärt für Franck die Entstehung religiöser Gewalt. An der sozialen Figur des "Ketzers" wird dieser Zusammenhang deutlich. Franck deutet die Trinität emanatistisch. Er löst die Geltung der Bibel nicht auf, er betont nur, dass wahrhafter Glaube der geschichtlichen und sozialen Erfahrung bedarf, da sie sonst zum "tötenden Buchstaben" wird. Wegen der religiösen Intoleranz der reformatorischen Kirchen verwirft Franck die Reformation als "Schein" des Evangeliums und falsches Versprechen.
Object of investigation of this study is Sebastian Franck (1499-1542) who is today seen as one of the most important theologians of the "radical Reformation", resp. the "left wing of the Reformation". Francks theology is designated as Spiritualism, evangelic or heterodox mysticism and as a form of philosophical pan(en)theism. The head question of the study reads: What is the social meaning of the mystical theology Franck's at the time of the Reformation in Germany? The study follows a socioscientific approach. The biography and works Sebastian Franck's until 1531 and its relations with the history of Reformation are examined. One focal point is the analysis of both first works of Franck's theology of Spiritualism, the "Tuerkenchronik" of 1530 and his first, extensive main work, the "Geschichtsbibel" of 1531. What are, is asked, the exact contents of the theology of Spiritualism? The other focal point is the analysis of the events and developments of the history of Reformation, which temporally directly precede the formation and emergence of Franck's Spiritualism and his turning away from Lutheranism before. The historic analysis is oriented strongly empirically. The contents analysis of the theology relies intensively on the sources. Through this empirical concept and the connection of both analysis the social genesis and meaning of Franck's Spiritualism and mysticism become recovered more clearly as in the previous Franck-research. The study yields a bundle of new scientific results and insights into the structure and argumentation of Spiritualism, its social and historical reasons and Franck's sharpe criticism of religions, of the Reformation and religious intolerance. Francks theology reflects the internal reasons of religious domination and intolerance and its parallel in the feudal political domination. The social corruption of religion and inversion of religion into the contrary of its own declarations of the Good is the major and general problem of all religions Franck's theology of Spiritualism points out.