Auf der Basis einer Interpretation von Gesetzestexten und öffentlichen Verlautbarungen rekonstruieren wir in einem ersten Schritt die Vorstellungen der Europäischen Union von einer globalisierten Wirtschaft. Die EU verfolgt mit ihren Wirtschaftsvorstellungen und deren Implementierung durch konkrete Politiken das Ziel, Wachstum, Fortschritt und Prosperität für alle Bürger der Mitgliedsländer und für alle Weltbürger zu erzeugen. Dieses Ziel sieht die EU am besten erreichbar, wenn Wettbewerb und die Öffnung von Märkten institutionalisiert werden. Dabei transportiert sie ihre Vorstellungen und Erfahrungen, die im Kontext der Herstellung eines europäischen Wirtschaftsraumes entwickelt wurden auf die Weltgesellschaft insgesamt. Ob diese Sichtweise von den Bürgerinnen und Bürgern der EU geteilt wird, haben wir im zweiten Schritt auf der Grundlage einer Auswertung des Eurobarometers für 15 Länder der EU geprüft. Das Ergebnis ist überraschend: 63 % der befragten EU-Bürger unterstützen die Entwicklung einer ökonomischen Globalisierung durch Marktliberalisierung. Bis auf Griechenland gibt es in allen Ländern eine Mehrheit von Personen, die dem Prozess der Globalisierung positiv gegenüber eingestellt sind. Zugleich fallen die Unterstützungsraten zwischen den Ländern und innerhalb der Länder recht unterschiedlich aus. Zur Erklärung dieser Unterschiede sind wir von der Annahme ausgegangen, dass diejenigen, die durch Globalisierungsprozesse benachteiligt werden, sich eher gegen den Globalisierungsprozess aussprechen als diejenigen, für die dies nicht gilt. „Benachteiligung“ kann sich in drei Dimensionen manifestieren: in der subjektiven Interpretation von positiven und negativen Folgen von Globalisierungsprozessen, in den Nachteilen, die sich aus der objektiven sozialstrukturellen Lage des Individuums ergeben und aus den Nachteilen, die aus der ökonomischen Situation des Landes resultieren. Auch unsere Kausalanalyse kann mit einem überraschenden Befund aufwarten. Zwar können die Einstellungen der Bürger zur Globalisierung recht gut erklärt werden, allerdings spielen die für Soziologen im Zentrum stehenden Variablen dabei fast keine Rolle. Weder die makroökonomische Situation des Landes, noch die sozialstrukturelle Lage des Interviewten haben einen nennenswerten Effekt auf deren Globalisierungseinstellungen. Die Haltung zur Globalisierung wird fast ausschließlich bestimmt durch den subjektiv definierten Globalisierungsnutzen; dieser ist selbst nicht mehr rückgekoppelt an die objektive Lage des Individuums oder des Landes, in dem das Individuum lebt.