Das vorliegende Research Paper beschäftigt sich mit der Frage nach der akzeptabelsten Konzeption einer Metrik und Verteilungsregel für die gerechtigkeitstheoretische Inklusion von Menschen mit physischen und geistig- psychischen Einschränkungen auf der Grundlage eines angemessenen wissenschaftlichen Modells von Behinderung. Es wird argumentiert, dass ein Modell mit interaktionistischen Grundzügen, das die konstitutive Rolle sowohl individueller Zustände (‚Schädigungen‘) als auch befähigender und behindernder Kontexte betont, das komplexe Phänomen Behinderung am besten widerspiegelt. Ausgehend von einer Kritik an John Rawls Ansatz „Gerechtigkeit als Fairness“, den ‚glücksegalitaristischen Positionen‘ von Ronald Dworkin und Richard Arneson und den Capability-Ansätzen von Amartya Sen und Martha Nussbaum wird konstatiert, dass eine normativ sparsame Variante der Capability-Metrik mit einer Suffizienzregel der Verteilung – wie sie Elizabeth Andersons Ansatz „Demokratischer Gleichheit“ darstellt – die momentan akzeptabelste Grundlage für die gerechtigkeitstheoretische Berücksichtigung von Behinderung darstellt.
Weniger anzeigenDie Theorie Louis Althussers, seit je her politisch wie theoretisch äußerst umstritten, verschwand in der Folge des von Althusser im Jahre 1980 begangenen Mordes an seiner Frau Hélène von der Bildfläche. Darüber geriet in Vergessenheit, dass Althusser den für die jüngere Theoriegeschichte entscheidenden Übergang von einem marxistischen zu einem post-marxistischen bzw. postmodernen Paradigma markiert. Dieser Wendepunkt findet seinen wohl klarsten Ausdruck in der von Althusser in ‚Ideologie und ideologische Staatsapparate‘ betriebenen Einführung der Kategorie des Subjekts als im Zeichen der Herrschaft produziertes. Der vorliegende Beitrag untersucht die theoretische Qualität und die ideengeschichtlichen Grundlagen des sich in diesem Text vollziehenden Paradigmenwechsels und bietet dabei eine grundlegende Reinterpretation von Althussers Thesen. Der methodische Ausgangspunkt hierfür ist (1.) die in den letzten Jahren erfolgte Veröffentlichung des umfangreichen Nachlasses sowie die beginnende Verwandlung des Themenkomplexes Althusser in historisches Material. Darauf aufbauend wird ein bis heute nahezu unbekannter Aspekt der Arbeit Althussers ins Zentrum gerückt: Dessen intensive Auseinandersetzung mit der politischen Philosophie der Frühen Neuzeit, besonders mit der Lehre vom Gesellschaftsvertrag. Vor diesem Hintergrund wird (2.) eine Reinterpretation von ‚Ideologie und ideologische Staatsapparate‘ durch Althussers eigene umfangreiche ideengeschichtliche Studien vorgenommen. Es wird gezeigt, dass für Althusser die Lehre vom Gesellschaftsvertrag den Kontext der Ideologie abgibt und dass dessen eigene Thesen über die Ideologie und das Subjekt eine vermittels des Hobbesschen Modells vom Gesellschaftsvertrag geleistete Dekonstruktion eben dieser philosophischen Tradition darstellen. Damit wird offenbar, dass für Althusser die Frage der Ideologie die klassische politische Frage nach dem Staat, der Souveränität und der Befriedung der Gesellschaft ist. In einem weiteren Schritt wird (3.) unter Einbeziehung der nachgelassenen Schriften untersucht, inwiefern es sich bei dieser aus dem politischen Denken der Frühen Neuzeit gewonnen Theorie um eine (marxistische) Theorie der Ideologie handelt. Abschließend wird (4.) eine gegenseitige Konfrontation der Ergebnisse des vorliegenden Beitrags mit der Weiterentwicklung von Althussers Thesen über das Subjekt und Ideologie durch dessen Schüler Michel Foucault vorgenommen. Im Zuge des vorliegenden Beitrags wird ersichtlich, dass sich Althussers eigene Theorie aus einem spannungsreichen und produktiven Wechselverhältnis zwischen einer marxistisch inspirierten Lektüre der klassischen politischen Denker der Frühen Neuzeit und dem Einspielen von aus dem politischen Denken dieser Epoche gewonnen Elementen in die marxistische Theorie erhebt. Es zeigt sich dabei, dass gerade dieses Wechselspiel Althussers Beiträgen zur marxistischen Theorie ihre bis heute andauernde Stoßkraft verlieh.
Weniger anzeigenWohlbekannt ist, dass Hannah Arendt der Idee unveräußerlicher Menschenrechte skeptisch gegenüber- stand. Gemeinhin wird ihre Skepsis durch das empirische Faktum des Versagens der Menschenrechte während der Zeit des Holocausts begründet und damit eher auf eine pragmatische Einschätzung zur politischen Durchsetzbarkeit überstaatlich defi nierter Menschenrechte denn auf eine philosophische Po- sition zurückgeführt. Diese Lesart der arendtschen Menschenrechtskritik greift jedoch zu kurz. Der Vorwurf der Un- brauchbarkeit von Menschenrechten ist eingebettet in Arendts Kritik an der philosophischen Tradition insgesamt und trägt die Züge von Arendts Auseinandersetzung mit der Scholastik des Aurelius Augus- tinus und dem Frühwerk Martin Heideggers. Die vorliegende Arbeit zieht folglich Arendts Augustinus- Dissertation sowie Sein und Zeit heran, um das philosophische Begründungsgerüst der arendtschen Menschenrechtskritik herauszuarbeiten. Als deren zentrales Element wird ein von Arendt immer wieder aufgegriffenes erkenntnistheoretisches Dilemma der Philosophie und ihres Werkzeugs, der Sprache, he- rausgestellt: die Unmöglichkeit, das überzeugend zu defi nieren, was jeden Menschen einzigartig und damit schützenswert macht – sein Personsein. Die philosophische Logik lässt Menschen immer nur als Bündel von Eigenschaften erscheinen, die für sich die Schutzwürdigkeit des Einzelnen nicht plausibel machen können, ihr entzieht sich die durch Einzigartigkeit erst hervorgebrachte Pluralität des politischen Raumes. So kann eine jede Menschenrechtstheorie als Produkt philosophischer Abstraktion zwar einen Katalog von Normen aufstellen, doch die eigentliche Achtung jedes einzelnen Menschen kann sie damit nicht erwirken. Schlimmer noch, sie hat als Ausgangspunkt ein entpersonalisiertes Menschenbild, an das sich, mangels intuitiver Erfassbarkeit der Würde des Einzelnen, auch menschenverachtende Theorien anschließen lassen. In dieser Studie wird Arendts Beschreibung des Holocaust unter Gesichtspunkten der von ihr all- gemein formulierten Philosophiekritik untersucht und so der Brückenschlag zwischen ihren erkennt- nistheoretischen und empirisch-analytischen Aussagen vollzogen. Die Menschenrechtskritik wird auf diese Weise im begriffl ichen Kosmos Arendts lokalisiert. Im Anschluss daran wird ein weites Konzept des „Rechts auf Rechte“ vorgestellt, welches der von Arendt formulierten These Rechnung trägt, der blinde Punkt der Philosophie hinsichtlich der Perso- nalität des Einzelnen könne nur kompensiert werden durch die Schaffung eines politischen Raums, in welchem der lebensweltliche Umgang der Menschen miteinander einen zweiten Erkenntnismodus jen- seits der philosophischen Logik eröffne. Eine Begrenzung des „Rechts auf Rechte“ auf einen formal- juristischen Status erscheint vor diesem Hintergrund unzulässig, da die Anerkennung seiner Rechtsfä- higkeit für das Subjekt politische Rahmenbedingungen voraussetzt, in denen dieses seinen Mitmenschen das eigene Personsein stets offenbaren kann – ein Anspruch mit weitreichenden Implikationen für die Beschaffenheit politischer Gemeinwesen
Weniger anzeigenStatt Repräsentation als legitimierendes Element in politischen Strukturen und Prozessen zu begreifen, wirft dieses Papier die Frage auf, warum Menschen überhaupt den Anspruch bestimmter Akteure anerkennen, in ihrem Namen zu sprechen und zu handeln. Die Untersuchung hat zum Ziel, den Repräsentationsbegriff für die Politikwissenschaft wieder konzeptuell zu öffnen und damit für die Analyse einer Vielzahl von Repräsentationsformen anschlussfähig zu machen. Dazu problematisiert sie den Zusammenhang von Repräsentation und Legitimation. In einem ersten Schritt wird eine handlungstheoretische Definition von Repräsentation entwickelt und unterschiedliche Konfigurationen aus Repräsentierten, Repräsentationsmodus und Repräsentanten als Formen der Repräsentation typologisiert. In einem zweiten Schritt werden mit Hilfe herrschaftssoziologischer Ansätze zwei zentrale Legitimationsmechanismen politischer Repräsentation herausgearbeitet: die Legitimation über Verfahren und Rechtfertigung und die Legitimation über symbolische Macht. Abschließend werden Grundzüge eines Konzepts der Legitimation und mögliche Anknüpfungspunkte für die empirische Politikwissenschaft diskutiert.
Weniger anzeigen