Auf einen besonderen Zweck ausgerichtete Städte gibt es nicht so oft. Die mittelalterlichen Burgstädte wurden - indem sich Händler und Gewerbetreibende in ihrem Schutz ansiedelten - schnell zu dem, was man unter einer Stadt versteht, eine ummauerte Ansiedlung, in der viele Aktivitäten ihren Standort fanden. Gleiches ereignete sich in den barocken Residenzen und - als die Eisenbahnen entscheidend waren, ob sie zu modernen Städten mit Industrie sich aus-wuchsen konnten - wurden sie bevölkerungsreich und zu Mittel- und zu Großstädten. Neben diesem normalen stadtgeschichtlichen Verlauf entstanden Städte mit eindimensionaler Ausrichtung, so die Fabrikstädte, die coketowns, wie sie Charles Dickens beschreibt (in Hard Times) und Friedrich Schinkel auf seiner Reise nach England mit Erstaunen wahrnahm. Sie beruhten auf naturgegebenen „Standortvorteilen“, sei es Erz- oder Kohlevorkommen oder an einer Stromschnelle, die eine kostengünstige Energiegewinnung ermöglichte. Auch in dieser Studie geht es um Wasser, das warme oder heiße Wasser, das aus der Erde hervorquillt. Diese Standorte waren schon immer ausgezeichnet, und daher entstanden in ihnen die von den Römern angelegten Badeanlagen, die Thermen. Im späteren Mittelalter wurden sie wieder genutzt, die Gesundbäder, die ganz lapidar in englisch Bath oder watering place und auf dem Kontinent als Baden, Bain oder Therme benannt wurden. Mit Zusätzen wie Karls- und Marienbad, Abano Therme, Aix la Chappelle (Aachen) oder Wiesbaden. Später wurde vor den traditionelle Ortsnamen ein Bad vorgesetzt, wie Bad Wimpfen. Sie dienten jedoch nicht nur der Gesundheit, der Kur, sondern mehr und mehr der Geselligkeit, als Treffpunkt einer mehr oder weniger begüterten Adels- und Bürgerschicht. Und in dieser Ausrichtung entstand ein „Ambiente“ aus Formen, wie man sich im Bad benimmt, und wie die Stadtanlage und die Gebäude diesem Zweck entsprechend gestaltet sind. Das Vorbild war die englische Stadt Bath - zugleich der Höhepunkt dieser neuen Stadtform. Im ersten Teil der Studie wird geschildert, wie Bath sich aus dem mittelalterlichen Gesundbad in kirchlicher Regie zum fashion place des 18. Jahrhunderts entwickelte. Und wer die wich- tigsten Leistungen erbrachte und wie die materiellen, mentalen und auch politischen Umstän-de waren, die diesen „Aufschwung und Glanz“ ermöglichten. Eine gleiche Entwicklung hat Baden-Baden im 19. Jahrhundert genommen. Und daraus ergibt sich der Reiz des historischen Vergleichs. Wiederum, wer war die treibende Kraft? Warum strömten aus dem gesamten Europa und selbst Amerika Besucher nach Baden-Baden? Welche landschaftliche, architektonische und gesellige Attraktivität fanden sie dort vor? Wollten sie in den Sommermonaten glücklich sein, ging es darum ihre Töchter angemessen zu verheiraten, oder im Hasardspiel das Glück herauszufordern, oder als Künstler der Musik und der Literatur ein Publikum zu finden? Die Studien für beide Städte und ein die Gründe reflektierender dritter Teil sind dem Anden-ken an Julius Posener gewidmet, der an den Berliner Hochschule für Bildende Künste uns Studenten den Blick öffnete für das Geschichtliche der Stadtformen und ihrer Architektur. Und der - als ich mich 1968 nach London für eine halbes Jahr aufmachte - sagte: Besuch auch Bath, die Schöne, die auch Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen, in ihrer „Reise nach England“ als „schönste Stadt in Europa“ würdigte.