Thrombozyten gehören zu den korpuskulären Bestandteilen des Blutes und sind essentiell für die Blutstillung (primäre Hämostase). Die molekular- und zellbiologischen Mechanismen, die ihrer Bildung aus zytoplasmatischen Abschnürungen von Megakaryozyten im Knochenmark zu Grunde liegen, sind noch weitgehend unbekannt. Thrombozytopenien, in denen die Thrombozytenzahl definitionsgemäß unter den physiologischen Normwert abfällt, sind mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden und können angeboren oder erworben sein. Bei der Immunthrombozytopenie (ITP) werden aufgrund von erworbenen Autoantikörpern Thrombozyten über das retikuloendotheliale System abgebaut. Bei der akuten Leukämie (ALL) im Kindesalter werden die Megakaryozyten, welche die Thrombozyten bilden, durch Blasten im Knochenmark verdrängt. Im Gegensatz dazu kann die Thrombozytopenie angeboren sein. Dies ist z.B. der Fall bei seltenen Syndromen wie der Fanconi-Anämie oder dem Thrombozytopenie-Absent-Radius- Syndrom. In beiden Fällen liegt der Thrombozytopenie ein Defekt der Thrombozytenproduktion zu Grunde. Die Bestimmung der Thrombozytenkonzentration im Blut ist bisher der wichtigste Parameter in der Diagnose von Thrombozytopenien, jedoch gibt die Zahl allein keinen Hinweis auf den zu Grunde liegenden Pathomechanismus und die damit assoziierte Blutungsneigung. In den letzten Jahren wurden verschiedene zusätzliche Thrombozytenparameter entwickelt, die mittels automatisierte Blutzählgeräte bestimmt werden können und Auskunft über die Größe, Granularität und Reife der Thrombozytenpopulation liefern. Zu diesen Parametern gehört auch die "Immature Platelet Fraction" (IPF), die die Fraktion der jungen, neu synthetisierten Thrombozyten an der Gesamtpopulation beschreibt. Aufgrund ihrer erhöhten Größe und der Expression residueller RNA können sie von den reifen Thrombozyten maschinell differenziert werden. Die IPF wird als Surrogatmarker für die Thrombozytopoese verstanden und könnte neben der Bestimmung des Mean Platelet Volumes (MPV), der Platelet Deviation Width (PDW) und der Platelet-Large Cell Ratio (P-LCR) wichtig für die Erkennung der Differentialdiagnose von Thrombozytopenien sein. In dieser Arbeit wurden zunächst Referenzwerte dieser zusätzlichen Thrombozytenparameter in 100 hämatologisch gesunden Kindern etabliert und deren Abhängigkeit von Geschlecht und Alter untersucht. Darauf basierend wurde analysiert, inwieweit diese Parameter für die Differenzierung von 87 Kindern mit Thromboztyopenien unterschiedlicher Genese geeignet sind. Dazu wurden IPF, MPV, PDW, P-LCR sowie der Plateletcrit (PCT) und das Platelet-Mean Frequent Volume (P-MFV) bestimmt. Grundsätzlich waren die etablierten Referenzwerte mit denen aus Studien mit Erwachsenen vergleichbar. Der mediane IPF%-Werte der Kontrollkohorte lag bei 2,3%. Im Gegensatz zu vorherigen Studien konnten keine geschlechtsspezifischen Unterschiede festgestellt werden. Die IPF%-Werte der ITP-Patienten waren als Zeichen eines erhöhten Thrombozytenumsatzes signifikant erhöht (Median 25,2%). Interessanterweise waren auch die IPF%-Werte von ALL-Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose erhöht (Median 10%). Dies legt eine Stimulation der Thrombozytopoese, trotz stark verminderter Anzahl an Megakaryozyten im Knochenmark, nahe. Die absolute Zahl unreifer Thrombozyten (IPF#) 80 zeigte sich hingegen hilfreich in der Differenzierung von akuten ITP-Patienten und ALL-Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose (p<0,01). In Kindern mit Thrombozytenproduktionsdefekten war hingegen der IPF% niedrig. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der relative IPF-Wert ein Marker für Thrombozytopenien ist, die auf einer defekten Thrombozytenproduktion beruhen. Hingegen ist IPF# hilfreich bei der Differentialdiagnose von akuten ITP-Patienten und ALL-Patienten. Die hier evaluierten Thrombozytenparameter, insbesondere die IPF, können in Zukunft bei der Differenzialdiagnose von Thrombozytopenien helfen, auch nicht-invasiv unter Vermeidung von Knochenmarkbiopsien. Die Herausforderung der kommenden Jahre liegt darin, die Parameter für den klinischen Gebrauch weiter zu validieren und insbesondere in prospektiven Studien mit den klinischen Parametern wie dem Blutungsrisiko zu korrelieren, um ihr Potential optimal zu nutzen
Background: Platelet counts below normal values define thrombocytopenia. However, platelet counts alone do not reveal the underlying pathomechanism. New blood cell counters provide additional information on platelet size and volume, and enable the distinction of sub-populations. In this preliminary study,we evaluate whether one of these markers can be used for diagnosis of isolated thrombocytopenia in children. Procedure. We provide normal values for mean platelet volume (MPV), platelet distribution width (PDW), plateletcrit (PCT), platelet large cell ratio (P-LCR), platelet mean-frequent volume (PMFV), relative immature platelet fraction (IPF%), and absolute IPF (IPF#) for 100 healthy children and analyzed 87 children with thrombocytopenia. Results. In children with platelet production defects, IPF% was low, while in acute immune thrombocytopenia (ITP), IPF% was markedly increased (median25.2%,P < 0.01),representing accelerated platelet turnover. Interestingly, children diagnosed with acute lymphocytic leukemia (ALL) also had elevated IPF% (median 10%, P < 0.01), suggesting that thrombopoiesis is stimulated despite virtual absence of bone marrow progenitors. Low IPF# was only found in patients with acute ITP. Conclusions. IPF% is a marker for thrombocytopenia due to defective platelet production while IPF#, representing the immature platelet count, might become a practical parameter to distinguish acute ITP from thrombocytopenia in children with newly diagnosed ALL (P < 0.01).