Als eine Reaktion auf das vergleichsweise schwac he Abschneiden der Schülerinnen und Schüler bei PISA 2000 sieht das neue Berliner Schulgesetz aus dem Jahr 2004 eine frühere Einschulung vor: Mit Beginn des Schuljahres 2005/06 wurde, durch Versch iebung des Stichtages zur Vollendung des 6. Lebensjahres vom 30. Juni auf den 31. Dezember, das Einschulungsalter von durchschnittlich 6,7 auf 6,2 Jahre gesenkt. Ziel der vorliegenden Studie ist es, die langfristigen Zusammenhänge zwischen Einschulungsalter und Bildungsertr ägen für Berliner Schülerinnen und Schüler zu untersuchen. Die Datengrundlage dieser Studie bilden mehrere groß angelegte, repräsentative Schulleistungs- studien, an denen die Kohorte von Schülerinnen und Schülern teilnahm, die im Jahr 2005 als Erste nach der neuen Einschulungsregelung eingeschult wurde: die Orientierungsarbeiten in der zweiten Jahrgangsstufe aus dem Schuljahr 2006/07 (OA 2), die Vergleichsarbeiten in der dritten Jahrgangs- stufe (VERA 3) aus dem Schuljahr 2007/08 und die Ve rgleichsarbeiten in de r achten Jahrgangsstufe (VERA 8) aus dem Schuljahr 2012/13. Um die Stabilit ät der Befunde abschätzen zu können, wurden die Ergebnisse der Einschulungskohorte von 2005 /06 bei VERA 3 verglichen mit den Ergebnissen einer Stichprobe von Schülerinn en und Schülern, die im Schulj ahr 2010/11 eingeschult wurden und im Schuljahr 2012/13 an VERA 3 teilnahmen. Von besonderem Interesse waren Vergleiche der jüngeren Schülerinnen und Schüler, die aufgrund der Änderung der Stichtagsregelung erstmals bereits in diesem jungen Lebensalter eingeschult wurden, mit älteren Schülerinnen und Schülern die in diesem ersten Durchgang noch nach der al ten Stichtagsregelung eingeschult wurden. Die Ergebnisse der statistischen Analysen lasse n sich folgendermaßen zusammenfassen: (1) Im Laufe der Zeit nahm der Anteil der jüng eren Schülerinnen und Schüler an der gesamten Einschulungskohorte 2005/06 etwas ab. Die zur Ve rfügung stehende Datenlage ermöglichte es jedoch nicht, Gründe für die Abnahme genauer zu beschreiben. (2) Kleinere Leistungsrückstände jüngerer Schü lerinnen und Schüler im Leseverstehen und in Mathematik, die in der zweiten Jahrgangsstufe zu beobachten waren, zeigten sich in der dritten Jahrgangsstufe weitestgehend ausgeglichen. In de r achten Jahrgangsstufe lag die Leistung der jüngeren Schülerinnen und Schüler im Leseverste hen und in Mathematik mindestens auf vergleich- barem Niveau. (3) Diese Befundmuster zu Anteilen an der Ei nschulungskohorte und zu mittleren Leistungs- unterschieden zeigte sich für (a) Jungen, (b) Mädchen, (c) Schülerinnen und Schüler ohne Migrations- hintergrund sowie (d) Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. (4) In der achten Jahrgangsstufe besuchten etwas me hr als die Hälfte der jüngeren Schülerinnen und Schüler der Einschulungskohorte 2005/06 das Gymnas ium und die andere Hälfte die Integrierte Sekundarschule. Diese Anteile zur Bildungsbeteiligun g unterscheiden sich nicht von den Anteilen, die für die älteren Schülerinnen und Schüler ermittelt wurden. (5) Es zeigte sich eine große Heterogenität in den Leistungsverteilungen für alle Altersgruppen in allen Jahrgangsstufen. Die altersbezogenen Leistungsver teilungen im Leseverstehen und in Mathematik überlappten sich in allen untersuchten Jahrgangsstufen sehr stark. Der größte Anteil der Leistungsheterogenität bestand dabei innerhalb und nicht etwa zwischen den Altersgruppen. Maximal konnten 2 % der gesamten beobachteten Le istungsheterogenität durch Altersunterschiede erklärt werden. (6) Die Ergebnisse für die Einschulungskohorte 2005/ 06 bei VERA 3 wurden durch die Ergebnisse der Einschulungskohorte von 2010/11 bestät igt: Im Leseverstehen und in Mathematik sind nahezu keine Leistungsunterschiede zwischen den jüngeren und äl teren Schülerinnen und Schülern festzustellen. Dieses Befundmuster zeigte sich für (a) Jungen, (b) Mädchen, (c) Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund sowie (d) Schülerinnen und Sc hüler mit Migrationshintergrund. Auch für diese Einschulungskohorte setzte sich die beobachtete Leistungsheterogenität zum allergrößten Teil aus der Leistungsheterogenität innerhalb und nicht et wa aus der Leistungsheterogenität zwischen den Altersgruppen zusammen. (7) Der Anteil derjenigen Schülerinnen und Schüle r, für die eine beschleunigte Schullaufbahn (etwa durch Überspringen einer Klasse und/oder vorzeitige Einschulung) festgestellt werden kann, bleibt über die verschiedenen Jahrgangsstufen hinweg we itestgehend stabil. Jedoch zeigte der Vergleich der Zusammensetzung der Schülerschaft der Eins chulungskohorte 2005/06 und der Einschulungs- kohorte 2010/11, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler in der dritten Jahrgangsstufe zunimmt, für die eine verzögerte Schullaufbahn festgestellt werden kann (z. B. durch das Verweilen in einer Klassenstufe und/ oder die Rückstellung von der Einschulung). Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich im Laufe der Zeit die Zusammensetzung der Schüler- schaft eines Jahrgangs leicht änderte. Dies betri fft den etwas geringer werdenden Anteil an jüngeren Schülerinnen und Schülern innerhalb eines Einschul ungsjahrgangs. Andererseits betrifft es den relativ zur Einschulungskohorte 2005/06 größer gewo rdenen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit verzögerter Schullaufbahn in der dritten Ja hrgangsstufe. Dennoch deuten die vorliegenden Ergebnisse auch darauf hin, dass es mit der geänderten Einschulungsregelung gelang, einen Großteil der Schülerinnen und Schüler bereits in jüngerem Alter schulisch zu fördern, ohne dass dies mit langfristigen negativen Auswirkungen auf ihre Leis tung und ihre Bildungsbeteiligung am Gymnasium verbunden war.