Einleitung: Im Rahmen dieser Promotionsarbeit wurde die Krankheitsfolgeproblematik vor dem Hintergrund der ICD und des „Bio-psycho- sozialen Modells“ der ICF betrachtet und für den Bereich psychischer Erkrankungen diskutiert. Eine Erkrankung äußert sich nicht nur in Krankheitssymptomen, sondern auch in daraus resultierenden Beeinträchtigungen im alltäglichen Leben. Um die Schnittstelle zwischen Funktions- und Partizipationsstörungen zufriedenstellender als bisher operationalisieren und quantifizieren zu können, bestand ein Teil der Arbeit in der Entwicklung eines neuen Beurteilungsverfahrens – das „Mini-ICF-APP“. Untersucht wurden das Vorhandensein von Fähigkeitsstörungen und deren Veränderung über den Rehabilitationszeitraum hinweg, sowie Zusammenhänge zwischen Funktions-, Fähigkeits- und Teilhabestörungen wie auch soziodemografischen und motivationalen Variablen. Methodik: In die Studie wurden 213 Patienten einer psychosomatischen Rehabilitationsklinik eingeschlossen. Die Beurteilung von Fähigkeitsstörungen erfolgte mit dem Mini-ICF-APP zum Aufnahmezeitpunkt parallel und unabhängig voneinander durch einen geschulten Rater und die jeweiligen Bezugstherapeuten und erneut zum Zeitpunkt der Entlassung durch die Bezugstherapeuten. Daneben wurden verschiedene Selbstbeurteilungsinstrumente zur Arbeitsmotivation und –leistung sowie zu psychischen Beschwerden eingesetzt und soziodemografische Angaben aus der Basisdokumentation genutzt. Ergebnisse: Fast alle Patienten zeigten Fähigkeitsbeeinträchtigungen, wenn auch durchschnittlich nur von leichter Stärke. Probleme bestanden vor allem im Bereich der Flexibilität und Umstellungsfähigkeit. Es ließen sich keine Unterschiede im Ausmaß der Fähigkeitsbeeinträchtigungen in Bezug auf verschiedene soziodemografische Variablen ausweisen. Es fanden sich signifikante Zusammenhänge zwischen Psychopathologie und Fähigkeitsstörungen einerseits und der Dauer der Arbeitsunfähigkeit (Partizipationsstörung) andererseits, während Psychopathologie und Arbeitsunfähigkeit nicht miteinander korrelierten. Fähigkeitsstörungen können unabhängig von arbeitsbezogenen Einstellungen und Motivation erfasst werden und waren in den Analysen weitestgehend unabhängig voneinander. Substantielle Zusammenhänge bestanden hingegen zwischen der Beeinträchtigung von Fähigkeiten und der Arbeitsleistung, nicht jedoch für arbeitsbezogene Einstelllungen. Nach Abschluss der Rehabilitation zeigten sich signifikante Abnahmen im Beeinträchtigungsscore in allen Dimensionen. Unterschiede konnten für den Arbeitsfähigkeitsstatus sowie die Komplexität der psychischen Erkrankungen dargestellt werden. Diskussion: Um eine Krankheit umfassend beschreiben zu können, sollten ICD und ICF gemeinsam genutzt werden. Dazu bedarf es jedoch zuvor einer definitorischen und terminologischen Überarbeitung der ICF. Fähigkeitsstörungen bei Patienten mit psychischen Erkrankungen können mit dem Mini-ICF-APP reliabel und ökonomisch operationalisiert und quantifiziert werden. Die durchschnittlich leichten Beeinträchtigungen entsprechen dem untersuchten Patientenkollektiv in der psychosomatischen Rehabilitation mit einem eingeschränkten Spektrum an Krankheiten wie auch Schweregraden. Psychopathologie kann nicht mit Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt werden. Aus dem psychopathologischen Befund müssen Handlungsfähigkeitsstörungen abgeleitet werden, die den Betroffenen an der Ausübung seiner beruflichen Rollenanforderungen hindern und damit Arbeitsunfähigkeit begründen. Fähigkeitsstörungen und Einstellungen in Bezug auf Arbeitsstörungen sind voneinander weitgehend unabhängige Konstrukte. Für Beeinträchtigungen der Arbeitsleistung scheinen Beeinträchtigungen von Fähigkeiten eher vermittelnd zu sein als Unlust. Es konnte gezeigt werden, dass eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme zu bestimmten Zeitpunkten in der Krankheitsentwicklung oder bei bestimmten Gruppen von Patienten mehr Erfolg erwarten lässt. Eine Behandlung kann aber auch dann sinnvoll sein und relevante Effekte haben, wenn es nicht unmittelbar zu einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit kommt, sondern „nur“ zu einer Verbesserung der Teilhabe am sozialen Leben.
Introduction: The work deals with disease consequences concerning ICD and „bio-psycho-social-model" of ICF in relation to mental disorders. In order to describe the interface between impairments and participation restrictions more satisfying, we developed a new assessment tool - the "Mini-ICF-APP". Examined are the occurrence of incapacities, changes during time and relationships between impairments, incapacities and participation restrictions as well as sociodemographic and motivational influences. Methods: Incapacities were measured in 213 patients admitted to the Department of Behavioral Medicine using the Mini-ICF-APP. The assessment was done twice (at admission and discharge), parallel and independently from each other by therapists and a trained rater. Different self-ratings and a clinical interview were used to capture work performance, motivational and volitional problems in regard to work as well as mental conditions. Results: Nearly all patients showed incapacities, although of slight strength. Problems occurred mainly in flexibility. There were no differences in level of incapacities concerning sociodemographic variables. Significant interrelations between psychopathology and incapacities on the one hand and duration of sick leave (participation restriction) on the other hand were found, while psychopathology and sick leave did not correlate. Incapacities can be assessed and conceptualized independently of work-related attitudes and motivation. We found significant and relevant correlations with capacities and performance, but not between capacities and attitudes. At the end of treatment incapacities reductions could be found for all dimensions of the Mini-ICF-APP. Differences were examined concerning work status as well as complexity of mental disorders. Discussion: To describe a disease one should use ICD and ICF together. But previously definitions of ICF have to be clarified. The Mini-ICF-APP can be used to rate incapacities in mental disorders reliable and economic. The average impairments are in accordance with the examined sample in psychosomatic rehabilitation, where disease spectrum and severity levels are restricted. Psychopathology canÂŽt be equated with sick leave. Incapacities have to be derived out of psychopathological findings. After that, one has to square the impairments with occupational role requirements. After that one can justify sick leave. The data support the notion that incapacities are relatively more important in explaining work-related problems than work- related attitudes. It can be assumed that many patients who cannot work would love to work. The success of rehabilitation depends on point of illness process, kind of disease and additional person factors. Apart from recovery of capacity to work, rehabilitation could also be useful in order to improve participation in social life.