In der vorliegenden Arbeit wurde das Corpus der Carmina Latina Epigraphica des römischen Britannien philologisch erstmals eingehend untersucht. Die philologische Untersuchung umfasst die Erstellung eines kritischen Texts, dessen Kommentierung und Interpretation innerhalb seines Kontexts als lateinisches und als Inschrift erhaltenes Schriftzeugnis. Dies geschah bisher nur im Rahmen eines kurzen Aufsatzes (s. Cugusi [2006]). Ansonsten wurden die Inschriften lediglich als Quellen in historischen oder archäologischen Darstellungen hinzugezogen. Die Versinschriften Britanniens stellen – im Vergleich zu den Funden auf der iberischen Halbinsel – im Umfang ein recht kleines Corpus dar. Diese Tatsache kann jedoch nicht mit einer geringen Romanisierung der Provinz, sondern mit äußeren Faktoren wie der Verfügbarkeit gewisser Ressourcen erklärt werden: Beispielsweise war Felsgestein in den sozialen, politischen und ökonomischen Zentren der Provinz nicht vorhanden, sondern musste aufwändig aus dem Norden und Westen beschafft werden. Die Texte sind großteils auf Stein eingemeißelt worden, eine weitere größere Gruppe wurde in Ton geritzt. Als besondere Zeugnisse gelten zwei Mosaike mit Versinschriften sowie eine Wandmalerei mit Szenen der Aeneis in Wort und Bild. Die literarische Qualität der Texte ist unterschiedlich: So gibt es z. B. das Grabepigramm eines Vaters für seine verstorbene Tochter, das neben der tiefen Trauer auch eine erstaunlich gute Kenntnis der lateinischen Literatur und zudem die Fähigkeit, selbst poetische Texte zu verfassen, demonstriert. Daneben finden sich aber auch Inschriften, deren genaue Aussage nicht vollständig zu verstehen ist, deren metrisches Design im Dunkeln bleibt und deren Verfasser wahrscheinlich über nur begrenzte Kenntnisse der lateinischen Sprache verfügten.
This is the first full-scale, monographical study of the Carmina Latina Epigraphica of Roman Britain, focusing on philological aspects: previous scholarship is scarce, and the most advanced piece so far has been a 20pp. article by Cugusi (2006). If compared to other regions of the Roman Empire such as for example the Iberian peninsula, Roman Britain shows a remarkably slim production of verse inscriptions. This is partly due to the fact that material suitable for the act of inscribing itself is available only in a certain number of regions of Britain, combined with the fact that those regions do not happen to coincide with the centres of social, political, and economic life of the province. Thus stone inscriptions were comparatively expensive and hard to acquire. The quality of the texts themselves is varying. There is an epitaph of a father mourning the demise of his daughter; whereas the hexameters demonstrate knowledge of classical literature as well as an ability to create a poetical text of comparable quality, the text certainly was not written by a native speaker.