Die zentralen Untersuchungsgegenstände der Arbeit waren die Begriffe multikulturelle Gesellschaft, Feindbild und Neue Rechte. Zu den scharfen Gegnern der multikulturellen Gesellschaft („mkG“) zählten die Vertreter der „Neuen Rechten“ (NR). Inwieweit für sie – am Beispiel der Autoren der neurechten Zeitschriften „Nation und Europa“ (NE) und „Junge Freiheit“ (JF) - die mkG zu einem Feindbild wurde, war die engere Fragestellung der Arbeit. Ein wichtiger Faktor des Selbstbildes der NR war ihr Modernisierungs- und Re- Intellektualisierungsanspruch, die Behauptung, über ein „modernes“, aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen berücksichtigendes Menschen- und Gesellschaftsbild zu verfügen. Inwieweit die beiden Zeitschriften diesem eigenen Anspruch gerecht wurden, war die zweite zentrale Fragestellung. Die Texte der Jahrgänge 1986 – 1996 der beiden durchaus unterschiedlichen Zeitschriften wurden als Quellen untersucht; es handelte sich dabei um 108 Hefte der NE und um 203 Hefte der JF. Zusammen waren es also Quellentexte von knapp 12000 Seiten. Untersucht wurde, inwieweit die in den Texten artikulierten Ideologeme die mkG als ein Feindbild darstellten. Dazu wurden abschließend die verschiedenen Ideologeme mit aus der Literatur entwickelten 17 Feindbildkriterien verglichen. Wichtige neurechte Ideologeme in JF und NE waren u.a. … • … das Ideologem „Reinheit“, eine Vermischungsphobie: sie bezog sich in beiden Publikationen auf Völker, aber auch auf das „Blut“, Ethnien, Kulturen, Sprachen etc. Die NE postulierte sogar: „Kulturvermischung ist Völkermord, Rassenmischung ist Völkermord“. Kulturkontakte sollten begrenzt werden, sonst drohe ein „Völkermord mit menschlichem Antlitz“. Für neurechtes „Reinheits“-Denken auf individueller Ebene bestimmend war die Figur des „Mischlings“: dieser war zwingend unharmonisch, zu lebenslanger seelischer Zerrissenheit verurteilt, psychisch gespalten, heimatlos und unglücklich. • … das Ideologem des Reinheitswahns bezog sich auch auf die „Reinhaltung“ der deutschen Sprache, v.a. gegenüber den Einflüssen des Englischen, aber auch gegen die Rechtschreibreform. • … das Ideologem der Figur des „Fremden“: Er wurde zum unüberwindlich Fremden, zum Auszuschließenden, zu Bekämpfenden, dessen grundsätzliche Ambivalenz nicht erkannt wurde. Hinsichtlich der Gedankenfigur des Fremden bedeutsam waren (mehr oder weniger kaschiert) „der Jude“, „der Zigeuner“ sowie „der Muslim“. • … das Ideologem der Abwehr von Flüchtlingen und Asylbewerbern: Teile der diesbezüglichen Berichterstattung, v.a. der NE, grenzten an rassistische Volksverhetzung. • … das Ideologem Islamphobie, von „dem Islam“ ging (undifferenziert) in der Sicht neurechter Autoren auch deshalb eine besondere Gefahr aus, weil die mkG durch Immigration eine drohende „Islamisierung“ Europas befördere. „Der Islam" und die behauptete „Islamisierung" wurden zu Feindbilder der NR. • … Ideologeme kollektiv–essentialistischer Zuordnungen, wie Volk, Nation, Ethnie und auch „Rasse“ • … das Ideologem der „nationalen Identität“, und zwar nicht einem deskriptiven, sondern einem essentialistichen Sinne. Sie wurde einer der zentralen und erfolgreichsten, exklusiven, ausgrenzenden Begriffe der NR. • … die Ideologeme kulturelle Verarmung durch Vermischung: Kulturkontakte, Degeneration und schließlich der „Volkstod“ wurden als die Gefahren angesehen, die als Folge einer mkG drohten. • … das Ideologem eines statischen, unveränderlichen Heimatgefühls, basierend auf einem (angeblich artspezifisches) Territorium: Heimat wurde ideologisch von vielen der Autoren gleichgesetzt mit dem Gebiet eines angeborenen Territorialverhaltens. • … das Ideologem der Verwurzelung im Boden und der latenten (Groß-)Stadtfeindschaft: • … das Ideologem der Entwurzelungskriminalität: Gewalt und Kriminalität seien Ausdruck einer kulturellen und ethnischen Entwurzelung. • … das Ideologem von der entnationalisierenden (angeblichen) Entwurzelung der Deutschen durch die alliierte Umerziehung nach 1945 (durch Vergangenheitsbewältigung, die 68er, die Frankfurter Schule und einen „deutschen Nationalmasochismus“) • … das Ideologem des Antiegalitarismus, d.h. der Kampf gegen Gleichheitsvorstellungen und für Eliten und Hierarchien: Aus der angenommenen natürlichen Ungleichheit der Menschen ergibt sich zumindest eine neurechte Skepsis der Demokratie gegenüber. Ein Faktor, der an der behaupteten demokratischen Haltung der NR zweifeln ließ, war ihre oft artikulierte Sehnsucht nach dem starken, charismatischen Führer • … das Ideologem des Anti-Universalismus: In den unzureichenden, nur individuellen Menschenrechten würden Völkerrechte, Rechte auf Heimat, auf Identität fehlen. • … das Ideologem der Hochschätzung von Mythos, Irrationalität und Voluntarismus (und die Ablehnung utopischen Denkens). Das neurechte Ideologem stellte den oft mit dunklem Mystizismus gekoppelten Mythos bewusst gegen den („zersetzenden“) Logos, gegen die Rationalität, gegen Aufklärung, Vernunft und Moderne. • … das Ideologem der Ablehnung, die Feindschaft gegenüber dem supranationalen Europa • … das Ideologem von Endzeit- und Untergangsvorstellungen, eine Erscheinung, die von mir „Finis–Germaniae–Komplex“ genannt wurde. Grundlage dieser Untergangsvorstellungen könnte ein tiefes Grundgefühl der Angst sein, was bei vielen der Autoren durchscheint. Auffällig war, wie viele der neurechten Ideologeme mit uralten, primordialen, atavistischen, archetypisch–religiösen und infantilen Vorstellungen verknüpft sind. Nicht alle supranationalen Orientierungen wurden wie die mkG abgelehnt. So vertraten einige Autoren unscharf bleibende Vorstellungen vom „Reich“. Der oft als Alternative zur mkG angesprochene „Ethnopluralismus“ blieb vage, in sich unstimmig, eine Worthülse. Die antimultikulturelle Berichterstattung der Zeitschriften NE und JF war gekennzeichnet durch … • auffällige Tendenzen zu Biologismen und Esoterismen • eine Trivialisierung und Banalisierung von Begriffen • Versuche einer Umwertung („Retorsion“) von ideologisch bedeutsamen Begriffen • die Verwendung von Abwehrfloskeln (wie „Gutmensch“), deren Benutzung es erlaubt, einer inhaltlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen und dennoch die Gegner lächerlich zu machen • ein anscheinend rebellisches Tabubrecher-Image • eine z.T. abwertende, beleidigende Begrifflichkeit, partiell wüste Beschimpfungen • eine Fülle von verschwörungstheoretischen Gedankenfiguren. Den in den Zeitschriften geforderten. Re-Intellektualisierungs- und Modernisierungsanspruch erfüllten die NE und JF generell nicht, die JF allerdings etwas mehr als die NE. Die Apperzeption neuerer Forschungsergebnisse erfolgte in beiden Zeitschriften selektiv. Vor allem Ergebnisse, die ein neurechtes Menschenbild zu bestärken, zu bestätigen schienen, wurden thematisch aufgenommen. Forschungsansätze, die ein neurechtes Menschenbild hingegen in Frage stellten oder kritisierten, wurden entweder überhaupt nicht erwähnt oder nur kursorisch abgetan. Das gilt v.a. für Ergebnisse der Sozialpsychologie, der Lernforschung, der Vergleichenden Verhaltensforschung, der Genom–Forschung, der Paläoanthropologie oder der Empathieforschung. Auffällig war zudem das Ausblenden des gesamten psychoanalyisch–sozialpsychologischen Diskurses der letzten Jahrzehnte. Das folgte sicher auch daraus, dass die NR generell die Psychoanalyse als (angeblichen) Teil der Umerziehung ablehnte. Insgesamt erschienen die neurechten Ideologeme weitgehend als eine sprachlich „modernisierte“ („Territorialität“ statt „Lebensraum“ z.B.), angepasste Form der Ideologeme der alten Rechten. Schließlich könnte die Re-Intellektualisierung auch daran leiden, dass unter vielen Anhängern der NR immer noch eine alter, tiefer Hass, oder zumindest eine Ablehnung gegenüber Intellektuellen zu bemerken waren. Die mkG war (und ist) für die neurechten Autoren der JF und NE ein zentrales Feindbild. In dieser Hinsicht ähnlich bedeutsam wie die Feindbilder USA, Liberalismus, Marxismus, one world ist gegenwärtig wohl das wirkungsmächtigste Feindbild – „der“ Islam. Zwischen Feindbildern, Verschwörungstheorien und Paranoia sind die Übergänge fließend: Sich verfestigende Feindbilder tendieren dazu, sich zu Verschwörungstheorien auszuwachsen. Diese wiederum grenzen direkt an paranoide Haltungen, eine gesellschaftlich gefährliche Struktur. Die ungebrochene politische Bedeutung des Feindbildes „multikulturelle Gesellschaft“ ist bis heute an den europaweiten Wahlerfolgen rechtspopulistischer Parteien abzulesen, die im Kampf gegen die mkG einen zentralen Programmpunkt haben. Ohne die Furcht vor sozialem Abstieg, vor Arbeitslosigkeit, Einsamkeit und Armut sowie eine fehlende soziale Anerkennung könnte keines der neurechten Partial-Feindbilder (Einwanderung, Kriminalität, Islam …) erfolgreich sein.
The central aspects of investigation in this thesis are based on the terms "multicultural society" (MCS), "Feindbild" (the concept of the enemy, CE) and the "Neue Rechte" (New Right, NR). The representatives of the NR belong to the most adamant opponents of the MCS. This thesis uses the authors of the NR- magazines "Junge Freiheit" (Young Freedom, YF) and "Nation und Europa" (Nation and Europe, NE) as examples how and to what extent the multicultural society became for them a concept of the enemy. This represents the essence of this thesis. One essential part of the NR-self-image is their claim to modernization and re-intellectualization: the assertion of the NR to have at their disposal a modern and scientifically based idea of man and society. To what extent both magazines satisfy their own claims is the second central question of this thesis. Source materials were the volumes 1986 - 1996 of both - similar but quite different - magazines: 108 issues of NE and 203 of YF - altogether nearly 12000 pages. This thesis analyses to what extent the ideologemes in these texts reflect the MCS as a concept of the enemy. Finally the different ideologemes are compared with the 17 CE-criteria derived from literature. Important NR- ideologemes in the YF and the NE were among others ... • the ideologem of purity, a phobia of mixing: In both magazines this refers to nations but also to the "blood" and ethnic groups, cultures, languages ... The NE even postulated: “The mixing of cultures is genocide, mixing of races is genocide." Contacts between cultures should be limited, they could lead to a „genocide with a human face". On the individual level the figure of the ,,Mischling" (half cast, half breed) is typical for the NR-idea of purity: Imperatively the "Mischling" is non-harmonious, is sentenced to lifelong inner conflicts, mentally split, homeless and unhappy. • the ideologem of purity also refers to the cleansing of the German language, specifically with regard to the English language, and against the German spelling reform. • the ideologem of the "stranger": The stranger becomes an insurmountable figure who should be excluded and fought. The authors of both magazines didn't recognize the basic ambiguity of the stranger. "The Gypsy '',„ the Muslim" and more or less hidden "the Jew" are important for the concept of the stranger. • the ideologem to ward off refugees and asylum seekers: In this regard some parts of the reports borders on demagoguery and racist incitement. • the ideologem of islamophobia: From the perspective of NR-authors, Islam has become aspecially dangerous because the MCS has increased due to Muslim immigration. For the NR ,,the Islam" and the impending Islamization have become a new CE. • the ideologemes of collective essentialistic attributions, assigned to people, nation, ethnic group as well as ”race". • the ideologem of a "national identity": This concept is not used in a descriptive but in a essentialistic sense. National identity becomes one of the central and most successfull, excluding and ostracizing terms of the NR. • the ideologemes of cultural impoverishment due to mixing: From the perspective of NR increasing cultural contacts lead to degeneration and finally the ,,Volkstod" (death of the nation) as a consequence of MCS. • the ideologem of a static and unchangeable ,,Heimatgefühl" (sense of home), based on a supposed species specific Territory: ,,Heimat" (home) is ideologically equivalent to the area of congenital territoriality. • the ideologem of being rooted to the soil ("Boden") and a latent hostility towards urbanized regions. • the ideologem of criminality as a consequence of rootlessness: According to the NR-authors violence and crime are an expression of a cultural and ethnic rootlessness. • the ideologem of the denationalized supposed rootlessness of the Germans due to the allied reeducation after 1945 (the process of coming to terms with the past, the student movement of 1968, the "Frankfurt School of philosophy" and a German "national-masochism"). • the ideologem of an anti- egalitarizm, meaning the struggle against the idea of equality and instead for elites and hierarchies: As a consequence of the supposed inequally of people, a scepticism towards democracy develops. The often shown yearning for a strong charismatic leader is cause to doubt the democratic attitude of the NR. • - the ideologem of an anti-universalism: It is insufficient to solely propagate individual human rights as this ignores the rights of Nations ("Völkerrechte"), the right of ,,Heimat" (home, homeland), as well as the right of identity. • - the ideologem of holdimg myth, irrationality and voluntarism (as well as the rejection of utopian thinking) in high esteem The NR-ideologem often links myth with obscure mysticism, consciously contrasting it with the subversive logos, against rationality, enlightenment, reason and modernity. • - the ideologem of the rejection, hostility against a supranational Europe. • - the ideologem of eschatological and declining concepts, an idea I call ,,finis germaniae complex". These ideas of decline could be based on a deep elementary sensation of anxiety (,, Angst"). It was striking that a lot of NR- ideologemes were linked with ancient, primordial, attavistic, archetypical-religious and infantile imaginations. However not every supranational tendency is rejected like the MCS. Some of the NR-authors propagate vague ideas of the empire ("Reich"). Ethnopluralism is often seen as an alternative to the MCS. But all these ideas stay diffuse and inconsistent in themselves. Ethnopluralism is an empty word. The anti-multicultural reporting in the two magazines are characterized by .... • conspicuous usage of biologismes and esoterismes • a trivialisation and banalisation of terms • attempts ar retorsion of ideologically important terms • the usage of defence phrases (like “Gutmensch”, gooder), allowing them to make the enemy look ridiculous and to avoid any discussion regarding the content • an apparently rebellious image as a taboo breaker • a partially devaluating, insulting terminology, in part vituperations • a lot of conspirous strains of thought. The claim to modernization and re-intellectualization laid by the NR-authors isn’t satisfied by the NE and YF, although by the YF a bit more than the NE. New scientific results were chosen and interpreted by the magazines in a very selective manner. In particular, those research results which seemed to confirm and reinforce the NR-image of man and society were included / selected thematically. Research findings, however, that questioned or criticized the NR-ideology are not mentioned or dismissed cursorily. This applies especially for results found in social psychology, learning research, ethology, genome research, the paleo-anthropology or empathy research. The willingness to ignore of the whole psychoanalytic and socialpsychological discourse of the last decades is salient. Certainly this is a consequence of the general NR- view on the psychoanalysis as a part of the allied reeducation process. All in all, the NR-ideologemes appear as a linguistically “modernized”, adapted form of the traditional rightwing ideologemes (for example “territoriality” instead of “Lebensraum” , living space). Finally the re-intellectualization could suffer from the old deep hate or at least a rejection felt by many NR- supporters towards intellectuals. The MCS was (and is) a main concept of the enemy for the most the NE- and YF-authors. Similarly important are in this regard the CEs as being the USA, Liberalism, Marxism, “one world” or today certainly the most powerful one is “the Islam”. The transitions from a CE to a conspiracy theory and to paranoia are fluid: A stabilized CE has the tendency to increase to a conspiracy theory which borders on paranoid attitudes, a dangerous structure for every society. The continuing political importance of the CE “multicultural society” today can be found in the growing successes of right wing populist parties all over Europe. For most of them the struggle against the MCS is a central point in their party program, a main item on their agenda. None of the NR-propaganda contents (immigration, crime, Islam …) could be successful without the fear of the social descent, the unemployment, the loneliness and the lack of appreciation.