Die Anforderungen an molekulargenetische Untersuchungen sind in den letzten Jahren gewachsen, selbst aus schwierigem Proben- oder Spurenmaterial mit wenig und fragmentierter DNA sollen möglichst aufschlussreiche, genetische Informationen gewonnen werden. Y-chromosomal lokalisierte Single Nucleotide Polyorphisms (SNPs) können einen wichtigen Beitrag zur Erweiterung des forensischen Analysespektrums leisten, das bisher nahezu ausschließlich auf einem DNA-Mustervergleich von Spur und Referenzprobe basiert. In der vorliegenden Arbeit wird ein hierarchischer Analyseansatz vorgestellt, mit dem die durch Y-SNPs definierten Haplogruppen entlang der Phylogenie des Y-Chromosoms typisiert werden können und damit jede männliche DNA genau einem zeitlich und räumlich definierten Ast des genetischen Stammbaums des modernen Menschen zugeordnet werden kann. Dabei bietet die Kombination aus PCR- Multiplexanalysen und Minisequenzierung eine schnelle und effektive Untersuchungsmethode. Anhand von zwei Fallstudien, in denen Skelettfunde mit forensischem und archäogenetischem Hintergrund untersucht wurden, wird dargestellt, dass Y-SNPs sich besonders für Untersuchungen von degradiertem DNA-Material eignen. Es wird gezeigt, dass sich mit Y-SNPs aufgrund ihrer Populationsspezifität eine Vorhersage der geographischen Herkunft unbekannter DNA aus Spurenmaterial vornehmen lässt, und zwar besser als mit jedem anderen einzelnen genetischen Marker. Diese charakteristische Information aus dem Bereich der DNA intelligence kann bei Fällen ohne Vergleichsproben („cold cases“), sowie bei der Aufklärung von Vermisstenfällen zur sinnvollen Eingrenzung des Personenkreises verwendet werden. Um die geographische Verteilung der Haplogruppen zu ermitteln, ist die Durchführung von regionalen Populationsstudien wie sie hier für indigene und moderne Populationen durchgeführt wurden, unerlässlich. Dass diese Studien darüber hinaus auch zum Verständnis von Migration, Populationsgenese und prähistorischen sowie historischen Ereignissen in der Menschheitsgeschichte beitragen können, wird hier am Beispiel der Besiedlung Südamerikas demonstriert.
A challenge of forensic casework is to meet the increasing demands on molecular analyses. Even low copy or strongly fragmented DNA should provide helpful genetic information for the purpose of solving criminal cases. The analysis of Y-linked Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs) is a new approach to comply with most difficult cases. The method extends the current forensic DNA analysis spectrum by providing DNA intelligence information. In this work, a hierarchical assay to analyze SNP defined haplogroups along the phylogeny of the Y chromosome is presented, assigning each male DNA to a temporal and spatial specified branch of the genetic genealogy of modern humans. The combination of PCR-multiplexes and minisequencing provides an effective and sensitive approach. With the application of these techniques to two case studies, where skeletal remains were investigated with forensic and archaeogenetic background, it is shown that Y-SNPs are valuable genetic markers to analyze especially degraded DNA material. Furthermore, it could be demonstrated that due to the population specificity of Y-SNPs, the geographical origin of unknown male DNA can be identified much better than with any other single genetic marker. This “intelligence” information can support police investigations in “cold cases” in which no suspect is known and in missing person cases to narrow down the number of concerned persons. Population studies are essential for revealing the phylogeographical distribution of Y-chromosomal haplogroups. Here, authochthonous and admixed populations were examined for this purpose. The results of these studies also contribute to the understanding of the past demography of populations shaped by founder effects, migration, admixture and bottlenecks. This is illustrated by the example of the peopling of South America.