Das Marfan-Syndrom ist eine relativ häufige hereditäre Erkrankung des Bindegewebes mit wichtigen Manifestationen im Skelett, Auge und Herzkreislaufsystem. Das Marfan-Syndrom wird autosomal dominant vererbt und durch Mutationen im Gen für Fibrillin-1, FBN1, verursacht. Die erhöhte Sterblichkeit bei unbehandelten Personen beruht zum größten Teil auf kardiovaskulären Komplikationen wie Aortendissektion und -ruptur. Das Marfan- Syndrom kann als Erfolgsgeschichte der molekularen Medizin der letzten zwei Jahrzehnte betrachtet werden, nachdem die Charakterisierung der biochemischen Funktionen des Fibrillin-1 und der Grundlagen der molekularen Pathophysiologie des Marfan-Syndroms in Mausmodellen in Form von Losartan und Doxyzyklin zur Einführung von zwei wirksamen Therapien in Mausmodellen geführt hat. Die vorliegende Habilitationsschrift befasst sich mit FBN1-Mutationen und Genotype-Phänotyp-Korrelationen, Untersuchungen über die Rolle von Fibrillin-1-Fragmenten bei der Pathogenese des Marfan-Syndroms, einer klinischen Charakterisierung der mit dem MFS verwandten Erkrankung Shprintzen- Goldberg-Syndrom sowie Untersuchungen über die molekularen Mechanismen der Genexpression des FBN1. Mutationen im FBN1-Gen verursachen nicht nur das klassische Marfan-Syndrom, sondern auch eine Reihe von verwandten Bindegewebserkrankungen, die als Typ-1-Fibrillinopathien bezeichnet werden. Das neonatale Marfan-Syndrom ist durch eine Reihe von außergewöhnlich schweren klinischen Manifestationen gekennzeichnet und weist eine hochsignifikante Korrelation mit Mutationen im mittleren Bereich des FBN1-Gens auf. Bei vielen Personen, die Spezialsprechstunden für Marfan-Syndrom aufsuchen, kann ein Marfan-Syndrom ausgeschlossen bzw. kein übergeordnetes Syndrom identifiziert werden. Die sich aus der Überlappung zwischen Personen aus der Allgemeinbevölkerung mit einigen Bindegwebsanomalien und Personen mit einem oligosymptomatischen Marfan-Syndrom ergebende klinische Grauzone und die damit einhergehende klinische Überdiagnose des Marfan-Syndroms scheint ein Grund für die relativ niedrige Mutationsdetektionsrate in vielen größeren Studien zur FBN1-Mutationsanalyse zu sein. Missense-Mutationen in cbEGF-Modulen sind die am häufigsten zu beobachtenden Mutationen beim MFS und betreffen in der Regel einen der sechs absolut konservierten Zysteinreste oder Reste der Konsensussequenz für Kalziumbindung. Mutationen dieser Reste in cbEGF-Module führten bei in vitro Versuchen dazu, dass rekombinante Fibrillin-1-Konstrukten destabilisiert werden. Dies könnte bedeuten, dass mutierte Monomere eine Schwachstelle in den hochpolymeren fibrillinhaltigen Mikrofibrillen bilden, die zur Entstehung von Fibrillin-1-Fragmenten führen könnte. Es konnte gezeigt werden, dass zwei unterschiedliche rekombinante Fibrillin-1-Fragmente zur Hochregulation der Matrixmetalloproteinase-Expression führen, was beim ersten Fragment auf ein integrinbindendes RGD-Motiv, beim anderen Fragment auf ein Elastinbindendes-Protein-Erkennungsmotiv zurückzuführen ist. Zusammengenommen legen unsere Ergebnisse daher nahe, dass Mutationen in FBN1 zur erhöhten Produktion von Matrikryptinen führen können. Ferner konnte gezeigt werden, dass Aortenextrakte des mgR-Marfan-Mausmodells über Wechselwirkungen mit dem elastinbindenden Protein die Makrophagenchemotaxis stimulieren können und dass ein Fibrillin-1-Fragment eine derjenigen von Elastinabbaupeptiden ähnliche chemotaktische stimulatorische Aktivität besitzt. Die Ergebnisse liefern eine plausible molekulare Erklärung für die bei der mgR-Maus zu beobachtenden inflammatorischen Infiltrate und legen nahe, dass die Entzündung eine Komponente der komplexen Pathogenese des MFS darstellen könnte. Des weiteren wurde eine klinische Charakterisierung des Shprintzen-Goldberg-Syndroms vorgestellt. Es handelt sich um eine mit dem Marfan-Syndrom phänotypisch verwandten Erkrankung. Die in den nächsten Jahren zu erwartende Klärung der molekularen Ursachen des Shprintzen-Goldberg-Syndroms wird zum Verständnis der molekularen Netzwerke beitragen, die mit marfanoiden phänotypischen Merkmalen assoziiert sind. Verschiedene Ergebnisse haben nahegelegt, dass die Expression des normalen FBN1-Allels einen modifizierenden Faktor für die klinische Ausprägung des Marfan-Syndrom darstellen könnte, weshalb es wichtig ist, die molekularen Grundlagen der FBN1-Genregulation besser zu verstehen. Wir konnten zeigen, dass ein ultrakonservierter Sequenzblock mit vorhergesagten Bindungsstellen für SP1, Inr, DPE und ein 10 Nukleotide umfassendes palindromisches Element die Expression des am stärksten exprimierten alternativen Transkripts des FBN1 steuert. Dies liefert eine Basis für künftige Studien über die Bedeutung der FBN1-Genregulation bei der Ausprägung des Phänotyps des Marfan-Syndroms.
Marfan syndrome (MFS) is a relatively common inherited disorder of connective tissue with prominent manifestations in the skeleton, eye, and cardiovascular system. MFS is inherited in an autosomal dominant fashion and is caused by mutations in the gene for fibrillin-1, FBN1. Early mortality in untreated persons with MFS is mainly due to cardiovascular complications such as aortic dissection and rupture. MFS can be viewed as one of the success stories of molecular medicine in the last decades, after the characterization of the biochemical functions of fibrillin-1 and the basis of the molecular pathophysiology of MFS led to the introduction of two efficacious forms of medical therapy in mouse models for the MFS, doxycyclin and losartan. This habilitation deals with FBN1 mutations and genotype-phenotype correlations in MFS, investigations of the role of fibrillin-1 fragments in the pathogenesis of MFS, the clinical characterization of a related disorder termed Shprintzen Goldberg Syndrome (SGS), as well as molecular genetic investigations about the mechanisms of FBN1 gene expression. Mutations in FBN1 can cause not only classical MFS, but also a series of related disorders of connective tissue that have been termed type 1 fibrillinopathies. Neonatal MFS is characterized by a number of unusually severe clinical manifestations and displays a highly significant association with mutations in the middle of the FBN1 gene. Many persons presenting in specialized clinics for MFS do not actually have MFS or any identifiable syndrome. Individual relatively nonspecific features of MFS are also common in the general population, so that it is often difficult to distinguish between persons with a few anomalies of connective tissue from persons with oligosymptomatic forms of MFS. This fact has tended to lead to clinical overdiagnosis of MFS, which in turn seems to be a reason for the relatively low mutation detection rates reported in many studies on FBN1 mutation analysis. Missense mutations in cbEGF modules are the most commonly observed mutations in MFS and generally affect one of the six absolutely conserved cysteine residues or residues of the consensus sequence for calcium binding. Mutations of these residues led to destabilization of recombinant fibrillin-1 constructs in in vitro experiments. This could imply that mutant fibrillin-1 monomers represent a kind of Achilles' heel in the highly polymeric fibrillin-containing microfibrils that lead to the production of fibrillin-1 fragments. It was shown that two different recombinant fibrillin-1 fragments induce upregulation of matrix metalloproteinase expression related to either an integrin-binding RGD sequence or an elastin-binding protein (EBP) recognition motif. Taken together, our results suggest that mutations in FBN1 could lead to the production of matricryptins. It was additionally shown that aortic extracts of the mgR MFS mouse model stimulate macrophage chemotaxis via interactions with EBP and that a fibrillin-1 polypeptide with an EBP recognition motif has a similar stimulatory effect on macrophage chemotaxis. These results provide a plausible explanation for the inflammatory infiltrates observed in the aortic wall of the mgR mouse and suggest that inflammation could be one component of the complex pathogenesis of MFS. The SGS is phenotypically related to MFS. A comprehensive clinical characterization of this syndrome was performed. It is thought that the expression of the normal FBN1 allele could be a modifying factor for the severity of MFS. For this reason, it is important to understand the molecular basis of FBN1 gene regulation. It was shown that an ultraconserved sequence with predicted binding sites for SP1, Inr, DPE, and a 10 nucleotide palindromic element drive the expression of the main alternative transcript of FBN1. This study provides a starting point for future studies on the role of FBN1 gene regulation as a factor in the variable expressivity of MFS.