Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wurde das Flammschutzmittel Polybromierte Diphenylether (PBDE) als eine der persistierenden Chemikalien in zunehmender Konzentration in biologischen Proben der Umwelt gefunden. Experimentelle Studien an Nagetieren weisen auf die breite Spanne an toxischen Eigenschaften dieser Substanzklasse hin, wie die Effekte auf den Schilddrüsenhormonhaushalt und das Verhalten bei Labortieren zeigen. Die Exposition während kritischer Phasen der Organogenese und die Empfindlichkeit des sich entwickelnden Organismus gegenüber geringen Abweichungen im Hormonhaushalt können zu lang andauernden und oft permanenten Effekten führen. In dieser Arbeit wurde die Wirkung von 2,2’4,4’-Tetrabromodiphenylether (PBDE 47) auf die neuro- physiologische Entwicklung von Rattennachkommen, unter Berücksichtigung von geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Empfindlichkeit gegenüber hormonellen Störungen, untersucht. Die in diesem Experiment verwendeten Dosierungen bewegten sich im Bereich der Konzentrationen, denen der Mensch in der Umwelt ausgesetzt ist. Trächtige Wistar-Ratten wurden an Tag 6 der Trächtigkeit einmalig per Schlundsonde mit 140 µg und 700 µg PBDE 47/kg KG behandelt. Um mögliche Schilddrüsenhormon-vermittelte Effekte bestimmen zu können, wurde als Positivkontrolle eine zusätzliche Gruppe von Tag 7 bis Tag 21 der Trächtigkeit mit der Substanz 6-n-Propyl-2-Thiouracil (PTU) über das Trinkwasser in einer Konzentration von 5 mg/Liter behandelt. Die Effekte auf den Schilddrüsenhormonstatus bei Muttertieren und Nachkommen während der Laktationsperiode sowie die Auswirkungen der Behandlung auf die neuro- physiologische Entwicklung der Jungtiere anhand verschiedener Entwicklungs- und Verhaltensparameter wurden zu verschiedenen postnatalen Zeitpunkten untersucht. Die Ergebnisse dieser Arbeit können wie folgt zusammengefasst werden: Die einmalige Behandlung mit 700 µg PBDE 47/kg KG führte bei den Muttertieren am Wurftag (postnatal Tag 1 (PND 1)) zu einer signifikanten Reduktion von T4 und TSH. Bei den männlichen Nachkommen wurde an PND 1 nach pränataler Exposition gegenüber PBDE 47 eine signifikante Reduktion von T3 beobachtet. Die Schilddrüsenhormone der weiblichen Nachkommen waren bei der Geburt nicht signifikant verändert. An PND 22 wurde bei den männlichen Nachkommen in beiden PBDE-Dosisgruppen eine nicht signifikante Erhöhung der T4- und FT4-Konzentration beobachtet, während die TSH-Konzentration nur in der PBDE 140-Gruppe verringert war. Im Gegensatz dazu zeigten die weiblichen Nachkommen nur nach Behandlung in der PBDE 140-Gruppe eine signifikante Erhöhung der Konzentrationen an FT3. Das Auftreten der Entwicklungsparameter Augenöffnung und Zahnentwicklung war bei den Nachkommen beiden Geschlechts in allen Behandlungsgruppen verzögert. Nach Behandlung mit PBDE 47 in der PBDE 700-Gruppe nahm die basallokomotorische Aktivität sowohl der Männchen als auch der Weibchen an PND 35 deutlich zu. Bei den weiblichen Nachkommen hielt diese Hyperaktivität bis zum PND 70 an. An PND 80 wurde bei beiden Geschlechtern eine signifikant höhere Erkundungsaktivität als bei den Kontrolltieren beobachtet. Die weiblichen Nachkommen der hohen Dosisgruppe zeigten verminderte Emotionalität, während die männlichen Nachkommen ein geringeres Angstverhalten aufwiesen. Aus den Ergebnissen der hier vorliegenden Untersuchungen kann gefolgert werden, dass die prä- und postnatale Behandlung von Rattennachkommen mit PBDE 47 zu einer Verzögerung der postnatalen Entwicklung und zu geschlechtsspezifischen Verhaltensänderungen führte. Hierbei zeigten die weiblichen Nachkommen eine stärker ausgeprägte Hyperaktivität. Eine am Ende der Laktation beobachtete Erhöhung der Schilddrüsenhormone weist auf einen Schilddrüsenhormonvermittelten Wirkungsmechanismus hin. Die Exposition während eines sehr frühen Entwicklungsstadiums, in dem das Gehirn stark wächst, scheint ausschlaggebend zu sein für die Entstehung und Ausprägung der beobachteten Effekte. Da ein physiologisches Schilddrüsenhormongleichgewicht in diesem Prozess eine entscheidende Rolle spielt, können Störungen dieses empfindlichen Gleichgewichts durch endokrin wirksame Chemikalien die Gehirnentwicklung nachhaltig beeinträchtigen und zu den beschriebenen Verhaltensänderungen führen. Trotz rückläufiger Umweltkonzentrationen einiger dieser Schadstoffe lassen sich bereits im Bereich der Normalbelastung Beeinträchtigungen der mentalen und motorischen Entwicklung von Kleinkindern feststellen. Daher ist es notwendig, Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer deutlichen Senkung der Körperbelastung führen.
Polybrominated flame retardants (PBDE) are applied in large amounts in various industrial products and are therefore ubiquitous in the environment. Within the last decades increasing concentrations of PBDE were detected in biological monitoring samples as one of the most persistent group of chemicals. In rodent experimental studies PBDEs exhibited a broad spectrum of toxic properties, in particular effects on thyroid hormone homeostasis or on neurodevelopment and behaviour. Exposure to chemicals during critical phases of organogenesis as well as the sensitivity of the developing organism towards even slight changes in hormone homeostasis can lead to persisting and often irreversible alterations in offspring. In the present study the effects of 2,2’4,4’-Tetrabromodiphenylether (PBDE-47) on the neurological development in rat offspring was investigated. Furthermore, special attention was given to gender-specific differences regarding the sensitivity towards hormonal disturbances during development. Dose selection was based on the actual body burden of humans exposed to PBDEs via the environment. Pregnant Wistar rats received a single dose of either 140 µg or 700 µg PBDE 47/kg body weight per gavage on gestation day (GD) 6. A further group was treated with the goitrogen 6-n-Propyl-2-Thiouracil (PTU), which served as positive control, via the drinking water from GD 7 through 21. Effects on thyroid hormone concentrations in dams and offspring as well as neurodevelopmental and –behavioral parameters of offspring at different postnatal time points were investigated. The results of this investigation can be summarized as follows: The single treatment of dams with 700 µg PBDE 47 resulted in a significant decrease in T4 and TSH blood concentrations of dams on postnatal day (PND) 1. Male offspring exhibited a significant decrease in T3 concentrations on PND 1, while in female offspring thyroid hormone levels were unaffected at this time point. At the end of lactation, on PND 22, a non-significant increase in T4 and fT4 concentrations was observed in male offspring at both dose levels. In contrast, female offspring showed a significant increase in fT3 levels after treatment with 140 µg PBDE 47 only. In addition, male TSH levels were decreased after exposure to 140 µg PBDE 47. The occurrence of the developmental landmarks eye opening and incisor eruption was delayed in female and male offspring at both dose levels. On PND 35 basal locomotor activity was significantly increased in female and male offspring after exposure to 700 µg PBDE 47. In female offspring this hyperactivity persisted until PND 70. At adulthood, on PND 80, both sexes exhibited a significantly increased exploratory behaviour compared to the control animals. Furthermore, decreased levels of anxiety and emotionality were observed in female offspring. From the results of the present study it can be concluded, that pre- and postnatal exposure to PBDE 47 resulted in a delayed postnatal development and sex- specific behavioral alterations in rat offspring. Rat offspring of both sexes exhibited hyperactivity, which was more pronounced in the female animals. The observed increase in thyroid hormone concentrations at the end of lactation serves as an indication for a thyroid hormone-mediated mechanism of action for PBDE 47. Exposure during an early stage of brain development seems to be crucial for the onset and characteristic of the observed effects. Since a physiological homeostasis of thyroid hormones plays an important role in this process, disruption of this sensitive hormonal balance by endocrine active substances may substantially affect brain development leading to the reported alterations in behaviour. Despite declining environmental concentrations of some of these endocrine active substances, impairment of mental and motor skills in children are increasingly reported. It is therefore necessary to take measures that lead to a reduction of the human exposure and consequently the body burden of these substances.