Hintergrund. Die Depression ist mit einer Lebenszeitprävalenz von etwa 15-17% eine der häufigsten psychischen Erkrankungen und gesundheitspolitisch sowie ökonomisch von enormer Bedeutung. Nach der kognitiven Theorie von A.T. Beck ist die zentrale Problematik bei Depression eine Wahrnehmungs- und Interpretationseinseitigkeit der betroffenen Personen. Trotz verschiedener Anhaltspunkte, dass die Wahrnehmung emotionaler Stimuli bei Patienten mit unipolarer Depression aufgrund von kognitiver Verzerrung verändert ist, bleibt die Frage, ob eine verzerrte sensorische Verarbeitung kognitive Prozesse beeinflusst. Die vorliegende Dissertation untersucht die Frage, ob die Wahrnehmung von Patienten mit unipolarer Depression durch eine veränderte Verarbeitung emotionaler Stimuli beeinflusst ist, und zwar unabhängig von kognitiven Prozessen. Methodik. Zwanzig Patienten mit unipolarer Depression und zwanzig gesunde Kontroll-probanden wurden mit einer Variante des binokularen Wettstreits, dem „breaking Continous Flash Suppression“ (b-CFS), untersucht. Den durch eine Spiegelvorrichtung blickenden Probanden wurden gleichzeitig unterschiedliche Stimuli gezeigt. Während dem einen Auge ein emotionaler Gesichtsstimulus (neutral, ängstlich, fröhlich, traurig) präsentiert wurde, wurde dem anderen Auge ein hoch-kontrastiertes, mehrfarbiges und animiert-gepixeltes Quadrat gezeigt, was zu einer initialen Unterdrückung der bewussten Wahrnehmung des Gesichtsstimulus führte. Die Lokalisation des Gesichts-stimulus wurde von den Probanden, sobald er sichtbar wurde, per Tastendruck ange-geben und der Zeitraum zwischen Präsentation und Tastendruck wurde als Maß für die Unterdrückungszeit genutzt. Die Reaktionszeiten jeder emotionalen Gesichtskategorie wurden in einer Kontrollbedingung ermittelt und von der Unterdrückungszeit jeder Kategorie subtrahiert. Anschliessend wurde eine relative Unterdrückungszeit für die verschiedenen emotionalen Gesichtsausdrücke (ängstlich, fröhlich, traurig) in Relation zu neutralen Gesichtsausdrücken ermittelt und als Kennzahl für die nicht-bewusste Emotionsverarbeitung genutzt. Ergebnisse. (1) Es besteht ein signifikanter Unterschied in der relativen Unterdrü-ckungszeit emotionaler Gesichtsstimuli zwischen unipolar depressiven Patienten und gesunden Kontrollprobanden. (2) Dieser Unterschied war hauptsächlich auf eine relativ kürzere Unterdrückungszeit stimmungskongruenter trauriger Gesichtsstimuli und zudem auf eine längere Unterdrückungszeit stimmungsinkongruenter fröhlicher Gesichts-stimuli in der Patientengruppe zurückzuführen. (3) Kürzere relative Unterdrückungs-zeiten für traurige Gesichtsausdrücke in der Patientengruppe korrelierten mit kleineren selbstberichteten Veränderungen der Symptomschwere der Depression nach vier Wochen und könnten auf ein schlechteres Ansprechen auf Therapie hinweisen. Schlussfolgerung. Die vorliegenden Ergebnisse unterstützen die Theorie, dass bei depressiven Patienten eine automatische, nicht-bewusste und unabhängig von Kognitionen ablaufende Verarbeitungsbevorzugung stimmungskongruenter Informati-onen vorliegt, welche die bewusste Wahrnehmung verzerrt. Eine solche Verarbeitungs-bevorzugung für stimmungskongruente Informationen verstärkt möglicherweise die depressive Stimmung und trägt zur negativen kognitiven Verzerrung der Wahrnehmung depressiver Patienten bei.
Background. With a lifetime prevalence of 15-17% depression is one of the commonest psychological diseases and of enormous healthpolitical and economic importance. According to the cognitive theory of A.T. Beck the main problem of depression is a perception and interpretation bias of the affected persons. Despite indications, that the altered perception of emotional stimuli of patients with depression is due to a cognitive bias it`s questionable if the biased sensoric processing influences bottom-up cognitive processing. This dissertation examined the question, whether perception of patients with major depressive disorder is associated with a biased processing of emotional stimuli regardless of cognitive processing. Method. Twenty patients with major depressive disorder and twenty healthy control participants were examined with a variant of the binocular rivalry the so-called breaking continous flash suppression (b-CFS). While a neutral, fearful, happy or sad emotional face was presented to one eye, high-contrast dynamic patterns were presented to the other eye, resulting in initial suppression of the face from awareness. Participants indicated the location of the face with a key press as soon it became visible and the period between presentation and key press was used as a measure of suppression time. Reaction times to each emotional face category were determined in a control condition and subtracted from the suppression times for each category. Subsequently, relative suppression times for fearful, happy and sad faces, respectively, were determined in relation to neutral faces and used as an index of unconscious emotion processing. Results. (1) There is a significant difference in the emotional relative suppression times between patients with major depressive disorder and healthy control participants. (2) This difference was due to relatively shorter suppression of sad faces and, to a lesser degree, to longer suppression of happy faces in the patient group. (3) Shorter relative suppression times for sad expressions in the patient group were related to smaller changes in self-reported severity of depression after 4 weeks and may thus indicate poorer response to treatment. Conclusions. Our finding of preferential access to awareness for mood- congruent stimuli supports the notion that depressive perception may be related to altered sensory information processing even at automatic processing stages. Such perceptual biases towards mood-incongruent information may reinforce depressed mood and contribute to negative cognitive biases.