Mit dem Entstehen der Druckgraphik im 15. Jahrhundert und der Professionalisierung ihrer Produktion in den niederländischen Verlagshäusern des 17. Jahrhunderts entstand bei umfangreichen Sammlungen zunehmend die Notwendigkeit einer Ordnungsstruktur. In der Frühphase der Gattung des Sammlungstraktakts lassen sich diese als Indikator für den theoretischen Hintergrund geltend machen. Der gängigen Kunsttheorie folgend basieren die Ordnungen zumeist auf dem Primat des disgeno; der erfindende Künstler nimmt folglich den höchsten Rang der Wertschätzung und auch der Sammlungsstruktur ein. Die Druckgraphik wird dabei vor allem als Malerei reproduzierende Kunst wahrgenommen. Dem gänzlich entgegenstehend markiert die Sammlung von Paulus Behaim (1592-1637) in ihrer Kombination aus Sammlung, Archiv und Laboratorium die früheste Würdigung der Druckgraphik als eigenständige und nicht nur reproduzierende Kunst. Ausgehend von den erhaltenen Inventaren der Druckgraphik und Druckformen und ihrer Ordnungsstruktur untersucht die Arbeit, inwiefern die Druckgraphik für Behaim eine Unterform der skulpturalen Kunst ist. In dem er die Rolle des Stechers aus der kollektiven Autorschaft der Druckgraphik hervorhebt und ihr eine übersetzende und damit originäre Leistung zuerkennt, gelangt er zu einer neuartigen und spezifischen Würdigung des Mediums. Hierfür vereint Behaim die Kenntnisse aus seiner auf zeitgenössische Vollständigkeit angelegten Sammlung von Druckgraphik, deren Ordnungsstruktur neueste wissenschaftliche Konzepte des 17. Jahrhunderts widerspiegelt, aus praktischen Versuchen mit Hilfe seiner Sammlung von Druckformen sowie aus der Erforschung historischer Oeuvres, wie sie sich im frühesten erhaltenen Verzeichnis der Druckgraphik Albrecht Dürers niederschlägt. Die Sammlung Behaim markiert den Beginn einer eigenständigen wissenschaftlich-empirischen Auseinandersetzung mit dem Medium der Druckgraphik, den Beginn der Kupferstichkunde.
With the invention of print in the 15th century and the emergence of Dutch publishing houses in the 17th century the need to bring logical collocation to large amounts of prints grew. This order can be utilized to understand the theoretical approach behind its organization. Most early collections are classified according to contemporary art theory: The inventor ranks the highest, regarding the collectors’ appraisal as well as the position within the order. First and foremost prints are considered as reproductions of paintings. Contrary to this the collection of Paulus Behaim (1592-1637) in its combination of collection, archive, and lab marks the earliest appraisal of print as an independent and not only reproducing art. Based on the collection’s inventories of prints and printing blocks and plates this thesis demonstrates that for Behaim print is part of sculptura, the art of sculpture. Here the engraver is emphasized and his practice is considered as translating and original. By this Behaim has developed a new and specific appreciation of print as an art form. His practice is based on the largest collection of print and printing blocks of its time, technical knowledge gathered by his own printing experiments, and research into historical artist oeuvres. The collection of Paulus Behaim marks the beginning of an independent scholarly approach to print, the beginning of print connoisseurship.