Bis heute existiert keine validierte Alternativmethode, die im Rahmen der Risikobewertung von Chemikalien und Arzneistoffen sowie der toxikologischen Sicherheitsprüfung von Kosmetika den Augenirritations-Test nach Draize am lebenden Kaninchen vollständig ersetzen kann. Für Substanzen mit starkem Augenirritations-Potential kann die Toxizität anhand verschiedener, validierter in vitro Assays im Rahmen einer abgestuften, von der OECD empfohlenen Teststrategie mit hoher Genauigkeit erfasst werden (BCOP-Assay, ICE-Methode). Substanzen mit sehr mildem Augenirritations-Potential können zukünftig möglicherweise durch kommerziell erhältliche, dreidimensionale Cornea-Epithelmodelle identifiziert werden, die sich momentan in der Validierung befinden (EpiOcularTM Modell, SkinEthik HCETM Modell). Dagegen muss insbesondere die Lücke im Bereich der milden bis moderaten Augenirritation durch neue Alternativmethoden geschlossen werden. Die Überprädiktivität/ hohe Sensitivität der dreidimensionalen Epithelmodelle sowie die Forderung nach einem mechanistischen Ansatz, der die Tiefe der cornealen Verletzung durch toxische Substanzen berücksichtigt und damit ermöglicht, die gesamte Bandbreite an Schweregraden okulotoxischer Reaktionen abzudecken (Jester et al., 2001), erfordert die Einbeziehung weiterer cornealer Schichten, Stroma und Endothel, in ein organotypisches in vitro Modell der Cornea. Die vorliegende Arbeit hatte zum Ziel, ein solches, von Zorn-Kruppa et al. etabliertes Komplettmodell der Cornea aus drei humanen, SV40-immortalisierten Zelllinien hinsichtlich des Kulturmediums zu optimieren und diese Endothel (EC)-, Keratocyten (HCK)- und Epithel (HCE)-Zelllinie an ein gemeinsames, möglichst serumfreies Wachstumsmedium zu adaptieren. EC und HCK wurden zudem in Abhängigkeit von Art und Serumgehalt des Kulturmediums hinsichtlich der Frage, ob die organotypischen Merkmale der primären Zellen trotz der SV40-Immortalisierung erhalten geblieben sind, charakterisiert. Die EC-Zelllinie wurde auf ihre Fähigkeit zur interzellulären Kontaktinhibition untersucht, welche nach dem Erlangen der zellulären Konfluenz die Vorraussetzung zur Ausbildung und Aufrechterhaltung eines organotypischen Endothel-Monolayers darstellt (Joyce et al., 2002). Die Keratocytenzelllinie HCK wurde in Monolayer-Kultur und nach Einbettung in die collagenöse Matrix des Stroma-Äquivalents phänotypisch und funktionell sowie in Abhängigkeit von Serum und Wachstumsfaktoren charakterisiert. Insbesondere wurde die Transformation der HCK in fibrotische Phänotypen nach Stimulation mit TGFβ untersucht, welche in vivo an cornealen Wundheilungsreaktionen beteiligt sind (Fini und Stramer, 2005, Jester et al., 1999). Bei der Untersuchung der EC- Zelllinie zeigte sich FKS als obligatorisch für das Zellwachstum, eine Adaption an serumfreie Kulturbedingungen war nicht möglich. Untersuchungen zur Kontaktinhibition ergaben, dass die EC weder zur Ausbildung eines organotypischen Monolayers noch zur Zellkontakt-induzierten Proliferationshemmung in der Lage sind. Dies ist vermutlich auf eine Störung der an der Zellzykluskontrolle beteiligten Mechanismen durch die Immortalisierung mittels Transfektion mit dem SV40-Large-T-Antigen, einem viralen Onkoprotein, zurückzuführen. Die morphologisch korrekte Nachbildung eines endothelialen Monolayers bei der Rekonstruktion des dreidimensionalen Komplettmodells der humanen Cornea nach Zorn-Kruppa ist demnach vorerst nicht möglich. Auch die Implementierung der EC in ein serumfreies Konstrukt konnte nach den vorliegenden Ergebnissen leider nicht erfolgen. Die Keratocytenzelllinie HCK hingegen behielt auch nach Adaption an ein neu entwickeltes serumfreies Medium ihre Proliferationskapazität und kehrte gleichzeitig durch den Entzug von FKS zu einem ruhenden, nicht-kontraktilen Keratocyten-Phänotyp zurück. Die Kultivierung der HCK im serumhaltigen Standardmedium stimulierte zwar das Zellwachstum, führte aber zu einem Verlust der dendritischen Morphologie und zur Differenzierung in fibrotische Phänotypen, Fibroblasten und α-SMA-exprimierende Myofibroblasten. Dies war auf den TGFβ-Gehalt des Fötalen Kälberserums (FKS) zurückzuführen, welcher bekanntlich die Myofibroblasten-Differenzierung primärer Zellen in vitro und in vivo stimuliert. Die Einbettung der HCK in das collagenöse Stroma- Äquivalent resultierte sowohl unter serumfreien als auch unter serumhaltigen Bedingungen in einem Rückgang der α-SMA-Expression im Vergleich zur Monolayer- Kultur, was auf eine Dedifferenzierung des myofibroblastoiden Phänotyps hinweist und eventuell auf einem Verlust der interzellulären Mechanotension durch den Collagen-Kontakt basiert. Die Stimulation mit TGFβ1 (2ng/ml) verminderte die Proliferation der HCK und führte sowohl in der Monolayer- Kultur als auch unter Gel-Bedingungen zu einer Transformation der Zellen in hochkontraktile Myofibroblasten, die eine starke, makroskopisch sichtbare Kontraktion der Stroma-Äquivalente auslösten. Ruhende Keratocyten hingegen besitzen keine kontraktilen Eigenschaften, die Fläche der serumfreien Stroma- Äquivalente blieb deshalb konstant. Demzufolge spiegelte sich der Phänotyp der Stroma-inkorporierten HCK in der Kontraktion der Collagengele wider. Dies ermöglicht eine einfache Einschätzung zur phänotypischen Entwicklung der eingebetteten HCK anhand ihrer kontraktilen Eigenschaften und macht das serumfreie Stroma-Konstrukt zudem zum idealen Baustein eines mechanistischen in vitro Wundheilungsmodells. Abschließend wurde ein komplexes in vitro Testmodell aus dem in dieser Arbeit charakterisierten Stroma-Äquivalent und dem von Seeber et al. charakterisierten Epithel (SE-Modell) sowie ein einfaches dreidimensionales Epithelmodell (EPI-Modell) in Zellkultureinsätzen rekonstruiert und deren Sensitivität gegenüber zwei Detergenzien mit bekanntem Irritationspotential vergleichend untersucht. Viabilitätsuntersuchungen nach Exposition mit TritonX-100 zeigten die Überlegenheit des SE-Modells, dessen Ergebnisse denen kommerziell erhältlicher Epithelmodelle ähnelten, gegenüber dem übermäßig sensitiven EPI-Modell. Versuche mit BAC hingegen ergaben eine gleichermaßen hohe Sensitivität beider Modelle, was vermutlich auf den alternativen Toxizitätsmechanismus dieser Testsubstanz zurückzuführen ist, d.h. einer primär stark Zellmembran-schädigenden Wirkung. Bei ersten Versuchen zur Regenerationsfähigkeit des EPI- und SE-Modells nach Schädigung mit TritonX-100 ließ sich bei beiden Konstrukten innerhalb von 48 Stunden keine vollständige Erholung der Viabilität feststellen, was vermutlich auf einen anhaltenden toxischen Effekt von TritonX-100 zurückzuführen ist. Um eine Eignung dieser rekonstruierten in vitro Cornea-Modelle für die Einstufung des Irritationspotentials chemischer Substanzen sowie die Einschätzung eines persistierenden toxischen Effekts anhand der Regeneration der Modelle belegen zu können, muss allerdings eine großes Spektrum an Substanzen mit unterschiedlichen physiko-chemischen Eigenschaften getestet werden.
Currently, there is no regulatory accepted alternative method to fully replace the Draize rabbit eye irritation test on the living animal in risk assessment of chemicals, testing of pharmaceuticals and toxicological safety assessment of cosmetics. The toxicity of chemical substances with severe eye irritation potential can be evaluated by several validated in vitro assays (BCOP-assay, ICE-method) in the framework of a tiered testing strategy that is recommended by the OECD. Very mild irritants may soon be identified by commercially available, three-dimensional models of the corneal epithelium that are currently under validation (EpiOcularTM Modell, SkinEthik HCETM Modell). However, the gap between mild and moderate eye irritation potential has to be closed by new alternative methods. The high sensitivity of the three- dimensional epithelial models, as well as the call for a mechanistically based method that considers the depth of the corneal injury and therefore covers the whole severity range of toxic reactions (Jester et al., 2001), demands an implementation of other corneal structures, such as stroma and endothelium, in an organotypic in vitro model of the human cornea. The aim of the present work was to optimise an already existing full-thickness-model of the human cornea, which was established by Zorn-Kruppa et al. from three SV40-immortalised human cell lines, with respect to their culture conditions and to adapt this endothelial (EC)-, keratocyte (HCK)- and epithelial (HCE)-cell line to a common serumfree culture medium. EC and HCK were characterised with regard to the preservation of organotypic features despite SV40-immortalisation, depending on the culture medium and its serum content. The EC-cell line was examined with regard to intercellular contact inhibition, which is an important feature of primary endothelial cells that allows them to establish and sustain an organotypic monolayer after reaching confluency (Joyce et al., 2002). The keratocyte cell line HCK was characterised in monolayer culture and after embedding in the stromal collagen-matrix. Phenotype and functionality were studied with respect to the presence of serum and growth factors. The work focussed on the HCK transformation into fibrotic phenotypes, fibroblasts and myofibroblasts after stimulation with TGF since those phenotypes are involved in corneal wound healing in vivo (Fini und Stramer, 2005, Jester et al., 1999). In contrast to the results for HCK and HCE, FCS showed to be mandatory for EC proliferation. Hence the adaptation of the EC to serum-free culture conditions was not possible. Contact inhibition experiments demonstrated that EC are unable to build an organotypic monolayer and to cease proliferation due to intercellular contact. This is possibly caused by the failure of mechanisms involved in cell cycle control as a result of the immortalisation by transfection with the SV40-large-T-antigen, a viral oncoprotein. Therefore, the morphologically exact rebuilding of an endothelial monolayer during the reconstruction of the three-dimensional full-thickness- model of the human cornea developed by Zorn-Kruppa is not possible for now. An implementation of the EC in a serum-free corneal construct could not be realized at the moment, as shown by the present results. After the adaptation to a newly developed serum-free medium the keratocyte cell line HCK retained its proliferation capacity and returned to a quiescent, non-contractile phenotype, caused by serum deprivation. The serum containing standard medium on the one hand stimulated HCK growth but on the other hand caused a loss of the keratocyte morphology and induced the transformation into fibrotic phenotypes, fibroblasts and -SMA containing myofibroblasts. This resulted from the TGF-content of fetal calf serum (FCS), which is known to stimulate myofibroblast differentiation in vitro and in vivo. Embedding HCK in the stromal collagen-matrix reduced -SMA expression under serum-free as well as under serum-containing conditions, when compared to monolayer cultures. This finding points at a dedifferentiation of the myofibroblast phenotype and is possibly based on the loss of intercellular mechanotension due to collagen contact. The stimulation with TGF1 (2ng/ml) reduced HCK proliferation and led to a transformation into highly contractile myofibroblasts that caused a strong, macroscopically visible contraction of the stromal equivalents under serum-free as well as under serum containing conditions. In contrast, quiescent keratocytes are not contractile. Therefore, the area of the serum- free stromal equivalents remained constant. Consequently, stromal collagen- gel-contraction reflected the phenotype of the matrix-incorporated HCK. This facilitates the evaluation of the phenotypical changes in stroma-embedded HCK on the basis of their contractile features and makes the serum-free stromal construct an ideal component of a mechanistic in vitro wound-healing model. Finally, a complex in vitro test model was reconstructed from the stromal equivalent characterised in this work and an epithelium characterised by Seeber et al. (SE-model) as well as a simple three-dimensional epithelial model (EPI-model). Both models were built in cell culture inserts and their sensitivity against two detergents with known eye irritation potential was compared. Viablity measurements after exposure to TritonX-100 showed an advantage of the SE-model over the EPI-model as the SE-model’s ET50-results were similar to those from commercially available epithelial models. In contrast, exposure to benzalkoniumchloride (BAC) revealed a comparably high sensitivity for both models. This finding is possibly related to an alternative toxicity mechanism of BAC, which is primarily based on strong cell membrane damage. Preliminary experiments focussing on the regenerative capacity of the EPI- and SE-model after tissue damage with TritonX-100 did not show a complete restoration of viability in between the 48 hours observation period which was possibly caused by a delayed toxic effect of TritonX-100. To prove the suitability of those reconstructed in vitro cornea-models for the evaluation of the irritation potential of chemicals as well as for the detection of a persistent toxic effect by analysing tissue regeneration, a representative range of substances with different physico-chemical properties has still to be tested.