Die Dissertation analysiert den Umgang mit Kriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien in Berlin in den Bereichen Politik, Verwaltung (Innen-, Ausländer- und Sozialbehörde) und Justiz. Es werden sowohl die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Handlungsfeldern als auch die Eigengesetzlichkeiten und Charakteristika der jeweiligen Akteure und Entscheidungsräume in den einzelnen Kapiteln herausgearbeitet. Zudem werden Rechtsprechungsvorgaben, die für ein Verständnis der Vorgänge unabdingbar sind, in ihrer prozesshaften und interessengeleiteten Entstehungsgeschichte dargestellt. Das Handeln der Berliner Ausländerbehörde steht jedoch im Zentrum der Analyse, denn sie prägt die Praxis maßgeblich. Die Darstellung lebt von dem umfangreichen veranschaulichenden Material und von zahlreichen Einzelfallbeispielen, die die allgemeinen Thesen nachvollziehbar und abstrakt erscheinende Vorgänge in ihrer konkreten Wirkung auf menschliche Schicksale verstehbar machen sollen. Anhand zahlreicher Behördenbescheide, Weisungsvorgaben und Gerichtsurteile usw. werden die Mechanismen der Ausschaffung erläutert der Begriff Ausschaffung (schweizerdeutsch für Abschiebung) soll die Vielzahl der behördlichen Strategien der Außer-Landes- Schaffung von Flüchtlingen, die sich nicht auf das Mittel der Abschiebung beschränken, umschreiben (sozialrechtliche Diskriminierung, aufenthaltsrechtliche Ausgrenzung und Illegalisierung, allgemeine Entrechtung, Einschüchterung, ideologische Diffamierung usw.). Über das konkrete flüchtlingspolitische Thema hinaus handelt es sich um eine Studie der Bürokratie. Die Exekutive (die Ministerialbürokratie, die Innenverwaltungen der Bundesländer und schließlich die ausführende Verwaltung) dominiert nicht nur im Flüchtlingsbereich aber hier besonders die Politik, während zugleich eine effektive parlamentarische Kontrolle häufig kaum stattfindet. Diese Dominanz der Exekutive und der Verwaltungsapparate (der Fachbeamten und -beamtinnen) kann als eine Politik ohne Politiker bezeichnet werden. In Bezug auf den Behördenumgang mit Flüchtlingen muss von einer inhumanen Bürokratie gesprochen werden, denn tagtäglich werden die Menschenwürde und die existenziellen Interessen der Betroffenen verletzt höchst arbeitsteilig, routiniert und formal korrekt (rechtmäßig). In einem bürokratischen Prozess werden subjektive Schicksale in scheinbar objektive Merkmale und Kategorien umgewandelt; statt den realen Menschen gerecht zu werden, werden letztlich nur noch die Akten über sie verwaltet, immer in dem Bestreben, sie außer Landes zu bringen. Diese Entrechtung der Menschen findet im Namen und mit den Mitteln des Rechts statt, es handelt sich um Menschenrechtsverletzungen im rechtsstaatlichen Gewand.
This broad case study analyses the common work of aliens department, ministry of the interior, administrative jurisdiction and parliamentary system exemplified by the situation of refugees from former Yugoslavia in Berlin. The particular value of this dissertation is first of all its extensive illustrating empirical material and a closer look at the reciprocal effects between the different action fields. It is also a study of bureaucracy and how individuals are transformed into objects by authorities - with often inhuman effects. One conclusion of the research is, that the executive authorities and administrations are dominating the politicians and the parliamentary system - and not the other way round.