Sarcocystis calchasi, ein zum Stamm der Apicomplexa zählender Parasit, wurde 2009 als Erreger der protozoären Enzephalitis der Taube (engl. Pigeon protozoal encephalitis, PPE) identifiziert. Diese zentralnervöse Erkrankung der Haustaube, die durch einen zweiphasigen Krankheitsverlauf gekennzeichnet ist, konnte bisher sowohl in Deutschland als auch in den USA nachgewiesen werden. Zur Pathophysiologie der PPE war bisher kaum etwas bekannt. Ziel dieser Arbeit war es daher, ausgewählte Komponenten der Immunantwort der Haustaube auf eine Infektion mit S. calchasi näher zu charakterisieren und Hinweise dafür zu finden, ob S. calchasi in der Lage ist, die Immunantwort seines Zwischenwirts zu beeinflussen. Zu diesem Zweck wurden zunächst Gehirne von Tauben aus der ersten (n=8) und zweiten Erkrankungsphase (n=7) auf das Vorliegen des Parasiten hin untersucht. Dies geschah sowohl mit Hilfe einer nested-PCR auf DNA-Ebene als auch immunhistochemisch mit Hilfe eines im Rahmen dieser Arbeit entwickelten für S. calchasi-spezifischen Antikörpers. Mit Hilfe der PCR konnte in den Gehirnen aller untersuchten Tiere beider Erkrankungsphasen mit einer Ausnahme in der 2. Phase DNA von S. calchasi nachgewiesen werden. In den Gehirnen der in der ersten Krankheitsphase verstorbenen Tiere lagen keinerlei feststellbare zelluläre Immunreaktionen vor. Dennoch konnten mit Hilfe des spezifischen Antikörpers in vier von acht untersuchten Tieren wenige, vereinzelt vorliegende Schizonten im Gehirn sichtbar gemacht werden. Die Tiere, die aufgrund starker neurologischer Symptome während der zweiten Erkrankungsphase euthanasiert wurden, zeigten hingegen massive lymphohistiozytäre Entzündungszellinfiltrate im Gehirn. Dennoch konnten nur in drei von insgesamt sieben untersuchten Tieren vereinzelt Gewebszysten des Erregers außerhalb der Gewebsläsionen in den unveränderten Gehirnarealen nachgewiesen werden. Im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit wurde mit Hilfe der quantitativen real-time PCR (RT-qPCR) ein Zytokinexpressionsprofil des Gehirns der infizierten Tauben für beide Krankheitsphasen erstellt. Untersucht wurden die Expressionsraten der Zytokine Interleukin (IL) 1, IL-6, IL-7, IL-12, IL-15, IL-18, Interferon gamma (IFN-γ), Tumor-Nekrose Faktorähnlicher Ligand 1A (TL1A), Lipopolysaccharid-induzierter TNF-alpha Faktor (LITAF), Transformierender Wachstumsfaktor β2 (TGF-β2) und des Chemokins IL-8. Um diese relativ quantifizieren zu können, mussten passende Referenzgene ausgewählt und die entsprechenden RT-qPCR- Untersuchungsmethoden etabliert werden. Insgesamt wurden 10 Referenzgene, nämlich β-actin (beta-actin), GAPDH (Glycerinaldehyd- 3-phosphat- Dehydrogenase), Gusb (Glucuronidase, beta), HMBS (Hydroxymethylbilan Synthase), HPRT (Hypoxanthin-Phosphoribosyl-Transferase), RPL13 (ribosomales Protein L13), RPL19 (ribosomales Protein L19), RPS7 (ribosomales Protein S7), TFRC (Transferrin- Rezeptor) und Ywhaz (Tyrosin 3-Monooxygenase / Tryptophan 5-Monooxygenase Aktivierungsprotein, zeta-Polypeptid) für die Taube etabliert. Zusätzlich zu den Zytokinexpressionen wurde mit Hilfe spezifischer Antikörper untersucht, welche Arten von Entzündungszellen an der Ausbildung der Gehirnläsionen während der zweiten Erkrankungsphase beteiligt sind. Im Ergebnis zeigte sich während der ersten Krankheitsphase, der Phase der Schizogonie, im Vergleich zu den gesunden Kontrolltieren eine Herunterregulation von IL-15, IL-18 und IFN-γ (alle drei statistisch signifikant) sowie IL-12 und eine erhöhte Expression der proinflammatorischen Zytokine IL-1β, IL-6 und des Chemokins IL-8. In der zweiten, zentralnervösen Phase hingegen erschien IFN-γ zusammen mit TL1A und LITAF signifikant hochreguliert. Diese vermehrte Expression an proinflammatorischen Zytokinen ging einher mit einer starken Expression des Oberflächenproteins MHC-II in Läsionen des Gehirns. Der Großteil der mononuklearen Zellen wurde mittels immunhistochemischer Untersuchung als T-Lymphozyten identifiziert. Zusammengefasst lassen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit vermuten, dass S. calchasi die TH1-Immunantwort seines Zwischenwirtes während der ersten Krankheitsphase manipulieren kann und auf diesem Wege eine protektive antiparasitäre, zelluläre Immunreaktion verhindert. Während der zweiten, zentralnervösen Krankheitsphase scheint es hingegen zu einer überschießenden T -Zell-vermittelten Immunreaktion im Sinne einer Typ IV Hypersensitivitätsreaktion zu kommen, welche verantwortlich sein könnte für die massiven entzündlichen Veränderungen und Läsionen im Gehirn der Tauben. Betrachtet man beide Phasen in Kombination, scheint es durchaus plausibel, dass diese komplexe Pathologie dem Parasiten die Übertragung vom Zwischenwirt zum Endwirt erleichtern könnte.
Sarcocystis calchasi is an apicomplexan parasite that has been described as the cause of Pigeon Protozoal Encephalitis (PPE) of pigeons in 2009. This central nervous disease of domestic pigeons which is characterized by a biphasic clinical course has so far been identified in Germany and the USA. Until now the pathophysiology of PPE has been unclear. The present work aimed at investigating the immunological response of the domestic pigeons towards an infection with S. calchasi and its ability to interfere with the immune response in PPE. For this reason the brains of pigeons from both clinical phases were examined for the presence of parasite DNA by nested-PCR, which found all but one pigeon positive in both disease phases. Furthermore, a specific antibody for S. calchasi was developed to immunohistochemically analyze the pigeons brains for the presence of parasite protein. During the first phase of disease no cellular immunological reaction was discernable. However, four of eight pigeons had a very low load of positive labeled schizonts in the neuropil. In contrast, all pigeons that had to be euthanized because of severe neurological signs during the second phase of disease had a massive lymphohistocytic immune cell infiltration in the brain. Importantly, in only three of seven pigeons few tissue cysts of the parasite could be immunohistochemically labeled in unaffected areas. In the second part of this thesis, the expression of important cytokines in the pigeons brains during both disease phases was examined by quantitative real-time PCR (RT-qPCR). In particular the expression rates of interleukin (IL) 1, IL-6, IL-7, IL-12, IL-15, IL-18, interferon gamma (IFN-γ), TNF-like factor 1A (TL1A), lipopolysaccharid-inducing TNF-alpha factor (LITAF), transforming growth factor β2 (TGF-β2) and of the chemokine IL-8 were measured. For relative quantification of gene expression suitable reference genes had to be chosen and established for RT-qPCR analysis. Therefore, ten reference genes, namely β-actin (betaactin), GAPDH (glycerinaldehyd-3-phosphat-dehydrogenase), Gusb (glucuronidase, beta), HMBS (hydroxymethylbilan-synthase), HPRT (hypoxanthin- phosphoribosyl-transferase), RPL13 (ribosomal protein L13), RPL19 (ribosomal protein L19), RPS7 (ribosomal Protein S7), TFRC (transferrin-receptor) and Ywhaz (tyrosin 3-monooxygenase / tryptophan 5-monooxygenase activating protein, zeta-polypeptid) were established de novo for the pigeon. In addition, the composition of inflammatory cells in the brain lesions of the second disease phase was investigated by specific antibodies. The results show that during the first disease phase (schizogony of the parasite) the cytokines IL-15, IL- 18 and IFN-γ (all of them significantly) and IL-12 were down- modulated when compared with the control group. Proinflammatory cytokines IL- 1β, IL-6 and the chemokin IL-8 were up-modulated. In contrast, in the central nervous, second phase of disease, IFN-γ together with TL1A and LITAF were significantly up-modulated, which correlated with a prominent MHC-II protein expression in areas of mononuclear cell infiltration and necrosis. Immunohistochemically, the mononuclear cell fraction was identified as mainly Tlymphocytes. In conclusion, the results of the present study suggest that S. calchasi may be capable of manipulating the TH1 immune response of the intermediate host during the first phase of disease and by this hinder a protective anti-parasitic cellular immune response. The results further suggest that during the late central nervous phase a T-cell mediated delayed- type hypersensitivity reaction may cause the severe inflammatory cerebral lesions in the pigeons. In combination, it seems plausible that this complex pathology may aid in the spreed of the parasite from the intermediate host to the definitive host.