Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, sich kritisch mit der These von Robert Putnam (1993) bezüglich der Effekte vom kollektiven Sozialkapital auf die sozioökonomische Entwicklung auseinander zu setzen. Anders als die große Mehrheit der mit diesem Thema bisher befassten empirischen Arbeiten wird hier mit Amartya Sens Verwirklichungschancen-Ansatz als Entwicklungskonzept und mit der Ebene der Gemeinden als Analyseeinheit gearbeitet. Die von Portes (2000) übernommene Kernidee besteht darin, deutlich zu machen, dass die angeblichen Effekte des Sozialkapitals für die Erklärung lokaler Entwicklung um vieles geringer sein können, wenn gleichzeitig weitere Erklärungsfaktoren berücksichtigt werden. Daher wurden hier die „netto Effekte“ des Sozialkapital auf einen mehrdimensionalen Index lokaler Entwicklung und auf jede seiner Dimensionen (Arbeit/Einkommen, Bildung und Gesundheit) berechnet. Als empirische Grundlage dienten die 496 Gemeinden des Bundesstaates Rio Grande do Sul in Brasilien. Und die analysierte Zeitspanne bezieht sich auf das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts (2000 - 2010). Aus den vor Ort verfügbaren Daten wurde mit drei Sozialkapital-Variablen und mit zehn potenziellen Kontrollvariablen gearbeitet. Sämtliche hier verwendeten Daten stammen aus offiziellen staatlichen Quellen. Zu den Ergebnissen ist hervorzuheben, dass keine der drei Sozialkapital-Variablen einen positiven Zusammenhang mit der Dimension Arbeit/Einkommen aufwies. Dagegen zeigten zwei Sozialkapital- Variablen positive Zusammenhänge mit „Bildung“ und „Gesundheit“, welche in den Regressionsanalysen selbst nach Berücksichtigung der verschiedenen Kontrollvariablen robust verblieben. Die Diskussion dieser und weiterer Befunde, die aus den Resultaten der Kontrollvariablen gewonnen wurden, vor dem Hintergrund des Verwirklichungschancen-Ansatzes ermöglichte eine differenzierte und innovative Betrachtung der Rolle des putnamschen sozialen Kapitals auf die lokale Entwicklung. Ohne diese Rolle zu negieren, wurden andere Einflussfaktoren und entsprechende Wirkungsmechanismen diskutiert, um die Überschätzung des Einflusses des Sozialkapitals zu offenbaren und künftig zu vermeiden. Dieser Ansatz kann daher ein neues, komplexeres und der Realität näheres Bild in Bezug auf die Beziehung Sozialkapital/Entwicklung darbieten.
The purpose of this work is to critically analyze the thesis of Robert Putnam (1993) on the effects of collective social capital of socio-economic development. Unlike what the vast majority of the empirical works so far are concerned with, this thesis see into Amartya Sen’s capability approach as development concept and the local level as unit of analysis. The core idea adopted from Portes (2000) is to make clear that the alleged effects of social capital on explanation of local development may be much lower if other explanatory factors are taken simultaneously into account. Therefore I estimated the so called "net effects" of social capital on a multi-dimensional index of local development and on each of its dimensions (work/income, education and health). On empirical basis I used the data from the 496 municipalities of the state of Rio Grande do Sul in Brazil, and the analyzed period refers to the first decade of the 21st century (2000 - 2010). Departing from the available data in the research field I worked with three social capital variables and with ten potential control variables. All data used here come from official government sources. Concerning the results it have to be emphasized that none of the three social capital variables had a positive correlation with the dimension of work/income. In contrast, two social capital variables showed positive correlations with "education" and "health", which remained robust in the regression analyzes even after taking account of the various control variables. The discussion of these and other findings, which were obtained from the results of the control variables in the context of the capability approach, enabled a differentiated and innovative analysis of the role of Putnam’s version of social capital on local development. Without denying this role, other factors and corresponding mechanisms were discussed to show the overestimations of the influence of social capital and to avoid them in the future. This approach can therefore offer a new, more complex and accurate picture of the reality in terms of the relationship of social capital/development.