Sprachentwicklungsstörungen zählen zu den häufigsten Entwicklungsstörungen im Kindesalter. Bei einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES) treten signifikante zeitliche und/oder strukturelle Abweichungen vom normalen Spracherwerb ohne offensichtliche Ursache auf. Kinder mit einer SSES weisen primär eine normale physische, kognitive und soziale Entwicklung auf. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgt die Erfassung sprachlicher Leistungen von Kindern mit einer Sprachentwicklungsstörung (SES) aus einer Kombination von subjektiven Untersuchungsverfahren und normierten Tests. In Deutschland ist zurzeit kein Testverfahren vorhanden, dass eine dichotome Aufteilung in SSES- und sprachunauffällige Kinder validiert ermöglicht. Zudem fehlen bei den in der Sprachdiagnostik eingesetzten Tests Angaben zu deren diagnostischer Genauigkeit (Sensitivität, Spezifität). Dies ist unter anderem vermutlich auf das Fehlen eines allgemein anerkannten Referenztests zurückzuführen. Im Rahmen der evidenzbasierten Medizin wird jedoch gefordert, dass Diagnosen auf der Grundlage von empirischen Daten gestellt werden. In Hinblick auf klinische und wissenschaftliche Fragestellungen ist die Entwicklung eines validen Testverfahrens zur Erfassung der sprachlichen Leistungen von SSES-Kindern wünschenswert, mit dessen Hilfe eine dichotome Einteilung in sprachauffällige und sprachgesunde Kinder möglich wird. Ziel der vorliegenden Studie war es, eine sprachliche Testbatterie aus im deutschsprachigen Raum vorhandenen validierten Tests zusammenzustellen und diese auf ihre diagnostische Genauigkeit zu überprüfen. Es wurde eine Testbatterie aus 8 deutschsprachigen Untertests zusammengestellt. Die ausgewählten Untertests überprüfen insbesondere die bei einer SSES charakteristischer Weise betroffenen Sprachbereiche in den Modalitäten expressiv und rezeptiv. Als Studiendesign wurde eine Diagnose-Studie gewählt, bei der die diagnostische Genauigkeit der zusammengestellten Testbatterie anhand einer klinischen Einschätzung überprüft wurde. Die Untersuchungen erfolgten an 68 Kindern (33 Mädchen, 35 Jungen) im Alter von 6;00 bis 8;11. Nach Ausschluss von 10 Kindern bestand das Kollektiv aus 29 SSES- (SSES-Gruppe) und 29 sprachgesunden Kindern (Kontroll-Gruppe). Verschiedene Klassifizierungs-Analysen ergaben für die sprachliche Testbatterie eine akzeptable bis gute diagnostische Genauigkeit (Sensitivität und Spezifität > 80 %). Bei unterschiedlicher Gewichtung der Untertests (binär logistische Regressions-Analyse) wurden Werte von über 90 % erreicht. Die höchste diagnostische Genauigkeit (Sensitivität 93,1 %, Spezifität 96,6 %) konnte bei Einschluss von nur 3 Untertests der sprachlichen Testbatterie (IS und WF aus dem HSET, ZFG aus dem PET) erreicht werden. Die Überprüfung des sprachauditiven Kurzzeitgedächtnisses durch das Wiederholen von Sätzen (Untertest IS aus dem HSET) trug als Einzeltest am meisten zur Aufklärung der Gruppenzugehörigkeit (sprachauffällig - sprachunauffällig) bei. Für den Gesamtwert der sprachlichen Testbatterie lag der empirisch ermittelte Cutoff- Wert bei T = 48,85 (entspricht etwa -0,12 SD). Für den Untertest IS (HSET) lag der Cutoff-Wert bei T = 42,59 (entspricht etwa -0,74 SD). Analysen zur konvergenten Validität konnten die Konstruktvalidität der sprachlichen Testbatterie bestätigen. Eine Analyse der divergenten Validität zeigte lediglich zum Teil Korrelationen zwischen den Sprachtests und der sprachfreien Intelligenz. Die Ergebnisse sprechen gegen die im klinischen Alltag übliche Verwendung eines Standard- Cutoff-Wertes bei -1 SD. Die zusammengestellte sprachliche Testbatterie kann als valides diagnostisches Testverfahren bei akzeptabler bis guter diagnostischer Genauigkeit eingesetzt werden, um sprachauffällige und sprachgesunde Kinder im Alter von 6;00 bis 8;11 dichotom zu klassifizieren.
Background: A valid diagnostic method for dichotomous classification (language impaired, normal language developing) is required to identify specific language impaired (SLI) children between 6 and 8 years in clinical practice and research issues. Patients and methods: 29 children belonged to SLI-group, 29 to control-group. The diagnostic accuracy of a composed language test battery (8 subtests) from german standardized tests was examined in comparison to a clinical assessment. Results: Several discriminant analyses showed acceptable levels of accuracy over 80 % for sensitivity and specificity when individual cutoff scores were used. Means of 7 of the 8 used subtests showed significant differences for the two groups.