Tinnitus ist definiert als die Hörwahrnehmung eines Geräuschs ohne Existenz einer externen akustischen Quelle und tritt als otologisches Symptom bei bis zu 20 % der erwachsenen Bevölkerung auf. Derzeit ist keine Heilung des chronischen Tinnitus im Sinne einer Ausschaltung der akustischen Wahrnehmung möglich. Die Tinnitus-Retraining-Therapie, die auf eine Tinnitushabituation und langfristige Reduktion tinnitusassoziierter psychosomatischer und -sozialer Symptome zielt, erwies sich bisher - sowohl in klassischer als auch modifizierter Form - als effizientes Therapieverfahren. Aufgrund defizitärer Kenntnisse hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Therapieerfolgs sowie bezüglich differenzieller Therapieindikatoren war das Ziel vorliegender Arbeit, in einem retrospektiv-katamnestischen Studiendesign Langzeiteffekte einer ambulanten 7-tägigen modifizierten Tinnitus-Retraining-Therapie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin zu untersuchen sowie mögliche prädiktive Parameter eines Therapieerfolgs zu identifizieren. Die diesbezüglich notwendigen Daten wurden bei 130 Tinnituspatienten sowohl mittels audiometrischer Tests als auch soziodemografischer und psychometrischer Fragebögen vor Beginn und nach Abschluss der Therapie sowie nach einer etwa 3-jährigen Follow-up-Periode erhoben. Die Veränderungen im Zeitverlauf wurden anschließend deskriptiv und analytisch ausgewertet. Bereits unmittelbar nach Abschluss der Kurzzeittherapie wurden signifikante Verbesserungen bezüglich der Häufigkeit der Tinnitusperzeption, der Tinnituslautstärke und der tinnitusassoziierten Beeinträchtigung (Visuelle Analogskalen) - vor allem der psychischen Belastung (Tinnitus-Fragebogen nach Goebel und Hiller) - festgestellt. Zudem zeigten sich eine signifikante Zunahme des Wohlbefindens (Berliner Stimmungsfragebogen) und der globalen Lebensqualität (Anamnestic Comparative Self-Assessment) sowie eine signifikante Abnahme des Stresserlebens (Perceived Stress Questionnaire) und der Depressivität (Allgemeine Depressionsskala). Während der Nachbeobachtungsphase war, mit Ausnahme einer geringen Verstärkung der Depressivsymptomatik, eine Stabilität des verbesserten Zustandes zu verzeichnen. Das Ausmaß der subjektiv erlebten Beeinträchtigung (Visuelle Analogskala) wurde sogar signifikant fortschreitend reduziert. Es kann vermutet werden, dass dies auf eine effektive und langfristige Umsetzung der erlernten Bewältigungsstrategien im Alltag zurückzuführen ist; dabei wird die Nachbetreuung, welche über Sprechstunden gewährleistet ist, als wichtig erachtet, da mittels dieser die Compliance der Patienten gestärkt sowie auf aktuell belastende oder fordernde Lebensereignisse unterstützend eingegangen werden kann. Eine besonders positive Entwicklung zeigte sich bei den unter 50-jährigen Patienten sowie bei denjenigen mit einer Tinnitusanamnese von weniger als zwei Jahren. Zudem erwies sich der initiale Stress- sowie Depressionsgrad als prädiktionsstarker Parameter: Insbesondere bei den Patienten, die ein hohes Störungsniveau aufwiesen, wurde eine signifikante Verbesserung im entsprechenden Beschwerdebereich festgestellt. Eine stärkere Reduktion hinsichtlich tinnitusbedingter Belastungsaspekte (Tinnitus- Fragebogen) wurde außerdem bei Patienten mit einem geringeren Hörverlust ermittelt. Die Ergebnisse weisen auf die Bedeutung eines Stressbewältigungstrainings und einer psychotherapeutischen Behandlung als Therapieelemente hin. Als wichtiger Aspekt im Hinblick auf eine mögliche Steigerung der Therapieeffektivität wird zudem erachtet, eine bestehende Hörminderung frühzeitig zu erkennen und die Patienten adäquat mit einem Hörgerät zu versorgen. Die besondere Therapieeignung der seit kurzem Betroffenen könnte sich gesundheitsökonomisch als relevant erweisen, wenn mit einer frühzeitig und anhaltend erfolgreich durchgeführten Intensivtherapie Folgebehandlungen vermieden würden. Insgesamt erweist sich die Tinnitus- Intensivtherapie der Charité als langfristig effektive Methode zur Behandlung belasteter Tinnituspatienten. Künftig sollten Katamnesestudien mit einem Nachbeobachtungsintervall von mehr als drei Jahren durchgeführt werden, um die Langzeiteffektivität der Therapie weiter zu überprüfen und mögliche Einflussfaktoren zu eruieren.
Tinnitus is defined as an acoustic perception of a sound without an external acoustic source. It is an otologic symptom affecting up to 20 % of the adult population. A cure of chronical tinnitus eliminating the acoustical perception has not been found yet. Tinnitus retraining therapy, aiming for habituation and long-term reduction of tinnitus-related psychosomatic and -social symptoms, turned out ot be an effective therapy, in classical as well as in modified form. Because of the lack of knowledge concerning long-term outcome of therapy-effects and differenciated indicators for therapy it was the intent of this study to evaluate the long-term effects of an one week ambulant, modified tinnitus retraining therapy at Charité University Hospital, Berlin as well as identifying predictive parameters for the therapy-effect. The data concerning this were collected from 130 patients using audiometric tests as well as socio-demographic und psychometric questionnaires, before, immediately after therapy and three years later. The changes during this follow-up period were evaluated descriptively and analytically. Immediately after the end of therapy, significant improvements concerning frequency and loudness of tinnitus-perception as well as tinnitus-associated annoyance (Visual Analog Scale), especially mental stress (Tinnitus Questionnaire according to Goebel and Hiller) were recognized. Furthermore significant increases in well-being (Berlin Mood Questionnaire) and overall life-quality (Anamnestic Comparative Self-Assessment) were registered as well as significant decreases in stress- perceiving (Perceived Stress Questionnaire) and depression (General Depression Scale). Post-therapy-investigation showed stability of the improved state, except a slight increase in depressive symptoms. The degree of subjectively felt annoyance (Visual Analog Scale) showed a significant progressive reduction. This could be due to an effective and long-term implementation of an aquired strategy of coping with every-day life. Out-patient aftercare is regarded important in improving the patients’ compliance and supporting them in stress or demanding situations. Patients younger than 50 years and those with a tinnitus-anamnesis of less than two years showed especially positive changes. Furthermore the initial degrees of stress and depression proved strong parameters of prediction: patients with a high level of disturbance showed significant improvement of their disorders. A higher level of improvement concerning tinnitus-related strain (Tinnitus Questionnaire) was found in patients with only slight hearing-loss. The results indicate the importance of training in coping with stress and psychotherapy as elements of therapy. Another relevant aspect regarding improvement of therapy-effectivity is the early diagnosis of hearing-loss and supplying patients with an adequate hearing-aid device. The well-proven therapy-suitability of patients with a short duration of symptoms could be of economical relevance through avoiding repeatet following treatments by an early und lasting intensive therapy. Overall the tinnitus intensive therapy carried out by the Charité proved to be a long-term effective method for the treatment of stressed patients with tinnitus. Catamnestic studies with follow-up intervals exceeding three years to investigate the long-term effectivity and influencing factors of the therapy are recommended.